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3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz und A. (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.127/2003 vom 28. November 2003 | |
Regeste |
Art. 125 Abs. 2 StGB; fahrlässige schwere Körperverletzung; Sorgfaltspflichten des Notfallarztes. |
Der Arzt darf sich bei einer Verdachtsdiagnose nicht auf einzelne Auskünfte beschränken, sondern muss sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen (E. 4.3). |
Bei Notfällen ist bei der Bemessung der Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der zeitlichen Dringlichkeit Rechnung zu tragen (E. 4.3). | |
Sachverhalt | |
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A.a Am Sonntag, den 1. August 1999, um ca. 03.20 Uhr fuhren B. auf seinem Kleinmotorroller (50 ccm) und A. auf seinem Rollbrett auf dem Trottoir von Brunnen in Richtung Schwyz. Bei dieser Fahrt liess sich A. von seinem Freund B. auf dem Motorroller bei einer Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h ziehen, indem er sich an dessen linkem Arm festhielt. In Ibach liess A. den Arm von B. los, um vom Trottoir auf die Strasse zu wechseln. Unmittelbar danach kam er zu Fall, stürzte auf die Strasse und blieb regungslos liegen.
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In der Folge verbrachte die von einem Automobilisten herbeigerufene Ambulanz A. zusammen mit seinem Freund notfallmässig ins Spital Schwyz. Aufgrund der Meldung des Rettungsdienstes, es werde ein ca. 26-jähriger, stark alkoholisierter Mann nach einem Sturz ohne Rissquetschwunde eingeliefert, bot die zuständige Krankenschwester den für die medizinische Abteilung verantwortlichen Assistenzarzt Dr. med. X. auf, der in jener Nacht den Notfalldienst versah und zum Zeitpunkt der Einlieferung bereits rund 20 Stunden ununterbrochen im Dienst stand. Der Arzt wurde im Ambulatorium durch die Rettungssanitäterin und die Krankenschwester informiert, untersuchte den Patienten und liess sich sodann von B., der vor dem Ambulatorium wartete, den Unfallhergang schildern. Dabei gab Letzterer, wie bereits gegenüber dem Rettungssanitätspersonal, wahrheitswidrig an, er habe den auf dem Skateboard stehenden A. zu Fuss gestossen, worauf er vornüber gestürzt sei. A. habe weder das Bewusstsein verloren noch sei er mit dem Kopf am Boden aufgeschlagen. B. verschwieg ferner, dass das Unfallopfer nach dem Sturz zunächst nicht ansprechbar gewesen war.
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Aufgrund des negativen Befundes seiner Untersuchung und den Auskünften von B. gelangte X. zum Schluss, es liege keine Kopfverletzung vor. Er sah daher vom Beizug eines Chirurgen, von weiteren Untersuchungen sowie von der Anordnung einer stationären Überwachung im Spital ab, entliess A. um ca. 05.00 Uhr aus dem Spital und übergab ihn in die Obhut seiner inzwischen herbeigerufenen Freundin. Diese fuhr zunächst B. nach Ibach zu seinem Motorroller und brachte A. anschliessend zu sich nach Hause.
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B. Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz erklärte X. mit Urteil vom 21. Januar 2003 der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 2'000.-, bedingt löschbar nach Ablauf einer Probezeit von zwei Jahren. Auf die erhobenen Zivilforderungen trat es nicht ein und verwies sie auf den Zivilweg. B. sprach es von Schuld und Strafe frei.
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C. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei in den Ziffern 1 lit. a und d sowie Ziffer 2 aufzuheben.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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Die kantonalen Instanzen würdigen die vom Geschädigten erlittenen Verletzungen als schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB. Die beim Geschädigten erst bei der zweiten Einlieferung ins Spital Schwyz festgestellte Blutung aus einer verletzten, zwischen der knöchernen Schädelkapsel und der Hirnhaut verlaufenden Arterie habe, da das Blut unter dem Schädel nicht ausweichen konnte, zu einem Druck auf lebenswichtige Hirnzentren geführt und hätte eine sofortige Einlieferung mit der REGA ins Universitätsspital Zürich erfordert. Als Folge des Schädel-Hirn-Traumas mit grosser Epiduralblutung rechts und massiver Hirnschwellung habe eine Hirngewebsdurchblutungsstörung sowie eine Hirnstamm-Epilepsie bestanden. Diese Verletzungen seien lebensgefährlich gewesen. Aufgrund ![]() | 9 |
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Erkennbar bzw. voraussehbar ist die Gefahr des Erfolgseintritts für den Täter, wenn sein Verhalten geeignet ist, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Dabei müssen die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe für den konkreten Täter mindestens in ihren wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Zunächst ist daher zu fragen, ob der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen bzw. erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die Vorhersehbarkeit der zu beurteilenden Ursache für den Erfolg ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen. Damit der Eintritt des Erfolgs auf das pflichtwidrige Verhalten des Täters zurückzuführen ist, genügt seine blosse Vorhersehbarkeit nicht. Vielmehr stellt sich die weitere Frage, ob der Erfolg auch ![]() | 11 |
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Ausgangspunkt für das Mass der anzuwendenden Sorgfalt stellt in dem zu beurteilenden Fall die den Arzt treffende allgemeine Pflicht dar, die Heilkunst nach anerkannten Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft und Humanität auszuüben, alles zu unternehmen, um den Patienten zu heilen, und alles zu vermeiden, was ihm schaden könnte. Nach der Rechtsprechung liegt die Besonderheit der ärztlichen Kunst darin, dass der Arzt mit seinem Wissen und Können auf einen erwünschten Erfolg hinzuwirken hat, diesen aber nicht herbeiführen oder gar garantieren muss. Die Anforderungen an die dem Arzt zuzumutende Sorgfaltspflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs oder der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Beurteilungs- und Bewertungsspielraum, der dem Arzt zusteht, sowie den Mitteln und der Dringlichkeit der medizinischen Massnahme. Die zivilrechtliche Haftung des Arztes beschränkt sich dabei nicht auf grobe Verstösse gegen die Regeln der ärztlichen Kunst. Vielmehr hat er Kranke stets fachgerecht zu behandeln, zum Schutze ihres Lebens oder ihrer Gesundheit insbesondere die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zu beachten, grundsätzlich folglich für jede Pflichtverletzung einzustehen (BGE 120 Ib 411 E. 4a; BGE 116 II 519 E. 3a; BGE 115 Ib 175 E. 2b; BGE 113 II 429 E. 3a, je mit Hinweisen; vgl. auch HANS WIPRÄCHTIGER, Die Strafbarkeit des Arztfehlers, in: Die Haftung des Arztes und des ![]() | 13 |
Der Begriff der Pflichtverletzung darf jedoch nicht so verstanden werden, dass darunter jede Massnahme oder Unterlassung fällt, welche aus nachträglicher Betrachtungsweise den Schaden bewirkt oder vermieden hätte (vgl. BGE 57 II 196 E. 3 S. 202). Der Arzt hat im Allgemeinen nicht für jene Gefahren und Risiken einzustehen, die immanent mit jeder ärztlichen Handlung und auch mit der Krankheit an sich verbunden sind. Zudem steht dem Arzt sowohl in der Diagnose wie auch in der Bestimmung therapeutischer oder anderer Massnahmen nach dem objektiven Wissensstand oftmals ein Entscheidungsspielraum zu, welcher eine Auswahl unter verschiedenen in Betracht fallenden Möglichkeiten zulässt. Der Arzt verletzt seine Pflichten nur dort, wo er eine Diagnose stellt bzw. eine Therapie oder ein sonstiges Vorgehen wählt, das nach dem allgemeinen fachlichen Wissensstand nicht mehr als vertretbar erscheint und daher den objektivierten Anforderungen der ärztlichen Kunst nicht genügt (BGE 120 Ib 411 E. 4a mit Hinweisen; HAUSHEER, a.a.O., N. 15.14; vgl. auch KUHN, a.a.O., S. 27).
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Bei der Diagnose einer Gesundheitsbeeinträchtigung muss der Arzt mithin nicht die Erhebung eines zutreffenden Befundes garantieren. Dementsprechend ist zwischen einem Diagnosefehler und einer Fehldiagnose zu unterscheiden (vgl. KLAUS ULSENHEIMER, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl., Heidelberg 2003, N. 41). Doch muss der Arzt für die Feststellung und Beurteilung der gesundheitlichen Störung in jedem Fall fachgerecht vorgehen und die erforderlichen Mittel und Erkenntnisquellen nutzen. Mehrdeutige Krankheitsbilder muss er durch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel aufklären. Der Arzt handelt unsorgfältig, wenn sich sein Vorgehen nicht nach den durch die medizinische Wissenschaft aufgestellten und generell anerkannten Regeln richtet und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht entspricht (BGE 57 II 196 E. 3 S. 202 f. mit Hinweisen; HAUSHEER, a.a.O., N. 15.21; FELLMANN, ![]() | 15 |
Erwägung 4 | |
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4.2 Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe sich unvorsichtig nur gestützt auf die im entscheidenden Punkt nicht aussagekräftigen und im Widerspruch zum Formular des Rettungsdienstes stehenden Angaben B.s ein Bild vom Sturz des Geschädigten gemacht. Aber auch gestützt auf dessen Aussagen hätte der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen dürfen, dass sich der Geschädigte nicht am Kopf verletzt haben könnte, weil dessen Aussagen ein Aufschlagen des Kopfes auf der Strasse nicht mit Sicherheit ausschlossen. Er hätte daher die Möglichkeit, dass zusätzlich zur Angetrunkenheit eine durch ein Schädeltrauma ausgelöste Hirnblutung vorhanden sein könnte, in Betracht ziehen müssen. Dies auch deshalb, weil die bei der Untersuchung festgestellten Anzeichen wie Torkeln, verwaschene Sprache, Schläfrigkeit, Ruhelosigkeit und Erbrechen sich wohl mit der Alkoholisierung erklären liessen, das Vorliegen innerer Kopfverletzungen aber keineswegs ausschlossen. Zudem hätte ihn der Umstand, dass die erfahrene Notfallschwester vom Verletzten einen zwiespältigen Eindruck ![]() | 17 |
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Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer aufgrund der ihm bekannten Umstände des Unfalls davon ausgehen musste, der Geschädigte sei bei seinem Sturz mit dem Kopf auf der Strasse aufgeschlagen. Nach den Erwägungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer denn auch selbst einen Sturz angenommen. Dass er aufgrund der beschönigenden Schilderung des Unfallhergangs durch B. irrtümlich unterstellt hat, der Geschädigte hätte dabei den Kopf "höchstens leicht" angeschlagen, ist hierbei ohne Bedeutung.
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Bei der notfallärztlichen Tätigkeit wird der Anamnese eine entscheidende Bedeutung zugeschrieben (vgl. G. HEMPELMANN/H.A. ADAMS/ P. SEFRIN [Hrsg.], Notfallmedizin, Stuttgart und New York 1999, S. 21/28). Dabei soll sich der Arzt nicht auf einzelne Komponenten beschränken, sondern muss sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen und darf sie nicht unbesehen übernehmen. Der Beschwerdeführer hätte sich daher bei der Stellung der Verdachtsdiagnose nicht allein auf die Darstellung der Ereignisse durch B. und die mündliche Orientierung der ![]() | 20 |
Im vorliegenden Fall enthielt das Notfallprotokoll unter der Rubrik Anamnese/Notfallgeschehen die folgenden Angaben:
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Pat war mit Roller-skate unterwegs, kam mit Brett vom Trottoir weg und stürzte auf die Strasse - ist alkoholisiert - gibt keine Schmerzen an - keine sichtbaren Wunden - ist vor ein Auto gestürzt, das konnte rechtzeitig stoppen. War mit Kollege unterwegs von Schwyz nach Brunnen [recte: von Brunnen nach Schwyz]".
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Die Bewertung des Bewusstseinszustands durch die Einsatzverantwortliche des Rettungsdienstes nach dem Glasgow Coma Scale (GCS) ergab einen Wert von 13 (zum GCS vgl. G. HEMPELMANN/ H.A. Adams/P. Sefrin [Hrsg.], a.a.O., S. 192 f.; C. MADLER/K. JAUCH/ K. WERDAN [Hrsg.], Das NAW Buch, Praktische Notfallmedizin, München etc. 1995, S. 525).
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Der Beschwerdeführer hätte damit den Sturz des Geschädigten, der ihm - wenn auch beschönigend - von B. geschildert und ihm auch durch die Rettungssanitäterin beschrieben worden war, ernst nehmen müssen und ihn nicht als Bagatelle abtun dürfen. Dieses Sturzgeschehen - auch wenn hinsichtlich der Frage, wie schwer der Geschädigte dabei den Kopf angeschlagen hatte, Unklarheit bestand - erlangte namentlich in Kombination mit dem Umstand, dass jener alkoholisiert war, besondere Bedeutung. Denn nimmt man an, dass die Diagnose des Beschwerdeführers, der Geschädigte sei "schwerst alkoholisiert" gewesen, zutraf, hätte er im mindesten damit rechnen müssen, dass jener beim Sturz auch den Kopf angeschlagen haben könnte. Das ergibt sich, wie der Gutachter einleuchtend ausführt, aus dem Umstand, dass Stürze von ![]() | 24 |
Bei dieser Sachlage hätte der Beschwerdeführer die Bewusstseinstrübung und das Erbrechen des Geschädigten nicht allein dem zusätzlich vorausgegangenen Alkoholkonsum zuschreiben dürfen, sondern hätte einen Kopfaufprall in Betracht ziehen müssen, selbst wenn ein solcher von niemandem beobachtet worden ist. Dementsprechend hätte er seine Massnahmen nicht nur auf die Diagnose einer Alkoholintoxikation ausrichten dürfen, sondern hätte, wie der Gutachter festhält, den Geschädigten jedenfalls im Hinblick auf allfällige Veränderungen der Bewusstseinslage in der Klinik engmaschig überwachen müssen, um eine mögliche Blutung im Schädelraum frühzeitig erfassen zu können (vgl. auch http://www.insel.ch/notfallzentrum/trauma/manual/02_sht.htm Schädel-Hirn-Trauma Ziff. 6 a 1.). Im Grunde war dies auch dem Beschwerdeführer bewusst, zumal er in der untersuchungsrichterlichen Befragung ausgeführt hatte, in ähnlichen Entscheidungssituationen seien alkoholisierte Patienten, bei denen klar gewesen sei, dass sie den Kopf angeschlagen hatten, oder bei denen jedenfalls ein entsprechender Verdacht bestand, aus diagnostischen Gründen überwacht worden.
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Aufgrund der Umstände hätte der Beschwerdeführer somit nicht davon ausgehen dürfen, dass der Geschädigte bei seinem Sturz den Kopf nicht angeschlagen hatte. Was der Beschwerdeführer hiegegen weiter einwendet, geht fehl. Dass der Zustand der Alkoholisierung, wie er im vorliegenden Zusammenhang in Frage steht, ein Mass an Alkoholkonsum voraussetzt, das über ein Glas Wein hinausgeht, bedarf keiner besonderen Erörterungen. Ausserdem schliesst der Gutachter nicht vom blossen Umstand der Angetrunkenheit auf das Vorliegen eines Sturzes, sondern knüpft seine Folgerungen hinsichtlich der zu treffenden medizinischen Massnahmen gerade an die hier vorliegende Kombination von Sturzgeschehen und Alkoholisierung.
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Die Entlassung des Geschädigten in die Obhut seiner Freundin lediglich mit der Instruktion, jenen im Hinblick auf die Gefahr der Aspiration von Erbrochenem bezüglich der Atmung zu ![]() | 27 |
Fragen könnte sich darüber hinaus, ob der Beschwerdeführer aufgrund der konkreten Informationen, die ihm zur Verfügung standen, beim Geschädigten überhaupt eine "schwerste Alkoholisierung" diagnostizieren durfte. Immerhin musste er nach der Darstellung von B. voraussetzen, dass dieser und der Geschädigte von Brunnen nach Schwyz zu Fuss bzw. auf dem Rollbrett unterwegs waren. Das Zurücklegen eines derart langen Wegs zu Fuss oder auf dem Rollbrett wäre wohl bei einem Grad an Trunkenheit, den der Beschwerdeführer aufgrund der vorhandenen Symptome des Geschädigten (verwaschene, leicht lallende Sprache; teilweise unverständliches Murmeln als Antwort; unsicheres Gangbild; Erbrechen) annahm, gar nicht möglich gewesen. Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte dem Beschwerdeführer der Verdacht auf die naheliegende Verletzung aufkommen müssen und hätte er, wie die Vorinstanz zu Recht erkennt, die festgestellten Symptome nicht allein dem Alkoholrausch zuordnen dürfen.
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Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.
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Erwägung 5 | |
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5.2 Die Vorinstanz nimmt in diesem Zusammenhang an, bei einem Epiduralhämatom spiele der Zeitfaktor für die Vermeidung von Hirnschädigungen eine äusserst wichtige Rolle. Bei einer engmaschigen GCS-Überwachung im Spital wäre eine alarmierende Veränderung des Bewusstseinszustandes zweifellos früher bemerkt worden als durch die Freundin des Geschädigten, die ohnehin in dieser Hinsicht nicht genügend instruiert worden sei. Es sei daher ![]() | 31 |
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Dass das sorgfaltswidrige Handeln des Beschwerdeführers nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet waren, die schweren Verletzungen des Geschädigten mit herbeizuführen, kann nicht ernsthaft in Frage stehen. Das ergibt sich daraus, dass bei derartigen Verletzungen der Zeitablauf für die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes eine wesentliche Rolle spielt. Die Folgen wären daher jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weniger schwerwiegend ausgefallen, wenn das Epiduralhämatom früher erkannt worden wäre. Dies wäre wiederum ohne jede vernünftige Zweifel der Fall gewesen, wenn der Geschädigte im Spital engmaschig im Hinblick auf allfällige Veränderungen der Bewusstseinslage überwacht worden wäre. Denn in diesem Fall wäre einerseits kein erneuter Transport des Geschädigten von der Wohnung seiner Freundin ins Spital Schwyz notwendig gewesen, andererseits wäre eine Verschlechterung des Bewusstseinszustandes des Geschädigten in der klinischen Überwachung zweifellos früher bemerkt worden als durch die nicht im Hinblick auf die Möglichkeit einer Hirnblutung instruierte Freundin. Damit wäre der Erfolg auch vermeidbar gewesen.
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Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.
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Erwägung 6 | |
6.1 Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, die falsche Schilderung des Unfallhergangs durch den Freund des ![]() | 35 |
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Ob das Verhalten von B. als Sorgfaltspflichtverletzung zu werten ist, die eine Fahrlässigkeitshaftung zur Folge hätte, muss hier nicht geprüft werden. Die unzutreffende Schilderung des Unfallhergangs erscheint jedenfalls nicht als konkurrierende Ursache, welche die durch das Verhalten des Beschwerdeführers in Gang gesetzte Kausalreihe abbrechen lässt. Vielmehr geht der gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung gerade von dieser Schilderung aus. Was der Beschwerdeführer in diesem Punkt vorbringt, geht nicht über das hinaus, was er gegen die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung einwendet. Dass er bei Kenntnis der wahren Sachlage möglicherweise anders vorgegangen wäre, kann ihn nicht entlasten. Im Übrigen weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass er auch verschiedene Anhaltspunkte hatte, aufgrund derer er die Angaben von B. unbedingt hätte in Zweifel ziehen müssen.
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Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.
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Was der Beschwerdeführer in diesem Punkt vorbringt, geht an der Sache vorbei. Der übergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision liegt vor, wenn zwei Rechtspflichten in derselben Situation so zusammentreffen, dass der Verpflichtete keine von ihnen ohne Verletzung der anderen erfüllen kann. Wer bei zwei konkurrierenden Handlungspflichten die höhere oder auch nur ![]() | 40 |
Im zu beurteilenden Fall sind keine konkurrierenden Rechtspflichten ersichtlich. Den Beschwerdeführer traf hier einzig und allein die Pflicht, den ihm als Notfallpatient anvertrauten Geschädigten nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft und Heilkunst zu untersuchen und die medizinisch indizierten Massnahmen zu treffen. Gegen diese Pflicht hat er verstossen, indem er in falschem Vertrauen auf die Schilderungen von B. den eindeutigen Verdacht auf ein Verletzungsbild nicht erkannt und die Bedeutung der vom Geschädigten gezeigten Symptome in unvertretbarer Weise gedeutet hat.
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