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24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. R.X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.337/2001 vom 3. Juni 2002 | |
Regeste |
Art. 287 StGB; Amtsanmassung, rechtswidrige Absicht. | |
Sachverhalt | |
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B.- Wegen dieses Vorfalles sprach die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürichs mit Urteil vom 2. Dezember 1999 R.X. der Amtsanmassung schuldig und verurteilte ihn deswegen und wegen eines weiteren Delikts zu einer bedingt vollziehbaren Haftstrafe von fünf Tagen.
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C.- Die Berufung des Verurteilten hiess das Obergericht des Kantons Zürich R.X. mit Urteil vom 31. Januar 2001 zwar teilweise gut, es bestätigte aber den Schuldspruch wegen Amtsanmassung.
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D.- R.X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben.
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E.- Mit Beschluss vom 3. Dezember 2001 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die von R.X. gegen das Urteil des Obergerichts geführte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es überhaupt darauf eintrat.
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F.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat am 6. Mai 2002 auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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In rechtlicher Hinsicht qualifiziert die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers folgendermassen: Amtsgewalt masse sich nicht nur derjenige an, welcher sich ein Amt als solches anmasse; Art. 287 StGB finde auch Anwendung, wenn sich eine Person nur einzelne Befugnisse eines Amtes anmasse, so zum Beispiel unter ![]() | 9 |
b) Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, er habe weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand erfüllt.
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aa) Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes macht er Folgendes geltend: Das verwendete Formular könne ausschliesslich zur Beanstandung technischer Mängel verwendet werden, nicht aber zur Erteilung irgend eines amtlichen Befehls, der sich nicht auf den technischen Zustand eines Fahrzeuges beziehe. Es könne also damit kein Befehl erteilt werden, welcher sich auf die Parkierpraxis beziehe. Es liege insofern ein untauglicher Versuch gemäss Art. 23 StGB vor. Im Weiteren habe er mit dem Text auf dem verwendeten Formular auf einen allgemein gültigen Umstand hingewiesen; der Hinweis auf ein allgemein bekanntes Verbot sei aber keine Amtsanmassung im Sinne des Gesetzes. Die Ausübung behördlicher Macht trete sodann erst ein, wenn mit Konsequenzen gedroht werde. Der Beanstandungsrapport habe aber mit keinem Wort auf zu gewärtigende Folgen hingewiesen, weshalb es auch insofern an einer Amtsanmassung fehle. Schliesslich stünde es auch dem zuständigen Beamten nicht zu, mit dem vom Beschwerdeführer verwendeten Beanstandungsformular einen das Parkieren betreffenden Befehl zu erteilen. Es liege auch deshalb keine Amtsanmassung vor, weil der Täter sich eine Befugnis anmassen müsste, die in der Kompetenz des angeblich Handelnden läge.
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c) Art. 287 StGB bestimmt, dass mit Busse oder Gefängnis bestraft wird, wer sich in rechtswidriger Absicht die Ausübung eines Amtes oder militärischer Befehlsgewalt anmasst.
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aa) Soweit der Beschwerdeführer die Erfüllung des objektiven Tatbestandes bestreitet, ist die Beschwerde abzuweisen: Die Vorinstanz stellt in rechtlicher Hinsicht zutreffend fest, zur Erfüllung des Tatbestandes sei ausreichend, dass ein Täter sich einzelne Befugnisse anmasse, welche nur einem Amtsträger zustünden. Indem die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers unter Art. 287 StGB subsumierte, verletzte sie kein Bundesrecht, weil der Beschwerdeführer, indem er ein amtliches Formular verwendete, um die Parkierpraxis des Garagisten zu beanstanden, eine behördliche Intervention vortäuschte. Nicht von Belang ist dabei, dass die verwendeten Formulierungen unbeholfen waren und das Formular für die Beanstandung technischer Mängel bestimmt ist. Wesentlich ist allein, dass der Beschwerdeführer ein amtliches Formular verwendete. Es spielt deshalb auch keine Rolle, dass für den Fall der weiteren Widerhandlung nicht explizit mit einer behördlichen Sanktion gedroht wurde: Der Beschwerdeführer selbst stellt fest, er habe mit der Beanstandung lediglich auf ein allgemein bekanntes Verbot hingewiesen. Wer mit einem amtlichen Beanstandungsrapport auf ein allgemein bekanntes Verbot hinweist, droht implizit eine ![]() | 14 |
bb) Der Beschwerdeführer hat offensichtlich vorsätzlich gehandelt; bestritten ist allein, dass die vom Gesetz verlangte rechtswidrige Absicht vorgelegen hatte.
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Die Bedeutung der "rechtswidrigen Absicht" und damit der Umfang des strafbaren Verhaltens gemäss Art. 287 StGB sind generell bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur abschliessend bestimmt worden. In der Literatur werden, teils mit Hinweis auf die spärliche Gerichtspraxis zu dieser Strafnorm, unterschiedliche Deutungen erwogen (vgl. z.B. TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 4 zu Art. 287 StGB; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., Bern 2000, N. 7 zu § 53). Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 19. Juni 1995 (Urteil 6S.309/1995, E. 3, publ. in: Pra 85/1996 Nr. 174 S. 641) die Frage offen gelassen, ob dieses Tatbestandsmerkmal als "qualifizierte Vorsatzform" oder "in einem weiteren Sinne" zu verstehen sei. Aus dem Entscheid kann jedoch abgeleitet werden, dass sich nicht nur derjenige strafbar macht, der mit der Amtsanmassung ein an sich rechtswidriges Handlungsziel verfolgt. Strafbar macht sich auch, wer ein an sich gerechtfertigtes Handlungsziel verfolgt, dies aber mit Mitteln tut, welche für die Verfolgung des Ziels nicht notwendig sind, und der gleichzeitig in unzulässiger Weise in fremde Individualrechte eingreift. Im zitierten Entscheid war dies deshalb der Fall, weil der Täter unter Anmassung eines Amtes einen vermutlich fahrunfähigen Fahrzeuglenker nicht nur - was für sich alleine gerechtfertigt gewesen wäre - an der Weiterfahrt hinderte, sondern gleichzeitig dessen Personalien kontrollierte. Um die Strafbarkeit einer Amtsanmassung unter dem Gesichtspunkt des Tatbestandsmerkmals der rechtswidrigen Absicht festzustellen, ist zunächst zu prüfen, ob der Täter ein an sich rechtswidriges Handlungsziel verfolgte. Falls dies nicht der Fall ist, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der Täter das nicht widerrechtliche oder das rechtfertigende Ziel unter unnötiger Beeinträchtigung fremder Individualrechte verfolgte.
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Der Beschwerdeführer gibt an, mit der scheinbar amtlichen Beanstandung nur auf ein allgemein bekanntes Verbot, einen allgemein gültigen Umstand hingewiesen zu haben: Dass in der blauen Zone keine Parkplätze reserviert werden dürfen. Die Vorinstanz scheint dem zuzustimmen, wenn sie die rechtswidrige Absicht allein darin erblickt, dass der Beschwerdeführer einen Vorteil für sich selbst ![]() | 17 |
Wird persönliche Genugtuung im Rahmen einer Amtsanmassung angestrebt, indem gleichzeitig in die Rechtssphäre eines anderen eingegriffen wird, ergibt sich die Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit des Verhaltens nicht aus der intendierten Genugtuung, sondern bereits aus dem Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Beanstandungsrapport ausschliesslich auf eine allgemein bekannte Norm und, implizit, auf die Sanktion hingewiesen, die eine Verletzung der Norm nach sich ziehen kann. Ein die Strafwürdigkeit seines Verhaltens begründender Eingriff in Rechte anderer ist dabei nicht auszumachen. Für eine enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals der rechtswidrigen Absicht spricht im Weiteren auch, dass die von der Vorinstanz festgestellte persönliche Genugtuung in analogen Fällen regelmässig gegeben sein dürfte: Wollte man die rechtswidrige Absicht allein damit begründen, hätte das praktisch zur Folge, dass das zusätzliche subjektive Tatbestandserfordernis immer gegeben wäre, die Strafbarkeit durch dieses Merkmal nicht mehr eingeschränkt und das Merkmal neben Art. 34 StGB jede selbständige Bedeutung verlieren würde.
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