BGE 131 IV 36 | |||
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6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staats-anwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.58/2004 vom 22. Dezember 2004 | |
Regeste |
Vereitelung einer Blutprobe (Art. 91 Abs. 3 SVG); Verbot des Selbstbelastungszwangs (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II über bürgerliche und politische Rechte). | |
Sachverhalt | |
X. verursachte am 17. Juli 2002, um 23.15 Uhr, auf der Bahnhofstrasse in Triengen eine Streifkollision mit einem entgegenkommenden Personenwagen. An beiden Fahrzeugen wurden der linke Aussenspiegel und am entgegenkommenden Personenwagen zudem das kleine Fenster der linken Fahrzeugtüre beschädigt. X. hielt nicht an. Der Geschädigte fuhr ihm daher nach, um ihn zum Anhalten zu veranlassen. Er brach dieses Unterfangen wegen der schnellen Fahrweise von X. ab und benachrichtigte unverzüglich die Polizei. Diese konnte X. erst am nächsten Tag, um 10.10 Uhr, an seinem Arbeitsplatz antreffen. Sie führte wegen deutlicher Alkoholsymptome einen Atemlufttest durch. Dieser fiel positiv aus. Die Analyse der Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von minimal 0,61 und maximal 0,97 Gewichtspromille. X. gab an, er sei um 23.30 Uhr nach Hause gekommen und habe dort zwei Kaffee mit Zwetschgenschnaps getrunken, bevor er um 00.45 Uhr zu Bett gegangen sei. Laut dem Ergänzungsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 21. März 2003 bestand bei der Fahrt zur Arbeit um 08.40 Uhr eine Blutalkoholkonzentration zwischen 0,76 und 1,27 Promille. Diese Alkoholisierung konnte gemäss dem Gutachten nicht allein vom behaupteten Nachtrunk herrühren.
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Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X. am 2. September 2003 in Bestätigung des Entscheids des Amtsgerichts Sursee vom 4. April 2003 des ungenügenden Rechtsfahrens mit Personenwagen (Art. 34 Abs. 1 SVG), des pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall mit Fremdschaden (Art. 51 Abs. 1 und 3 SVG) und der Vereitelung einer Blutprobe (Art. 91 Abs. 3 SVG) schuldig. Es bestrafte ihn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1, Art. 91 Abs. 3 und Art. 92 Abs. 1 SVG mit fünf Wochen Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von fünf Jahren, und 1'500 Franken Busse.
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X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei in Bezug auf den Schuldspruch wegen Vereitelung einer Blutprobe (Art. 91 Abs. 3 SVG) sowie im Straf- und Kostenpunkt aufzuheben. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Der Beschwerdeführer ficht allein seine Verurteilung wegen Vereitelung einer Blutprobe (Art. 91 Abs. 3 SVG) an. Er macht einzig geltend, diese verstosse gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs und damit gegen Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2), Art. 6 Ziff. 1 und 2 EMRK sowie Art. 32 Abs. 1 BV. Aus diesen Normen ergebe sich, dass niemand verpflichtet sei, sich im Rahmen eines Strafverfahrens selbst anzuzeigen oder zu belasten ("nemo tenetur se ipsum accusare"). Art. 91 Abs. 3 SVG müsse im Lichte dieser Bestimmungen ausgelegt werden und sei daher in einem Fall der vorliegenden Art nicht anwendbar.
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Die Verletzung dieser Verhaltenspflichten nach einem Unfall erfüllt, sowohl bei Vorsatz wie auch bei Fahrlässigkeit, den Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 SVG. Sie kann bei vorsätzlichem Handeln zudem, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe im Sinne von Art. 91 Abs. 3 SVG erfüllen.
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2.2 Gemäss Art. 91 Abs. 3 aSVG wurde bestraft, wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzte oder entzog oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelte. Die Rechtsprechung hat diese Bestimmung unter Hinweis auf deren Sinn und Zweck auch auf Fälle angewandt, in denen eine Blutprobe zwar noch nicht amtlich angeordnet worden war, der Fahrzeuglenker aber mit der Anordnung einer Blutprobe - als reale Wahrscheinlichkeit - rechnete oder rechnen musste (BGE 90 IV 94; BGE 95 IV 144; BGE 106 IV 396, mit Hinweisen), beziehungsweise in denen die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war und der Fahrzeuglenker dies in Kauf nahm (BGE 109 IV 137). Der Gesetzgeber hat dieser Rechtsprechung Rechnung getragen und Art. 91 Abs. 3 SVG durch Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989, in Kraft seit 1. Februar 1991, geändert (siehe BGE 120 IV 73 E. 1a; Botschaft des Bundesrates, BBl 1986 III 209 ff., 228; Verhandlungen der eidgenössischen Räte, AB 1988 S 549 f.). Gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG in der seither geltenden Fassung wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer sich vorsätzlich einer Blutprobe, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung er rechnen musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt.
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2.2.2 Der Fahrzeuglenker kann den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe unter den genannten zusätzlichen Voraussetzungen auch durch die Missachtung von weiteren gesetzlichen Verhaltenspflichten erfüllen, welche der Feststellung seiner Identität und der Abklärung des Sachverhalts dienen, so beispielsweise durch die Verletzung der sich aus Art. 56 Abs. 2 VRV ergebenden Pflicht, an der Unfallstelle zu bleiben, wenn ein Geschädigter die Polizei beiziehen will, obwohl keine Meldepflicht besteht (siehe dazu BGE 125 IV 283 E. 2a in fine).
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(...)
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Erwägung 3 | |
3.1 Als allgemeiner, bisher aus Art. 4 aBV abgeleiteter Grundsatz des Strafprozessrechts ist anerkannt, dass niemand gehalten ist, zu seiner Belastung beizutragen. Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist demnach nicht zur Aussage verpflichtet. Vielmehr ist er auf Grund seines Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen dürfen. Eine ausdrückliche Garantie, dass der Beschuldigte nicht gezwungen werden darf, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen, enthält Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II. Ferner leiten Lehre und Rechtsprechung das Recht des Beschuldigten, zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ab (zum Ganzen BGE 130 I 126 E. 2.1 mit Hinweisen).
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) gehören das Recht, zu schweigen, und das Recht, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, zu den allgemein anerkannten internationalen Normen und zum Kern des fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Aus dem Recht des Angeklagten, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, ergibt sich insbesondere, dass die Behörden ihre Anklage führen, ohne auf Beweismittel zurückzugreifen, die durch Zwang oder Druck in Missachtung des Willens des Angeklagten erlangt worden sind. Diese Garantien schützen den Angeklagten vor missbräuchlichem Zwang seitens der Behörden und dienen der Vermeidung von Justizirrtümern sowie der Zielsetzung von Art. 6 EMRK (Urteil des EGMR i.S. J.B. gegen Schweiz vom 3. Mai 2001, Nr. 31827/96; Recueil CourEDH 2001-III S. 455; VPB 65/2001 Nr. 128 S. 1336, Ziff. 64). Der EGMR kam im zitierten Entscheid abweichend vom angefochtenen BGE 121 II 273 zum Ergebnis, es verstosse gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK, den Steuerpflichtigen im Hinterziehungsverfahren mit Bussen zu zwingen, Belege über hinterzogene Beträge vorzulegen. Zwar habe das Bundesgericht in BGE 121 II 273 auf verschiedene strafrechtliche Bestimmungen hingewiesen, welche eine Person verpflichteten, in gewisser Weise zu ihrer eigenen Verurteilung beizutragen, beispielsweise ihr Fahrzeug mit einem Fahrtenschreiber auszurüsten oder sich einer Blut- oder Urinprobe zu unterziehen. Indessen unterschieden sich die Informationen in der zu beurteilenden Steuersache von Tatsachen, die unabhängig vom Willen der betroffenen Person existierten (Ziff. 68). Der EGMR verwies in diesem Zusammenhang auf sein Urteil i.S. Saunders gegen Grossbritannien vom 17. Dezember 1996 (Recueil CourEDH 1996-VI S. 2044). Darin wird ausgeführt, das Recht, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, betreffe in erster Linie das Schweigerecht. Dieses erstrecke sich nicht auf die Verwertung von Tatsachen, die unabhängig vom Willen des Verdächtigen existierten, wie Atemluft-, Blut- und Urinproben oder Gewebeproben zum Zwecke einer DNA-Untersuchung. In einem anderen Entscheid erachtete der EGMR eine Bestrafung wegen Einreichens einer falschen Steuerdeklaration als unbedenklich (Urteil i.S. Allen gegen Grossbritannien vom 10. September 2002, Nr. 76574/01; Recueil CourEDH 2002-VIII S. 367). Denn es gehe nicht um den Zwang zur Selbstbelastung, der eine frühere Straftat betreffe, sondern um die Straftat selber. Das Recht, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, gewähre nicht eine allgemeine Immunität für Handlungen, die dadurch motiviert seien, einer Steuerkontrolle zu entgehen. Im Übrigen sei nicht jede Massnahme, die darauf abziele, den Einzelnen zu verhalten, den Behörden Informationen zu liefern, welche eventuell in einem späteren Strafverfahren verwendet werden könnten, als ein missbräuchlicher Zwang zu betrachten.
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Im Einzelnen ist allerdings die Tragweite des nemo-tenetur-Prinzips in Bezug auf passive und aktive Verhaltenspflichten umstritten, insbesondere auch bezüglich Handlungspflichten, etwa Informationspflichten gegenüber irgendwelchen Behörden oder Privatpersonen, die sich mittelbar selbstbelastend auswirken können (siehe zum Ganzen TORSTEN VERREL, Nemo tenetur - Rekonstruktion eines Verfahrensgrundsatzes, Neue Zeitschrift für Strafrecht [NStZ] 1997 S. 361 ff., 415 ff.; RUDOLF MÜLLER, Neue Ermittlungsmethoden und das Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung, EuGRZ 2002 S. 546 ff.; REGULA SCHLAURI, Das Verbot des Selbstbelastungszwangs im Strafverfahren, Zürich 2003, S. 112 ff., 169 ff.).
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Erwägung 3.3 | |
3.3.1 Soweit Verhaltenspflichten eines Fahrzeuglenkers bei Unfall lediglich gegenüber den übrigen Unfallbeteiligten und den Geschädigten bestehen, verstossen sie und die Bestrafung wegen ihrer Missachtung nicht gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs. Der verfassungs- und völkerrechtlich verankerte Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare vel prodere" gilt nur im Verhältnis des Einzelnen zu den staatlichen Behörden. Ein Konflikt mit diesem Grundsatz kann bestehen, wenn die Erfüllung der Verhaltenspflichten bei Unfall direkt oder indirekt zu einem Kontakt mit der Polizei führt und sich der Fahrzeuglenker dadurch dem Risiko aussetzt, dass gegen ihn aufgrund seiner Fahrweise oder aufgrund seines Zustands ein Strafverfahren etwa wegen Verletzung von Verkehrsregeln, Fahrens in angetrunkenem Zustand, fahrlässiger Körperverletzung etc. eingeleitet wird. Solche Verhaltenspflichten, welche direkt oder indirekt zu einem Kontakt mit der Polizei führen, sind insbesondere in Art. 51 Abs. 2 SVG, Art. 51 Abs. 3 Satz 2 SVG und in Art. 56 Abs. 2 VRV festgelegt.
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3.3.3 Der Fahrzeuglenker, der die genannten Verhaltenspflichten verletzt, wird zudem wegen Vereitelung einer Blutprobe gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG bestraft, wenn sehr wahrscheinlich eine Blutprobe angeordnet worden wäre und er durch sein Verhalten diese Blutprobe eventualvorsätzlich vereitelt hat. Durch den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe werden keinerlei Verhaltenspflichten bei Unfall begründet, die nicht ohnehin schon auf Grund des Gesetzes bestehen (siehe BGE 115 IV 51 E. 4c; BGE 124 IV 175 E. 4a). Da bei einem Ereignis ohne Drittschaden nach dem Gesetz keine Verhaltenspflichten bestehen, welche der Feststellung der Identität des Fahrzeuglenkers und der Abklärung des Sachverhalts dienen, fällt - unter dem Vorbehalt des untauglichen Versuchs (vgl. BGE 126 IV 53) - auch eine Verurteilung wegen Vereitelung einer Blutprobe ausser Betracht, selbst wenn das Ereignis den dringenden Verdacht auf Alkoholisierung begründet (siehe dazu BGE 114 IV 154; BGE 124 IV 175 E. 4a). Der Fahrzeuglenker ist nicht wegen eines solchen Verdachts zu irgendeinem aktiven Verhalten verpflichtet, sondern, unabhängig davon, wegen seiner Beteiligung an einem Unfall mit Drittschaden.
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Gerade auch mit Rücksicht auf das nemo-tenetur-Prinzip kann der Fahrzeuglenker nicht verpflichtet werden, etwa einen Selbstunfall ohne Drittschaden wegen des durch den Selbstunfall begründeten dringenden Verdachts auf Alkoholisierung der Polizei zu melden. Voraussetzung ist in jedem Fall der Eintritt eines Drittschadens, der die im Gesetz genannten Verhaltenspflichten begründet. Soweit diese Pflichten nicht gegen den nemo-tenetur-Grundsatz verstossen, ist eine Bestrafung wegen ihrer Missachtung zulässig. Die Frage, ob die Verletzung dieser Verhaltenspflichten allein gemäss Art. 92 SVG oder auch, bei hoher Wahrscheinlichkeit der Blutprobe, nach Art. 91 Abs. 3 SVG strafbar ist, berührt den nemo-tenetur-Grundsatz nicht.
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Erwägung 3.4 | |
3.4.1 Der vorliegende Fall einer Streifkollision zwischen zwei am Verkehr teilnehmenden Fahrzeuglenkern fällt entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 51 Abs. 3 SVG, wonach der Schädiger sofort den Geschädigten benachrichtigen und Namen und Adresse angeben und, wenn dies nicht möglich ist, unverzüglich die Polizei verständigen muss. Diese Bestimmung betrifft die Fälle, in denen der Geschädigte nicht als Verkehrsteilnehmer am Unfall mitbeteiligt ist (siehe RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2002, N. 1005). Der vorliegende Sachverhalt fällt unter den Anwendungsbereich von Art. 51 Abs. 1 SVG und Art. 56 Abs. 2 VRV. Der Beschwerdeführer war verpflichtet, sofort anzuhalten. Er konnte in der Folge eine gütliche Einigung mit dem Unfallbeteiligten anstreben. Da niemand verletzt worden war, war der Beizug der Polizei nicht obligatorisch. Der Unfallbeteiligte konnte aber, obwohl keine Pflicht zur Meldung an die Polizei bestand, aus irgendwelchen Gründen den Beizug der Polizei verlangen, und zwar unabhängig von einer allfälligen Alkoholisierung des Beschwerdeführers sowie auch dann, wenn dieser seine alleinige Schuld an der Streifkollision anerkannt hätte. Wenn der Unfallbeteiligte den Beizug der Polizei verlangt hätte, wäre der Beschwerdeführer gemäss Art. 56 Abs. 2 VRV verpflichtet gewesen, bei der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, bis er von der Polizei entlassen worden wäre. Für den Beschwerdeführer bestand mithin das unberechenbare Risiko, dass er bei Erfüllung seiner Verhaltenspflichten in den Kontakt mit der Polizei gelangte. Diese hätte bei der Abklärung des Sachverhalts möglicherweise Tatsachen festgestellt, welche den Verdacht begründeten, dass der Beschwerdeführer diese oder jene Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz - beispielsweise Verletzung des Gebots des Rechtsfahrens, Nichtbeherrschen des Fahrzeugs, Fahren in angetrunkenem Zustand - begangen hatte.
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Erwägung 3.5 | |
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3.5.2 Dem Strassenverkehrsgesetz lassen sich keine Anhaltspunkte für die Auffassung entnehmen, dass der Fahrzeuglenker bei einem Unfall mit Drittschaden nur die Feststellung von Tatsachen zu dulden habe, welche für die Beurteilung der zivilrechtlichen Ansprüche der übrigen Unfallbeteiligten beziehungsweise der Geschädigten relevant sind. Solches ergibt sich auch nicht aus dem nemo-tenetur-Prinzip. Der Fahrzeuglenker ist schon zum Zwecke der Beweissicherung und Feststellung der zivilrechtlich relevanten Tatsachen verpflichtet, sofort anzuhalten, Namen und Adresse anzugeben und bis zur Entlassung durch die - obligatorisch oder fakultativ beigezogene - Polizei an der Unfallstelle zu bleiben. Es verstösst nicht gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs, den somit ohnehin zur Anwesenheit verpflichteten Fahrzeuglenker unter Strafandrohung zu verpflichten, bei Verdacht der Angetrunkenheit auch die Abklärung einer allfälligen Alkoholisierung mittels Abnahme einer Blutprobe zu dulden, selbst wenn diese im konkreten Fall zivilrechtlich nicht relevant ist und somit einzig dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient. Entscheidend ist insoweit, dass der Fahrzeuglenker nicht zwecks Abklärung einer allfälligen Alkoholisierung, sondern, unabhängig davon, schon zum Zwecke der Beweissicherung und Feststellung der für die Beurteilung der zivilrechtlichen Ansprüche relevanten Tatsachen zum Anhalten und zur Anwesenheit verpflichtet ist.
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3.5.3 Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die in Art. 51 Abs. 3 SVG festgelegte Meldepflicht. Wenn der Geschädigte nicht als Unfallbeteiligter an der Unfallstelle anwesend ist, muss der Fahrzeuglenker ihn sofort benachrichtigen und, wenn dies nicht möglich ist, unverzüglich die Polizei verständigen. Auch diese Pflichten und die Strafbarkeit ihrer Missachtung sind mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Geschädigten an der möglichst raschen und zuverlässigen Beweissicherung und Feststellung der für ihre zivilrechtlichen Ansprüche relevanten Tatsachen gerechtfertigt. Hat eine Meldung an die Polizei zu erfolgen, weil der Geschädigte nicht benachrichtigt werden kann oder aus irgendwelchen Gründen den Beizug der Polizei verlangt, so muss der Fahrzeuglenker die polizeilichen Abklärungen, unter anderem betreffend seine allfällige Alkoholisierung bei Verdacht auf Angetrunkenheit, dulden, auch wenn sie im konkreten Einzelfall für die zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten nicht relevant sind. Diese Duldungspflicht verstösst nicht gegen das nemo-tenetur-Prinzip. Entscheidend ist auch hier, dass der Fahrzeuglenker die Meldung an die Polizei nicht zwecks Feststellung seiner allfälligen Alkoholisierung, sondern, unabhängig davon, im Interesse des Geschädigten zum Zwecke der Beweissicherung und Feststellung der zivilrechtlich relevanten Tatsachen zu erstatten hat.
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4. Die Verurteilung wegen Vereitelung einer Blutprobe gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG läuft entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht auf eine gegen die Unschuldsvermutung verstossende Verdachtsstrafe hinaus. Der Fahrzeuglenker wird nicht bestraft, weil der Verdacht besteht, dass er angetrunken war. Er wird vielmehr bestraft, weil er eine Blutprobe, die amtlich angeordnet wurde oder nach den massgebenden Umständen sehr wahrscheinlich angeordnet worden wäre, vorsätzlich vereitelte. Art. 91 Abs. 3 SVG schützt die Blutprobe, mithin das wichtigste und zuverlässigste Beweismittel zur Abklärung einer allfälligen Alkoholisierung von Fahrzeuglenkern.
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