BGE 126 IV 198 | |||
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31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. März 2000 in Sachen R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) Art. 8. Abs. 1 lit. d, Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG, Art. 18 Abs. 2 StGB; Handel mit Hanfprodukten, subjektiver Tatbestand. | |
Regeste |
Jedenfalls dann, wenn Hanfprodukte vertrieben werden, deren Gehalt an THC den gesetzlichen Grenzwert überschreitet, kann der subjektive Tatbestand auch in der Form des Eventualvorsatzes erfüllt werden (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Das Bezirksgericht St. Gallen verurteilte R. am 4. November 1998 wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Zeit von Anfang 1997 bis zum 3. April 1998 zu 12 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren; überdies wurde R. verpflichtet, dem Staat eine Ersatzforderung von Fr. 5'000.- zu bezahlen. Gegen diesen Entscheid erhob R. am 6. Januar 1999 Berufung.
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Mit Nachtragsüberweisung vom 3. Juni 1999 wurde R. erneut wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt; das Strafverfahren wurde mit dem Berufungsverfahren vereinigt. Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte R. am 17. November 1999 wegen mehrfacher, aber nicht schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtstrafe von 8 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren; die Ersatzforderung des Staates wurde bestätigt.
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R. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Nach Art. 1 Abs. 2 lit. a Ziff. 4 BetmG fällt Hanfkraut als Rohmaterial unter die vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Substanzen (BGE 124 IV 44 E. 2b S. 46), ohne Rücksicht auf den Gehalt an psychoaktiven Substanzen (bei Hanf insbesondere Delta-Tetrahydrocannabinol [THC]). Handel und Umgang mit Hanfkraut unterstehen somit der staatlichen Kontrolle (Art. 2 BetmG). Dient das Hanfkraut der Gewinnung von Betäubungsmitteln, so verbietet Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG ausnahmslos Anbau und Inverkehrbringen. Das Verbot trifft die ganze Pflanze, nicht nur die Teile mit hohem Gehalt an THC (BGE 126 IV 60 E. 2a). Wann Hanfkraut als Rohmaterial respektive als gebrauchsfertiges Betäubungsmittel zu gelten hat, geht aus dem Betäubungsmittelgesetz zwar nicht hervor, lässt sich aber aus der Gesetzgebung zu den Lebensmitteln und der Landwirtschaft herleiten.
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Der Bundesrat hat in bestimmten Fällen Anbau und Verkauf von Hanf gestattet. So können Hanf und Hanfprodukte zugelassene Bestandteile von Lebensmitteln sein (Art. 1 und 2 i.V.m. Anhang 4 S. 88 der Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln [FIV] vom 26. Juni 1995, SR 817.021.23, gestützt auf Art. 7, 9 Abs. 2 und 16 Abs. 3 der Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995, SR 817.02). Die Vorschriften zur Landwirtschaft erlauben den Anbau einiger namentlich aufgeführter Hanfsorten ("Industriehanf", Art. 4 und Anhang 4 S. 18 der Verordnung des Bundesamts für Landwirtschaft über den Sortenkatalog für Getreide, Kartoffeln, Futterpflanzen und Hanf [Sortenkatalog-Verordnung] vom 7. Dezember 1998, SR 916.151.6; Delegation der Zuständigkeit an das Bundesamt für Landwirtschaft in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Produktion und das Inverkehrbringen von pflanzlichem Vermehrungsmaterial [Saatgut-Verordnung] vom 7. Dezember 1998, SR 916.151, gestützt insbesondere auf Art. 162 des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft vom 29. April 1998, SR 910.1).
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In allen genannten Fällen haben die zuständigen Bundesämter Grenzwerte für den Gehalt an THC festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen, damit die zugelassenen Produkte und Hanfsorten nicht als Betäubungsmittel missbraucht werden. Beim Industriehanf liegt der Grenzwert bei einem THC-Gehalt von 0,3 % (Sortenkatalog-Verordnung Anhang 4 S. 18), bei Lebensmitteln je nach Produkt zwischen 0,2 und 50 mg THC/kg, also zwischen 0,00002 und 0,005 % (FIV Anhang 4 "Liste der zugelassenen Höchstkonzentrationen [Toleranz und Grenzwerte] für andere Stoffe oder Inhaltsstoffe", S. 88). Diese Grenzwerte können als Massstab dafür dienen, ab welchem Gehalt an THC ein Hanfprodukt als Betäubungsmittel gelten muss und nach Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf.
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Der THC-Gehalt der vom Beschwerdeführer vertriebenen Produkte lag über den Grenzwerten. Der Verkauf dieser Produkte widerspricht somit dem Betäubungsmittelgesetz. Die Bemühungen, dieses Gesetz im Lichte neuerer Erkenntnisse zu überarbeiten, und die allfälligen Einsatzmöglichkeiten von Hanfprodukten ausserhalb des Bereichs der Betäubungsmittel können daran nichts ändern. Wie die Vorinstanz richtig ausführt, ist der Richter an das geltende Gesetz gebunden (BGE 124 IV 44 E. 2b S. 46; BGE 120 IV 256 E. 2c S. 260). Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu "Ecstasy" (BGE 125 IV 90; BGE 124 IV 286), auf die sich der Beschwerdeführer beruft, ergibt sich nichts zu seinen Gunsten. In beiden Entscheiden wurde eine Abstufung der Gefährlichkeit verschiedener Drogen vorgenommen, deren Unterstellung unter das Betäubungsmittelgesetz aber nicht in Frage gestellt. Die im Vergleich mit anderen Drogen geringere gesundheitsschädigende Wirkung von Hanfprodukten kann im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden. Die Vorinstanz hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ihr Entscheid verletzt insoweit kein Bundesrecht.
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2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass der Handel mit Hanfkraut nur dann nach Art. 19 Ziff. 1 BetmG strafbar sei, wenn die bestimmte Absicht zur Gewinnung von Betäubungsmitteln vorliege. Er nimmt damit die von einem Teil des Schrifttums vertretene Meinung auf, dass der Vertrieb von Hanf aufgrund von Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG nur dann gegen das Betäubungsmittelgesetz verstosse, wenn der Handel zur Gewinnung von Betäubungsmitteln erfolgt. Die Straftatbestände von Art. 19 Ziff. 1 BetmG seien erst erfüllt, wenn ein qualifizierter Vorsatz im Sinne eines Handlungsziels "zur Gewinnung von Betäubungsmitteln" vorliege; nur in dem Fall sei auch der Handel nach Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG unbefugt (PETER ALBRECHT, Der Verkauf von sog. "Duftkissen" - eine strafbare Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz?, SJZ 95/1999 S. 497, derselbe, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Sonderband Betäubungsmittelstrafrecht, Bern 1995, Art. 19 BetmG N. 93). ALBRECHT befürchtet eine Überdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 19 Ziff. 1 BetmG vor allem bei den Teilnahmetatbeständen, falls die teilweise sehr weit gefassten Tatbestandsalternativen ohne Einschränkung mit Eventualvorsatz erfüllt werden könnten, insbesondere bei üblichen Geschäften des täglichen Lebens oder sonstigen normalen Alltagshandlungen (Kommentar N. 94 f.).
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Diese Bedenken sind ernst zu nehmen. Vorliegend geht es jedoch um den Erwerb und Verkauf von Betäubungsmitteln und nicht um irgendwelche übliche Geschäfte des täglichen Lebens oder sonstige normale Alltagshandlungen. Der objektive Tatbestand des Erwerbs und Verkaufs von Betäubungsmitteln ist erfüllt, wenn Hanfprodukte vertrieben werden, deren Gehalt an THC den noch zulässigen Grenzwert überschreitet. In solchen Fällen besteht kein Grund, Eventualvorsatz für die Erfüllung des Tatbestandes nicht genügen zu lassen.
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Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) hat der Beschwerdeführer seine Hanfprodukte zu Preisen erstanden und abgesetzt, die weit über den für zugelassene Hanfprodukte üblichen Preisen lagen. Der Beschwerdeführer war sich im Klaren darüber, dass die von ihm vertriebenen Produkte als Betäubungsmittel verwendet werden konnten, sonst hätte er nicht schriftliche Warnungen vor dem gesetzwidrigen Gebrauch an die Kunden abgegeben und die Warnungen von ihnen unterschreiben lassen. Die Verkaufszahlen ergeben einen deutlichen Hinweis, dass die Möglichkeit des Missbrauchs rege genutzt wurde. Der Beschwerdeführer verkaufte "Duftsäcklein" in einer Menge, die eine Verwendung für die geltend gemachten gesundheitsfördernden Zwecke unglaubwürdig macht. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst sein, doch hat er sich nicht vom Verkauf seiner Produkte abhalten lassen, auch nicht, als bereits Strafuntersuchungen gegen ihn liefen. Er hat damit die Verwendung der von ihm vertriebenen Produkte als Betäubungsmittel in Kauf genommen und mit Eventualvorsatz gehandelt (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 251 mit Hinweisen). Ob direkter Vorsatz gegeben wäre, braucht nicht geprüft zu werden (vgl. dazu BGE 126 IV 60 E. 2b). Das Urteil der Vorinstanz, das von Eventualvorsatz des Beschwerdeführers ausgeht, verletzt kein Bundesrecht.
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