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47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.117/2003 vom 7. November 2003 | |
Regeste |
Art. 147 Abs. 1 StGB; betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach X. am 21. Januar 2003 in zweiter Instanz des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 Abs. 1 StGB) sowie einer Reihe ![]() | 2 |
C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21. Januar 2003 aufzuheben, insbesondere im Schuld-, Straf- und Kostenpunkt sowie in Bezug auf die Zivilforderung von A., und es sei die Sache an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Der Beschwerdeführer macht geltend, die objektiven Voraussetzungen des Art. 147 StGB seien nicht erfüllt. Die Norm sei dem Betrugstatbestand nachgebildet und ergänze diesen für den Fall, dass ![]() | 6 |
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Mit der Generalklausel "... in vergleichbarer Weise ..." wollte der Gesetzgeber ermöglichen, auch künftige Manipulationsvarianten zu erfassen. Gedacht wurde vor allem an die so genannten "Konsol- und Hardware-Manipulationen", bei denen direkt in die Datenverarbeitungsvorgänge eingegriffen wird (Botschaft, S. 1022; zur Tatvariante "eine Vermögensverschiebung unmittelbar darnach verdeckt" vgl. Botschaft, S. 1023).
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Erforderlich ist in objektiver Hinsicht, dass die Datenverarbeitungsanlage wegen der genannten Handlungen (ausgenommen die Verdeckungshandlungen) eine Vermögensverschiebung zu Lasten eines Dritten vornimmt, etwa durch Auszahlung eines Barbetrages, durch eine Gutschrift auf ein Konto oder durch eine unterbliebene "notwendige" Belastung eines Kontos. Die Vermögensverschiebung muss wie beim Betrug einen Schaden bewirken (Botschaft, S. 1022 f.).
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Obschon der deutsche Gesetzestext dies nicht zum Ausdruck bringt, setzt der objektive Tatbestand nach den Materialien und den romanischen Texten ("par le biais du résultat inexact ainsi obtenu"; "per mezzo dei risultati erronei così ottenuti") sodann voraus, dass die manipulierte Datenverarbeitung zu einem unzutreffenden Ergebnis führt. Die Tathandlung muss mit anderen Worten eine Vermögensverschiebung auslösen, die der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Datenverarbeitung widerspricht (in diesem Sinne Botschaft, S. 1022; so oder ganz ähnlich auch die herrschende Lehre, für viele GÜNTER STRATENWERTH/GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 16 N. 4 und 6 mit Hinweisen).
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2.2 Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer mit dem von ihm rechtswidrig angeeigneten Mobiltelefon ausschliesslich telefoniert. Irgendwelche Sperren musste er dafür nicht überwinden. Auch hat er das Gerät oder andere Einrichtungen nicht sonst wie manipuliert. In Betracht kommt deshalb ![]() | 13 |
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Nach der den Materialien folgenden Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt es sich bei der Verwendung einer Bankomatkarte durch den Nichtberechtigten um einen typischen Anwendungsfall des Art. 147 StGB. Entscheidend sei dabei nicht, ob die Verwendung der Daten unbefugt bzw. unberechtigt erscheine, sondern ob sie zu einem im Ergebnis unzutreffenden Datenverarbeitungs- oder Datenübermittlungsvorgang führe. Deshalb erfülle den Tatbestand des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage auch, wer infolge einer falschen Adressmutation der Bank die Kontonummer eines Namensvetters zugestellt erhalte, gestützt darauf der Bank vorspiegle, der berechtigte Kontoinhaber zu sein, dadurch die Bank veranlasse, ihm eine entsprechende Code-Karte für das fremde Konto auszustellen, und damit innerhalb weniger Tage insgesamt Fr. 80'000.- an Bankomaten abhebe (Urteil des Bundesgerichts 6S.247/2001 vom 10. Mai 2001, E. 2a und 2b unter Berufung auf PIERRE SCHNEIDER, La fraude informatique au sens de l'article 147 CPS, Diss. Lausanne/Basel 1995, S. 65 ff. und GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl., Bern 1995, § 16 N. 7; ebenso nunmehr STRATENWERTH/JENNY, Besonderer Teil I, 6. Aufl., a.a.O., § 16 N. 7).
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Als Angriffsobjekte der unbefugten Verwendung von Daten werden neben den Geldautomaten und den Systemen zur bargeldlosen Bezahlung (wie z.B. ec-direct, Postcard) insbesondere das Home- und Telebanking, das Videotext-Verfahren, das Telepostcheckkonto, das automatisierte Lastschriftenverfahren sowie die nur über ![]() | 16 |
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Zahlenreihen können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. oben E. 2.2.1 Abs. 2) grundsätzlich Daten im Sinne von Art. 147 StGB sein. Darauf ist nicht zurückzukommen. Diese generelle Eignung bedeutet jedoch nicht ohne weiteres, dass der Beschwerdeführer mit der Eingabe von Telefonnummern und den hergestellten Telefonverbindungen Daten im Sinne des Art. 147 StGB verwendet hat. Wie die Botschaft ausführt, kommen als Tatobjekte nur Informationen in Frage, die von einer Datenverarbeitungsanlage verarbeitet, gespeichert und weitergegeben werden (Botschaft, S. 986 f.). Der Datenbegriff nach Art. 147 StGB ist somit abhängig von jenem der Datenverarbeitungsanlage (vgl. nur SCHMID, a.a.O., § 2 N. 9 ff., § 7 N. 34).
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2.2.3 Zu untersuchen ist somit, ob der von Art. 147 StGB geforderte Bezug zu einer Datenverarbeitung bzw. Datenverarbeitungsanlage gegeben ist. Unter Datenverarbeitung sind elektronische oder vergleichbare technische Vorgänge zu verstehen, bei denen durch Eingabe von Daten bzw. Arbeitsbefehlen und ihre Verknüpfung nach Programmen, die eine Kodierung der Daten voraussetzen, automatisierte Arbeitsergebnisse erzielt werden (vgl. KARL LACKNER/KRISTIAN KÜHL, ![]() | 19 |
Mobiltelefone verfügen über verschiedene automatisierte Arbeitsfunktionen. Sie sind zudem über die SIM-Chipkarte mit den Antennen und Rechnern des jeweiligen Mobiltelefonanbieters verbunden. Beim Telefonieren mit einem Mobiltelefongerät findet nicht nur ein mündlicher Informationsaustausch zwischen den Gesprächspartnern statt, sondern es erfolgt auch ein bedeutsamer Datenverarbeitungsvorgang. Die Daten der SIM-Chipkarte werden dem Computer der Telefongesellschaft übermittelt und dort verarbeitet. Die Rechner der Telefongesellschaft sammeln, verarbeiten und speichern eine ganze Reihe von Informationen über Telefonate, etwa die angewählte Telefonnummer, die Gesprächsdauer und -kosten sowie die benutzten Antennen. Diese Daten dienen den Telefongesellschaften unter anderem dazu, periodisch in automatisierter Form Rechnungen auszufertigen und an die Kunden zu versenden. Angesichts dieser Abläufe hat die Vorinstanz zutreffend angenommen, dass der Anrufer beim mobilen Telefonieren im Sinne von Art. 147 StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang einwirkt. Das gilt unabhängig davon, ob die SIM-Chipkarte mit einem Code gesperrt ist oder das Mobiltelefon von jeder beliebigen Person verwendet werden kann.
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Wie dargelegt, hat der Beschwerdeführer mit der Anwahl von Telefonnummern Daten im Sinne von Art. 147 StGB verwendet. Dies erfolgte gegen den Willen der Eigentümerin des Mobiltelefons, die zugleich Abonnentin der Swisscom war. Die Kosten der Telefonate des Beschwerdeführers wurden der Abonnentin automatisch belastet bzw. in Rechnung gestellt. Der Beschwerdeführer löste folglich mit seinen Anrufen jeweils eine Vermögensverschiebung zum Schaden der Eigentümerin des Mobiltelefons aus, da diese vertraglich verpflichtet war, der Telefongesellschaft die Anrufkosten zu bezahlen. Auf Grund seiner fehlenden rechtlichen Befugnis, die fremde SIM-Chipkarte zu benutzen, führten die von der Gesellschaft verarbeiteten Daten der ohne Recht durchgeführten Telefonate zu einem unzutreffenden Ergebnis. Hätte die Berechtigte die Telefongesellschaft vom Verlust des Telefons informiert, wäre die SIM-Chipkarte gesperrt worden. Das Verhalten des Beschwerdeführers war damit unbefugt im Sinne von Art. 147 StGB. Wohl wird dadurch die Parallele zum Betrug verlassen, weil der Beschwerdeführer weder einen Code eingeben noch eine Identitätskontrolle über sich ![]() | 21 |
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