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25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. April 2000 in Sachen Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich sowie X. und Y. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nach dem Tod des Opfers beziehungsweise des Geschädigten (Art. 270 BStP, Art. 2 und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG); Anordnung der Erbschaftsverwaltung (Art. 554 ZGB). |
Der Erbschaftsverwalter ist in dieser Eigenschaft im Rahmen seiner Prozessführungsbefugnis betreffend den Nachlass des Opfers beziehungsweise des Geschädigten ebenfalls nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert (E. 5 u. 6). | |
Sachverhalt | |
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Y. wurde wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug, eventuell Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Wucher, angeklagt.
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B.- 1. Das Bezirksgericht Meilen sprach X. am 27. Mai 1997 schuldig des versuchten gewerbsmässigen Betrugs (zum Nachteil von A.). Es verurteilte sie deswegen sowie wegen verschiedener weiterer Straftaten (die nicht A. betrafen) zu 24 Monaten Gefängnis. Vom Vorwurf der Aussetzung (zum Nachteil von A.) wurde sie freigesprochen.
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Y. wurde vollumfänglich freigesprochen.
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2. Gegen dieses Urteil erhoben zum einen die Verurteilte X. und zum andern, in getrennten Eingaben, B. (der Bruder von A.) sowie die Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. Berufung.
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X. beantragte ihre vollumfängliche Freisprechung.
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B. beantragte unter anderem, X. sei des gewerbsmässigen Betrugs, eventuell des gewerbsmässigen Wuchers, sowie der Aussetzung schuldig zu sprechen. B. ist während des Berufungsverfahrens, am 15. Februar 1999, verstorben. Seine Tochter C. trat in das Berufungsverfahren ein.
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Die Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. stellte unter anderem den Antrag, X. sei des gewerbsmässigen Betrugs schuldig zu sprechen und im Berufungsverfahren adhäsionsweise zu verschiedenen vermögenswerten Leistungen zu verpflichten.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zog ihre Berufung zurück.
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3. Das Obergericht des Kantons Zürich trat mit Entscheid vom 29. September 1999 auf die Berufung von C. (vormals B.) sowie auf die Berufung der Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. nicht ein.
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Es sprach X. in teilweiser Gutheissung ihrer Berufung vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs, eventuell des gewerbsmässigen Wuchers, frei. Es verurteilte sie wegen verschiedener Straftaten, die allesamt nicht A. betrafen, zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Monaten.
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Y. wurde freigesprochen.
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Auf das Schadenersatzbegehren von C. (vormals B.) respektive der Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. trat das Obergericht nicht ein.
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C.- Die Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. beantragt mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde die Aufhebung des Urteils.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger des Kantons zu (Art. 270 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege; BStP, SR 312.0). Sie steht auch dem Geschädigten zu, wenn er sich ![]() | 16 |
Gemäss Art. 2 Abs. 2 OHG werden der Ehegatte des Opfers, dessen Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahe stehen, dem Opfer gleichgestellt, unter anderem bei der Geltendmachung von Verfahrensrechten und Zivilansprüchen (Art. 8 und 9 des Opferhilfegesetzes; OHG, SR 312.5), soweit ihnen Zivilansprüche gegenüber dem Täter zustehen (Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG). Zu den Verfahrensrechten gemäss Art. 8 OHG gehört unter anderem das Recht des Opfers, den Gerichtsentscheid mit den gleichen Rechtsmitteln anzufechten wie der Beschuldigte, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann (Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG). Die in Art. 2 Abs. 2 OHG genannten Personen sind mithin unter den in Art. 2 Abs. 2 lit. b und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG genannten und daraus sich ergebenden Voraussetzungen zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde etwa gegen ein den Beschuldigten freisprechendes Urteil befugt.
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In bestimmten Fällen ist das Opfer ungeachtet der im Gesetz genannten Voraussetzungen zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, beispielsweise soweit die Opfer-Eigenschaft und/oder Opferrechte zur Diskussion stehen (siehe BGE 120 IV 44 E. 3 und 7; BGE 122 IV 71 E. 2, 79 E. 1; BGE 124 IV 188 E. 1c). Entsprechendes muss beispielsweise für die Rüge gelten, eine bestimmte Person sei von der Strafverfolgungsbehörde zu Unrecht nicht als eine dem Opfer nahe stehende Person im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG qualifiziert worden (siehe nicht publiziertes Urteil des Kassationshofes vom 4. November 1999 i.S. B. c. AG, E. 1d).
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Die gesetzliche Regelung der Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Art. 270 BStP und in Art. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ist insoweit nicht abschliessend, als nach der Praxis in gewissen Bereichen auch Personen als legitimiert erachtet werden, die weder Geschädigte im Sinne des Strafprozessrechts noch Opfer gemäss dem Opferhilfegesetz sind, so beispielsweise ![]() | 19 |
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a) Zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt, etwa gegen ein den Beschuldigten freisprechendes Urteil, ist nicht schon befugt, wer behauptet, über eine Zivilforderung aus strafbarer Handlung zu verfügen. Hiefür ist nach der insoweit abschliessenden gesetzlichen Regelung zusätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer ein Geschädigter (Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP), ein Opfer (Art. 2 Abs. 1 OHG) oder eine dem Opfer gleichgestellte Person (Art. 2 Abs. 2 OHG) ist. Die Erben eines Geschädigten beziehungsweise eines Opfers gehören in ihrer Eigenschaft als Erben nicht zu diesem Personenkreis. Sie sind daher, auch wenn sie einen Zivilanspruch aus angeblich strafbarer Handlung durch Erbgang erworben haben, nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert (ebenso SCHWERI, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, 1993, N. 261, 294; SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl. 1997, N. 1093; anderer Auffassung insbesondere BERNHARD STRÄULI, Pourvoi en nullité et recours de droit public au Tribunal Fédéral, Diss. Genf 1995, N. 105 f., 128 f.).
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Daran ist festzuhalten.
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b) Wohl sind die Erben des Geschädigten beziehungsweise des Opfers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt legitimiert, wenn der Zivilanspruch zusammen mit der Strafklage beurteilt worden ist und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus folgt aber nicht, dass die Erben zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt sind, wenn und weil der angefochtene Entscheid im Strafpunkt sich negativ auf die Beurteilung der Zivilforderung auswirkt.
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aa) Das Opferhilfegesetz will nach seinem Sinn und Zweck den Opfern gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG und den diesen nahe stehenden Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG die adhäsionsweise Durchsetzung ihrer Zivilansprüche gegen den Beschuldigten im Strafverfahren erleichtern und ihnen damit nach Möglichkeit einen unter Umständen aufwendigen und kostspieligen Zivilprozess ersparen.
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bb) Aus dem Opferhilfegesetz und aus Art. 270 BStP ergibt sich nicht, dass auch irgendwelche - unter Umständen entfernte - gesetzliche oder gar eingesetzte Erben von Opfern und übrigen Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt seien, nur weil sie einen angeblichen Zivilanspruch aus strafbarer Handlung durch Erbgang erworben haben. Die Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt ist nicht sachbezogen, das heisst nicht allein von der angeblichen Existenz eines Anspruchs aus strafbarer Handlung abhängig. Sie ist vielmehr personenbezogen.
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cc) BGE 83 IV 183, auf den die Beschwerdeführerin sich beruft, ist nicht einschlägig. Der Entscheid betrifft die Frage der Beschwerdelegitimation von Angehörigen des Strafantragstellers nach dessen Ableben. Stirbt ein Verletzter, ohne dass er den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht gemäss Art. 28 Abs. 4 StGB das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. Wenn ein Angehöriger des verstorbenen Verletzten Strafantrag stellte, so war er in seiner Eigenschaft als Strafantragsteller gemäss Art. 270 BStP in der damals geltenden Fassung zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert. Aus dieser gesetzlichen Regelung hat der Kassationshof in BGE 83 IV 183 gefolgert, ![]() | 27 |
dd) Allerdings bestimmt Art. 270 Abs. 2 BStP, dass die Nichtigkeitsbeschwerde (im Strafpunkt) nach dem Tod des Angeklagten (Verurteilten) seinen Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zustehe (siehe entsprechend auch Art. 231 Abs. 1 lit b BStP betreffend die Legitimation zur Revision). Daraus lässt sich indessen nicht die Beschwerdelegitimation der Erben des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt ableiten. In Art. 270 Abs. 2 BStP ist nicht von den Erben die Rede, sondern von bestimmten Verwandten, Verschwägerten und vom Ehegatten. Nicht die Erben des Verurteilten sind mithin - etwa zur Abwendung zivilrechtlicher ![]() | 28 |
c) Demnach ist in Bestätigung der Rechtsprechung daran festzuhalten, dass die Erben des Opfers beziehungsweise des Geschädigten nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert sind.
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Daraus folgt aber, dass im Falle der behördlichen Anordnung einer Erbschaftsverwaltung aus irgendwelchen Gründen (siehe Art. 554 ZGB) auch der Erbschaftsverwalter im Rahmen seiner den Nachlass betreffenden Prozessführungsbefugnis nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert ist.
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6. a) Der Kassationshof hat in BGE 126 IV 42 erkannt, dass die dem Opfer nahe stehenden Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt (gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG) nicht nur dann legitimiert sind, wenn sie ihrerseits im Strafverfahren adhäsionsweise Zivilansprüche wegen Beeinträchtigung ihrer Person geltend gemacht haben, sondern auch dann, wenn sie eine vom Opfer selbst zu Lebzeiten adhäsionsweise geltend gemachte Zivilforderung nach dessen Tod durch Erbgang erworben ![]() | 32 |
b) Die Frage der Legitimation der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG kann sich nur in Bezug auf die behauptete Aussetzung gemäss Art. 127 StGB stellen, nicht auch hinsichtlich des behaupteten Betrugs (eventuell Wuchers), da A. höchstens allenfalls durch die behauptete Aussetzung in seiner physischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden und somit allein insoweit Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG war.
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c) Die Beschwerdeführerin ist in ihrer Eigenschaft als Erbschaftsverwalterin, ungeachtet der Gründe für die behördliche Anordnung der Sicherungsmassregel der Erbschaftsverwaltung, keine dem Opfer nahe stehende Person im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG, da sie in dieser Eigenschaft dem Opfer A. nicht durch verwandtschaftliche oder ähnliche persönliche Beziehung verbunden ist. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie für eine dem Opfer A. nahe stehende Person handle. Die einzige Person, die allenfalls dem Opfer A. nahe stand und welche möglicherweise über einen Zivilanspruch gegen die Beschuldigte X. aus der behaupteten Aussetzung - sei es eventuell infolge Erbgangs, sei es allenfalls wegen Verletzung der eigenen persönlichen Verhältnisse - verfügt, ist C., die Nichte des Opfers A. Diese hat aber ihrerseits selber im kantonalen Strafverfahren Rechte ausgeübt, Berufung eingereicht sowie gegen das vorinstanzliche Urteil eine eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Ob C., soweit den Vorwurf der Aussetzung betreffend, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert ist, ist in dem sie betreffenden Verfahren zu prüfen.
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Der vorliegende Fall ist somit nicht mit der Konstellation vergleichbar, die BGE 126 IV 42 zu Grunde lag, in welchem Entscheid die Frage der Legitimation des Willensvollstreckers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt offen gelassen worden ist.
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