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48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und Banca Popolare di Milano (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.22/2003 vom 8. September 2003 | |
Regeste |
Art. 305bis StGB, Art. 41 Abs. 1 OR; Geldwäscherei als Grundlage für die Zusprechung einer Schadenersatzforderung an den durch die Vortat Geschädigten. | |
Sachverhalt | |
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Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies mit Urteil vom 30. Oktober 2002 eine hiegegen vom Beurteilten geführte Appellation ab und bestätigte das angefochtene Urteil im Schuld- und Strafpunkt. Die von der Banca Popolare di Milano erhobene Anschlussappellation hiess es gut und verurteilte X. zur Zahlung von Fr. 2'385'000.- nebst 5% Zins seit dem 12. Oktober 1999, abzüglich der sichergestellten und an die Geschädigte freigegebenen Barschaften im Gesamtbetrag von Fr. 774'667.15 zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen.
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B.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Die Vorinstanz gelangt in dieser Hinsicht zum Schluss, der Beschwerdeführer habe der Banca Popolare di Milano durch die Geldwäschereihandlungen einen Schaden zugefügt, zu dessen Ersatz er aufgrund von Art. 41 Abs. 1 OR verpflichtet sei. Sie geht davon aus, Art. 305bis StGB stelle eine Schutznorm auch für das Vermögen des durch die Vortat Geschädigten dar, wenn die Vortat ein Vermögensdelikt sei. Aus diesem Grund bejaht sie sowohl ihre sachliche Zuständigkeit als auch die Aktivlegitimation der geschädigten Bank und heisst deren auf Art. 41 OR gestützte Adhäsionsklage gut. Dabei nimmt die Vorinstanz - im Wesentlichen auf Grund einer in der Doktrin vertretenen Auffassung - an, wenn die Vortat ein Vermögensdelikt sei, perpetuiere der Geldwäscher einen unerlaubten Vermögenstransfer in der Art einer "Forderungshehlerei". In diesem Fall habe der durch die Vortat Geschädigte ein Interesse an der Verfolgung der Spur ("paper trail"), welche die Strafverfolgungsbehörden vom ursprünglichen Delikt zum daraus hervorgegangenen Deliktsgut ![]() | 5 |
Das Strafgericht und der Beschwerdeführer stützen sich demgegenüber auf die entgegengesetzte Lehrmeinung, wonach der Tatbestand der Geldwäscherei aufgrund seiner systematischen Stellung im Gesetz als Rechtspflegedelikt ausgestaltet sei. Sie leiten daraus ab, der Tatbestand sei ein "opferloses Verbrechen" (vgl. zum Begriff CASSANI, FS-Schmid, S. 394), bei welchem es keinen Geschädigten gebe. In reinen Geldwäschereiverfahren sei daher die adhäsionsweise Geltendmachung von Schadenersatzforderungen nicht möglich (vgl. JÜRG-BEAT ACKERMANN, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998 [nachfolgend: Kommentar], Art. 305bis StGB N. 576; ders., Geldwäschereinormen - taugliche Vehikel für den privaten Geschädigten?, in: Niklaus Schmid/Jürg-Beat Ackermann [Hrsg.], Wiedererlangung widerrechtlich entzogener Vermögenswerte mit Instrumenten des Straf-, Zivil-, Vollstreckungs- und internationalen Rechts, Zürich 1999 [nachfolgend: Geldwäschereinormen], S. 52).
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Erwägung 2.2 | |
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Zu prüfen ist im Folgenden, ob der Tatbestand der Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB als Schutznorm für das Vermögen angesehen werden kann.
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2.2.2 Nach Art. 41 Abs. 1 OR wird zum Ersatz verpflichtet, wer einem anderen - sei es mit Absicht sei es aus Fahrlässigkeit - widerrechtlich ![]() | 9 |
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Das Bundesgericht hat allerdings in BGE 120 IV 323 im Zusammenhang mit der Frage, ob der Vortäter sein eigener Geldwäscher sein könne, unter Hinweis auf die Prägung des Tatbestands durch das amerikanische Recht erklärt, die Auffassung, wonach strafrechtlich geschütztes Rechtsgut der Geldwäschereinorm allein die Rechtspflege sei, werde keineswegs einhellig geteilt. Der Gesichtspunkt der systematischen Einordnung der Bestimmung sei nicht entscheidend (BGE 120 IV 323 E. 3c S. 327; vgl. auch BGE 127 IV 79 E. 2b; so auch MARK PIETH, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Vor Art. 305bis StGB N. 44, der die Klassierung des Tatbestandes als Rechtspflegedelikt als Ordnungsentscheid wertet; a.M. ACKERMANN, Geldwäschereinormen, S. 52).
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An diesem Punkt ist für den zu beurteilenden Fall anzusetzen. Dass Schutzgut des Geldwäschereitatbestandes in erster Linie das öffentliche Interesse an einem reibungslosen Funktionieren der Strafrechtspflege bildet, liegt ausser Streit. In Frage steht lediglich, ob die Strafnorm darüber hinaus unter gewissen Umständen auch individuelle Rechtsgüter (mit)schützt. Dies ist jedenfalls für diejenigen Fälle zu bejahen, in denen die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte aus Straftaten gegen Individualinteressen herrühren. Denn hier werden durch die Vereitelungshandlung auch unmittelbar die Vermögensinteressen des durch die Vortat Geschädigten betroffen (CASSANI, Commentaire, Art. 305bis StGB N. 5; dies., FS-Schmid, S. 401). Zwar gehen nach der Botschaft die Interessen an der Bekämpfung der Geldwäscherei weit über die blosse Wiederherstellung verletzter Vermögensverhältnisse hinaus (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften] vom 12. Juni 1989, BBl 1989 II 1080), doch lässt sich ![]() | 14 |
Dass sich der Schutz des Geldwäschereitatbestandes in den genannten Fällen auch auf die Vermögensinteressen desjenigen erstreckt, der durch die Vortat geschädigt wurde, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Durch seine Handlungen ist der Geldwäscher bestrebt, die durch ein Verbrechen erworbenen Vermögenswerte als legal erscheinen zu lassen, um so einer Beschlagnahme und Einziehung durch die Strafverfolgungsbehörden zu entgehen und gleichzeitig durch die Verwischung des "paper trail" Rückschlüsse auf den Vortäter und das der Geldwäscherei zugrunde liegende Verbrechen zu verhindern (vgl. CHRISTINE EGGER TANNER, Die strafrechtliche Erfassung der Geldwäscherei, Diss. Zürich 1999, S. 13). Zweck der Einziehung gemäss Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist der Ausgleich deliktischer Vorteile (FLORIAN BAUMANN, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 59 StGB N. 3; vgl. auch NIKLAUS SCHMID, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998 [nachfolgend: Kommentar], Art. 59 StGB N. 10). Die Einziehungsbestimmungen wollen verhindern, dass der Täter im Genuss eines durch eine strafbare Handlung erlangten Vermögensvorteils bleibt; strafbares Verhalten soll sich nicht lohnen (BGE 117 IV 107 E. 2a; BGE 105 IV 179 E. 1c, je mit Hinweisen). Derselbe Gedanke liegt dem Tatbestand der Geldwäscherei zugrunde (BGE 124 IV 274 E. 3b; PIETH, a.a.O., Vor Art. 305bis StGB N. 39).
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Nach Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 letzter Satzteil StGB ist die Einziehung zugunsten des Staates allerdings nur zulässig, wenn die Vermögenswerte nicht dem Geschädigten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Diese Bestimmung will dem Geschädigten die ihm entzogenen Deliktsgegenstände und Vermögenswerte direkt wieder verschaffen. Der Rückerstattungsanspruch des Verletzten geht der Einziehung von Vermögenswerten somit vor - der Staat soll sich nicht zulasten der strafrechtlich Geschädigten bereichern - und Art. 59 StGB soll nicht zu einer Doppelverpflichtung des Täters führen (BGE 122 IV 365 III E. 1a/aa und 2b; SCHMID, Kommentar, Art. 59 StGB N. 66/70; ders., Strafrechtliche Beschlagnahme und die besonderen Möglichkeiten des Geschädigten nach Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 letzter Satzteil StGB sowie Art. 60 StGB, in: Niklaus Schmid/Jürg-Beat Ackermann [Hrsg.], Wiedererlangung widerrechtlich entzogener Vermögenswerte mit Instrumenten des Straf-, Zivil-, Vollstreckungs- und internationalen Rechts, Zürich 1999, S. 23; BAUMANN, a.a.O., Art. 59 StGB N. 42).
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Dieser Befund bestätigt die Auffassung, wonach der Tatbestand der Geldwäscherei einen zweiten oder dritten Sicherungswall errichtet und letztlich Leib und Leben, Vermögen und persönliche Freiheit, d.h. Rechtsgüter schützt, die namentlich im Rahmen der organisierten Kriminalität angegriffen werden (TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 305bis StGB N. 6).
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Die in der Lehre gegen diese Überlegungen erhobenen Bedenken führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar mag zutreffen, dass Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 letzter Satzteil StGB keine selbständige Beschlagnahmepflicht begründet (so ACKERMANN, Geldwäschereinormen, S. 39 f., vgl. auch S. 51 f.; vgl. auch ders., Kommentar, Art. 305bis StGB N. 54). Doch sind die Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf eine mögliche Einziehung gemäss Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zur Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte verpflichtet, die aus einer strafbaren Handlung stammen, unabhängig davon, ob eine Einziehung zugunsten des Staates oder des Opfers erfolgen wird. Soweit durch die Vortat Individualinteressen betroffen werden, dient diese Beschlagnahme, wie ausgeführt, nicht nur dem Einziehungsinteresse ![]() | 19 |
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