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5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen B., C. und D. sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.365/2002 vom 22. Januar 2004 | |
Regeste |
Art. 61 Abs. 1 OR; Haftung öffentlicher Beamter oder Angestellter für amtliche Verrichtungen. | |
Sachverhalt | |
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B. Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte X. mit Urteil vom 29. Mai 2002 in zweiter Instanz der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu drei Monaten Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren. Ferner verpflichtete es den Beurteilten zum Ersatz der Begräbniskosten und zur Bezahlung weiteren Schadenersatzes, wobei es das Schadenersatzbegehren der Geschädigten im Quantitativ auf den Zivilweg verwies. Schliesslich verurteilte es X. zur Zahlung von Genugtuungen in der Höhe von Fr. 30'000.- an die Geschädigte B. und von je Fr. 10'000.- an die Geschädigten C. und D. Auf die Genugtuungsforderungen der übrigen Familienangehörigen trat es nicht ein.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe im Auftrag des Kantons Bern als Arzt einen anderen Ausschaffungshäftling betreut und diesbezüglich eine amtliche Verrichtung ausgeübt. Der Auftrag des Beschwerdeführers habe nur die Betreuung jenes anderen Ausschaffungshäftlings umfasst. Das Opfer habe er dagegen in Zürich zum ersten Mal gesehen. Er sei am Flughafen von den Polizeibeamten angefragt worden, ob er sich dieses anschauen könne, weil er sich in der Nähe befand. Die Polizeibeamten hätten den Beschwerdeführer aber nicht kraft seines Mandates angefragt und seien auch nicht befugt gewesen, seinen Auftrag zu erweitern oder ihm namens des Staates einen neuen Auftrag zu ![]() | 4 |
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Erwägung 2.3 | |
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2.3.2 Ein öffentlicher Beamter oder Angestellter haftet für den in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit verursachten Schaden nach ![]() | 7 |
Handelt der öffentliche Beamte oder Angestellte nicht im Rahmen seiner öffentlichen Aufgabe, sondern aus eigenem Interesse, steht er einer Privatperson gleich; in diesem Fall richtet sich die Haftung nach Art. 41 ff. OR. Das öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeitsrecht kommt nur zur Anwendung, wenn der Schaden in Ausübung der amtlichen Funktion und nicht nur bei Gelegenheit der amtlichen Verrichtung verursacht wird. Im letzteren Fall gilt die Handlung als nicht-amtliche Verrichtung, deren Folgen dem Privatrecht unterstellt sind (BREHM, a.a.O., N. 35 f. zu Art. 61 OR). Entscheidend ist, ob der Handelnde in der Funktion als Beamter oder öffentlicher Angestellter einen Schaden verursacht. Es muss somit ein funktioneller Zusammenhang zwischen der amtlichen Stellung als öffentlicher Beamter oder Angestellter und der schädigenden Handlung bestehen (BREHM, a.a.O., N. 36 zu Art. 61 OR und N. 21 zu Art. 55 OR; JOST GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., Bern 2001, S. 114; vgl. auch ANTON K. SCHNYDER, Basler Kommentar, OR I, 3. Aufl., 2003, N. 12 f. zu Art. 55 OR).
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2.3.3 Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermassen im Auftrag des Ausländer- und Bürgerrechtsdienstes des Kantons Bern als Arzt einen anderen Ausschaffungshäftling bei der Ausreise begleitet. Es steht ausser Zweifel, dass er bei der Betreuung dieses Häftlings eine öffentliche, nicht eine private Aufgabe erfüllt und somit als öffentlicher Beamter oder Angestellter im Sinne von Art. 61 OR gehandelt hat (vgl. BGE 122 III 101 E. 2a/aa). Zu prüfen ist hingegen, ob er auch in Bezug auf das Opfer in der Funktion als Beamter oder öffentlicher Angestellter gehandelt hat. Dies ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu bejahen. Denn der Beschwerdeführer hat die ihm zur Last gelegte Schädigung nicht bloss bei Gelegenheit der amtlichen Verrichtung verursacht. Vielmehr besteht ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen seiner Funktion als begleitender Arzt des zweiten Ausschaffungshäftlings ![]() | 9 |
Die Beschwerde ist im Zivilpunkt begründet.
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2.3.4 Heisst der Kassationshof die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt gut, so entscheidet er in der Sache selbst oder weist sie zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück (Art. 277quater Abs. 1 BStP; BGE 121 III 252 E. 3a). Im vorliegenden Fall entscheidet der Kassationshof selbst, da die Sache aufgrund der obstehenden Erwägungen spruchreif ist (E. 2.3.3). Die Klage der Geschädigten ist mangels Passivlegitimation des Beschwerdeführers abzuweisen.
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