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17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.189/2002 vom 28. Januar 2003 | |
Regeste |
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 110 Ziff. 5 StGB; Art. 957 ff. OR; Rückdatieren von buchhalterischen Geschäftsvorgängen, Falschbeurkundung. |
Wer Geschäftsvorgänge rückdatiert, deren Belege für die kaufmännische Buchhaltung bestimmt sind, begeht bereits mit der Rückdatierung eine Falschbeurkundung, wenn die Buchung das von der kaufmännischen Buchführung zu vermittelnde Bild verfälscht (E. 2.3 und 3). | |
Sachverhalt | |
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A.a A.C. und B.C. hatten der Einzelfirma D. ein Darlehen gewährt, das hauptsächlich für den Kauf einer Liegenschaft für die Ehegatten C. in Paraguay verwendet wurde. Da D. die verbleibende ![]() | 2 |
A.b Gemäss Darlehensvertrag vom 28. März 1988 vereinbarten die D. AG und die E. AG, dass dieser auf den 31. Dezember 1987 ein zu 5% zu verzinsendes und jährlich mit Fr. 50'000.- zu amortisierendes Darlehen ausbezahlt worden war bzw. werden sollte (im angefochtenen Urteil wird von "ausbezahlt wurde" gesprochen).
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In der Bilanz der D. AG mit Stichtag 31. Dezember 1987 wurde das Darlehen mit Fr. 935'000.- unter den Aktiven aufgeführt, in der Bilanz für das Jahr 1990 mit Fr. 785'000.- und in den darauf folgenden Jahren abnehmend mit jeweils Fr. 735'000.-, Fr. 685'000.- und Fr. 635'000.-. Die Bilanz der D. AG mit Stichtag vom 31. Dezember 1994 führt das Darlehen mit einem Nullsaldo auf.
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Im Sommer 1995 bereitete X. einen Vertragsentwurf zwischen der D. AG als Zedentin und D. als Zessionar vor. Darin wurde vereinbart, dass die D. AG ihre Forderung gegen die E. AG in der Höhe von Fr. 635'000.- (Wert am 31. Dezember 1993) "zum Zwecke ![]() | 5 |
B.- Der Kassationshof des Kantons Bern sprach X. kantonal letztinstanzlich der mehrfachen Urkundenfälschung sowie der mehrfachen Gehilfenschaft zur Bevorzugung eines Gläubigers schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 8 Monaten. Im Übrigen stellte er die Rechtskraft des Urteils des Wirtschaftsstrafgerichts des Kantons Bern vom 2. November 2000 gegen X. fest, soweit es ihn von den Vorwürfen der Bevorzugung eines Gläubigers und der Urkundenfälschung je in einem Fall freigesprochen hatte.
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C.- X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit er wegen mehrfacher Urkundenfälschung schuldig gesprochen worden sei, und die Sache zu seiner Freisprechung in diesen Punkten und zur neuen Festsetzung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab.
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Erwägung 2 | |
2.1 Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, das im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Abgesehen von den Zeichen gelten als Urkunden nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, ![]() | 12 |
Eine Falschbeurkundung begeht sowohl nach der alten wie der neuen Fassung von Art. 251 Ziff. 1 StGB insbesondere, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Die Urkundenfälschung im eigentlichen Sinn erfasst das Herstellen einer unechten Urkunde, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Autor nicht identisch ist. Demgegenüber betrifft die Falschbeurkundung die Errichtung einer echten aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Nach allgemeiner Auffassung ist die einfache schriftliche Lüge keine Falschbeurkundung. Das Vertrauen darauf, dass über die Person des Ausstellers nicht getäuscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen, dass jemand nicht in schriftlicher Form lügt. Aus diesem Grund werden an die Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde bei der Falschbeurkundung höhere Anforderungen gestellt. Eine qualifizierte schriftliche Lüge im Sinne der Falschbeurkundung wird nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 117 IV 35) nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Das ist der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften wie den Art. 958 ff. OR liegen, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt. Die Grenze zwischen Falschbeurkundung und schriftlicher Lüge muss für jeden Einzelfall nach den konkreten Umständen gezogen werden. Das kann mitunter sehr schwierig sein, weil das Gesetz nicht eindeutig regelt, wann noch eine straflose schriftliche Lüge vorliegt (vgl. BGE 126 IV 65 E. 2a S. 68; BGE 125 IV 273 E. 3a/aa; BGE 125 IV 17 E. 2a/aa mit Hinweisen).
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2.2 Der Urkundencharakter eines Schriftstücks ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, hinsichtlich anderer Gesichtspunkte nicht. Nach der Gerichtspraxis ![]() | 14 |
2.3 Die Buchhaltung muss ein genaues und vollständiges Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage vermitteln. Dabei hat die Bilanz die Vermögensverhältnisse eines Unternehmens auf einen bestimmten Stichtag hin korrekt auszuweisen, d.h. an einem von 365 Tagen (vgl. etwa BGE 116 IV 52 E. 2 S. 55 f.). Dementsprechend liegt eine unwahre Urkunde vor, wenn nicht die am angegebenen Stichtag, sondern die zu einem anderen Zeitpunkt bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse ausgewiesen werden (ANDREAS DONATSCH, in: Basler Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Basel usw. 2000, Art. 186 N. 29). Die datumsmässig unrichtige Erfassung eines Geschäftsvorgangs stellt nach der Rechtsprechung in der Regel eine Falschbeurkundung dar (BGE 71 IV 132 E. 4 S. 137 f.; vgl. auch BGE 88 IV 28 E. 1c und BGE 102 IV 191 E. 1, die allerdings eine ![]() | 15 |
Erwägung 3 | |
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3.2 Der Beschwerdeführer erstellte die Vereinbarung über die Forderungszession von Fr. 635'000.- im Juli 1995 und datierte sie beim Abschluss des Vertrags im Sommer des gleichen Jahres auf den 14. Januar 1994 zurück. Der Vertrag war damit inhaltlich unwahr. Anschliessend wurden die bereits dargelegten Buchungen vorgenommen (oben Sachverhalt A.b Abs. 2). In der Jahresbilanz der D. AG für 1994 mit Stichtag vom 31. Dezember 1994 ist das Darlehen auf Null saldiert. Bei der Rückdatierung handelte X. im Wissen, dass die inhaltlich unwahre Vereinbarung von der Buchhalterin A.C. als Buchungsbeleg der Buchhaltung der D. AG für das Jahr 1994 verwendet würde. Ebenso wusste er, dass die D. AG damals zahlungsunfähig war und mit der Forderungszession und ihrer Rückdatierung die Anfechtung des Vertrags im späteren ![]() | 17 |
3.3 Das soeben Gesagte gilt im Wesentlichen auch für den zweiten Vorfall. Insoweit stellt die Vorinstanz fest, dass der Beschwerdeführer im Juli 1995 einen Kaufvertrag sowie eine Kaufrechtsvereinbarung zwischen D. und den Ehegatten C. aufsetzte. Beim Abschluss der Verträge im Sommer 1995 datierte er sie auf den 14. März 1994 zurück. Auch diese Rückdatierung ist in der Vereinbarung nicht als Valutadatum gekennzeichnet. Sodann steht fest, dass D. und der Beschwerdeführer damit bezweckten, den Konkurs von der D. AG und der Einzelfirma D. möglichst lange abzuwenden und die Bilanz nicht in einem "ungünstigen Zeitpunkt" deponieren zu müssen. Die Rückdatierung diente ferner dazu, eine mögliche spätere Anfechtung der Vereinbarungen im Konkurs zu verhindern. Es ging ihnen somit nicht darum, aus wirtschaftlichen Gründen ein Geschäft bzw. eine Veränderung von bilanzierten Werten in alter Rechnung zu erfassen und klar zu valutieren, sondern um ein Umgehungsgeschäft unter Verfälschung der Buchhaltung. Der Beschwerdeführer wusste, dass der von ihm rückdatierte Vertrag für die kaufmännische Buchhaltung der D. Einzelunternehmung bestimmt war und Bestandteil derselben bilden würde. Er verwendete später die unrichtige Buchhaltung für seinen Revisorenbericht; dies findet sich aber nicht in der Anklage und bildet deshalb offenbar auch nicht Grundlage der Verurteilung durch die Vorinstanzen. Der Vertrag war somit objektiv ![]() | 18 |
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