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30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. August 2000 i. S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 35 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 und Art. 90 Ziff. 2 SVG; Art. 8 Abs. 3 und Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV; Rechtsüberholen auf der Autobahn; grobe Verletzung von Verkehrsregeln. |
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln bejaht bei einem Lenker, der bei dichtem Feierabendverkehr zwei Fahrzeuge rechts überholt hat (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Das Bezirksamt Baden verurteilte S. mit Strafbefehl vom 21. Juli 1999 wegen Rechtsüberholens auf der Autobahn durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01) zu einer Busse von Fr. 400.-.
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Auf Einsprache der Staatsanwaltschaft hin erliess das Bezirksamt Baden am 9. August 1999 gestützt auf denselben Sachverhalt, neu aber in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG einen neuen Strafbefehl, wiederum mit einer Busse von Fr. 400.-.
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Auf Einsprache von S. hin verurteilte ihn das Bezirksgericht Baden am 11. November 1999 wegen unerlaubten Rechtsüberholens auf der Autobahn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG zu einer Busse von Fr. 300.-.
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Gegen dieses Urteil erhoben sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch S. Berufung. Das Obergericht des Kantons Aargau wies mit Urteil vom 5. Juni 2000 die Berufung von S. ab und hiess die Berufung der Staatsanwaltschaft gut. S. wurde wegen unerlaubten Rechtsüberholens auf der Autobahn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 400.- bestraft.
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S. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
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aus folgenden Erwägungen: | |
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, beim Fahren in parallelen Kolonnen sei das Ausschwenken von der linken Fahrspur (Überholspur) auf die rechte Fahrspur (Normalspur) und das Einbiegen von der rechten Fahrspur auf die linke Fahrspur für sich allein ebenso zulässig, wie es erlaubt sei, auf der rechten Fahrspur ![]() | 8 |
Für den Fall, dass seine Beschwerde in diesem Punkt nicht begründet sei, macht der Beschwerdeführer geltend, die Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 statt von Art. 90 Ziff. 1 SVG auf den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt verletze Bundesrecht.
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Eine Ausnahme vom Verbot des Rechtsüberholens sieht Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) allgemein und Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV ![]() | 11 |
Nicht blosses Vorbeifahren, sondern ein Überholen durch Ausschwenken nach rechts und Wiedereinbiegen nach links liegt jedenfalls dann vor, wenn das Ausschwenken, das Vorbeifahren an einem oder bloss wenigen Fahrzeugen und das anschliessende Wiedereinbiegen in einem Zuge erfolgten; also etwa dann, wenn ein Fahrzeuglenker die Lücken in den parallelen Kolonnen so ausnützt, dass er nur um zu überholen kurz auf der rechten Fahrbahn fährt und gleich wieder nach links einbiegt (BGE 115 IV 244 E. 3b).
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b) Der Beschwerdeführer fuhr auf dem Überholstreifen, schloss auf ein anderes Auto auf, bog rechts auf den Normalstreifen aus, fuhr an insgesamt zwei Fahrzeugen vorbei und schwenkte anschliessend auf die Überholspur zurück. Objektiv sind damit die Voraussetzungen des verbotenen Rechtsüberholens auf der Autobahn offensichtlich gegeben, was im Übrigen auch der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt.
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c) Neu und vom Bundesgericht bisher nicht entschieden ist die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob die Durchführung des verbotenen Manövers "in einem Zuge" nur mit direktem Vorsatz begangen werden kann.
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Der Straftatbestand der qualifizierten Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG kann grundsätzlich auch fahrlässig begangen werden (BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, Kommentar, 3. Aufl., Lausanne 1996, Art. 90 N. 4.3 mit Hinweisen). Schon deshalb kommt für die Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG grundsätzlich auch dolus eventualis in Betracht.
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Das Verbot des Rechtsüberholens ist eine für die Verkehrssicherheit objektiv wichtige Vorschrift, deren Missachtung eine erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit mit beträchtlicher ![]() | 18 |
Für den vorliegenden Fall hat die Vorinstanz Folgendes festgestellt: Zur fraglichen Zeit herrschte Kolonnenverkehr; die Fahrzeuge fuhren mit reduzierter Geschwindigkeit. Ein eigentlicher Stau habe sich nicht gebildet; es habe sich um den üblichen Baregg-Verkehr gegen Feierabend gehandelt. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe durch seine Fahrweise eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen. Zwar sei nicht mit den hohen Geschwindigkeiten gefahren worden, welche auf Autobahnen sonst üblich seien. Die verminderte Geschwindigkeit sei aber nicht auf eine entsprechende Signalisation zurückzuführen gewesen, sondern auf ein erhöhtes Fahraufkommen. Eine solche Situation erfordere von allen Verkehrsteilnehmern eine erhöhte Disziplin, vermehrte Aufmerksamkeit sowie Rücksichtnahme. Es sei allgemein bekannt, dass es sich bei den Automobilisten, die sich gegen Abend auf der Strasse befinden, in der Regel um solche handle, welche auf dem Heimweg seien, bereits einen Arbeitstag hinter sich hätten und entsprechend in ihrer Konzentration eingeschränkt seien. Das Überholmanöver des Beschwerdeführers sei unter solchen Umständen speziell geeignet gewesen, andere Verkehrsteilnehmer zu gefährlichen Fehlreaktionen zu veranlassen (etwa brüskes Bremsen, wenn sie überraschend rechts überholt würden; oder unvermitteltes Ausweichen, wenn sie selber gerade dazu ansetzen wollten, auf die rechte Spur zu wechseln). Dadurch hätte eine ganze Gefahrenkette ausgelöst werden können.
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Derartige Gesichtspunkte haben das Bundesgericht in BGE 123 IV 88 E. 3b veranlasst, eine grobe Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG anzunehmen. Zutreffend bemerkt die Vorinstanz, dass bei dichtem Feierabendverkehr ein Rechtsüberholmanöver leicht zu einer Massenkollision mit unabsehbaren Folgen führen kann.
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