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8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.243/2004 vom 23. Dezember 2004 | |
Regeste |
Unterlassung der Buchführung (Art. 166 StGB); ordnungswidrige Führung der Geschäftsbücher (Art. 325 StGB); Aufbewahrung der Geschäftsbücher einer aufgelösten Aktiengesellschaft an einem sicheren Ort (Art. 747 OR). |
Die Liquidatoren sind persönlich verpflichtet, einen sicheren Ort für die Aufbewahrung der Geschäftsbücher der aufgelösten Aktiengesellschaft nach deren Löschung im Handelsregister zu bezeichnen. Die Verletzung dieser Pflicht fällt unter den Anwendungsbereich von Art. 325 StGB (E. 1.4.2). |
Verjährung (E. 1.4.3). | |
Sachverhalt | |
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X. führt gegen das Urteil des Kantonsgerichts staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Mit der letzteren stellt er den Antrag, der Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung in sämtlichen Anklagepunkten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet.
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Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht verpflichtet gewesen, die Geschäftsbücher der Aktiengesellschaft nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven beziehungsweise nach der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister weiterhin aufzubewahren. Selbst wenn aber eine solche Aufbewahrungspflicht bestanden haben sollte, erfülle deren Missachtung nicht den Tatbestand der Unterlassung der Buchführung im Sinne von Art. 166 StGB. Dies ergebe sich unter anderem aus der in dieser Bestimmung vorausgesetzten objektiven Strafbarkeitsbedingung der Konkurseröffnung.
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1.2 Die Pflichten zur Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern sind im Zweiunddreissigsten Titel des Obligationenrechts betreffend die kaufmännische Buchführung, Art. 957 ff. OR, geregelt. Diese Bestimmungen sind durch das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999, in Kraft seit 1. Juni 2002, revidiert worden. Im vorliegenden Fall gelangt das alte Recht in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 19. Dezember 1975 zur Anwendung. Dieses stimmt in Bezug auf die hier massgebenden Grundsätze mit dem neuen Recht inhaltlich überein. Wer verpflichtet ist, seine Firma in das Handelsregister eintragen zu lassen, ist gehalten, diejenigen Bücher ordnungsmässig zu führen, die nach Art und Umfang seines Geschäftes nötig sind, um die Vermögenslage des Geschäfts und die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse sowie die Betriebsergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre festzustellen (Art. 957 Abs. 1 aOR). Wer zur Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet ist, hat diese, die Geschäftskorrespondenz und die Buchungsbelege während zehn Jahren aufzubewahren (Art. 962 Abs. 1 aOR). Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Eintragungen vorgenommen wurden, die Geschäftskorrespondenz ein- oder ausgegangen ist und die Buchungsbelege entstanden sind (Art. 962 Abs. 3 aOR). Was im Falle des Konkurses mit den Geschäftsbüchern zu geschehen hat, ist in der Gesetzgebung über Schuldbetreibung und Konkurs geregelt. Gemäss Art. 223 Abs. 2 SchKG nimmt das Konkursamt Geschäftsbücher und sonstige Schriften von Belang in Verwahrung. Hinsichtlich der Aufbewahrung der vom Konkursamt zu den Konkursakten beigezogenen Geschäftsbücher und Geschäftspapiere des Gemeinschuldners ist ![]() | 9 |
Die Vorinstanz führt unter Hinweis auf die zitierten Bestimmungen sowie unter Berufung auf Lehrmeinungen und kantonale Gerichtsentscheide aus, dass eine Aktiengesellschaft, trotz ihrer Auflösung durch die Konkurseröffnung (siehe Art. 736 Ziff. 3 OR), nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven während der dreimonatigen Einspruchsfrist nach wie vor ihre Rechtspersönlichkeit behalte und mit der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven grundsätzlich - wenn auch nur zum Zwecke der Liquidation und unter Vorbehalt von Art. 230a Abs. 2-4 SchKG - die volle Verfügungsbefugnis über sämtliche Aktiven und Passiven erhalte. Die Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis - wenn auch nur im Umfang der für die Liquidation allenfalls noch erforderlichen Handlungen (siehe Art. 739 Abs. 2 OR) - mache aber nur Sinn, wenn die Gesellschaft nach dem Dahinfallen des Konkursbeschlags auch ihre Geschäftsbücher vom Konkursamt zurückerhalte. Damit falle folglich auch die Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher an die Gesellschaft zurück. Nach der endgültigen Beendigung der Gesellschaft durch deren ![]() | 10 |
Die Vorinstanz stellt fest, dass die A. AG seit 1995 keine Mitarbeiter mehr beschäftigt und der Verwaltungsrat der Gesellschaft aus zwei Personen bestanden habe, unter ihnen den Beschwerdeführer als Verwaltungsratspräsidenten. Die Geschäftsbücher der Gesellschaft, die sich nach der Eröffnung des Konkurses (wohl) beim Konkursamt befunden hätten, seien nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven wieder in den Verfügungsbereich des Beschwerdeführers gelangt. Es sei auszuschliessen, dass sich die Geschäftsbücher noch auf dem Konkursamt befinden beziehungsweise dort verloren gegangen sein könnten. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 277bis BStP).
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Die Vorinstanz geht mithin zusammengefasst davon aus, dass die Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher der A. AG auch nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven am 14. März 2001 und nach der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister am 27. Juli 2001 weiterhin bestand, dass diese Pflicht dem Beschwerdeführer oblag, der bis zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister deren Verwaltungsratspräsident war, und dass dem Beschwerdeführer die Erfüllung der Aufbewahrungspflicht auch möglich gewesen wäre, da die Geschäftsbücher nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven wieder in seinen Verfügungsbereich gelangt waren. Nach der Auffassung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer durch die Verletzung der Aufbewahrungspflicht den Tatbestand von Art. 166 StGB erfüllt.
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Allerdings kann der Schuldner nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden (Art. 230 Abs. 3 SchKG), was jedoch im Falle etwa einer Aktiengesellschaft als Schuldnerin voraussetzt, dass diese im Handelsregister eingetragen ist (siehe dazu FRANCO Lorandi, Einstellung des Konkurses über juristische Personen mangels Aktiven [Art. 230a SchKG], AJP 1999 S. 41; URS LUSTENBERGER, Basler Kommentar, SchKG III, 1998, Art. 230 N. 20). Das ist indessen unerheblich. Art. 166 StGB hat nämlich nicht den Zweck sicherzustellen, dass der Vermögensstand des Schuldners anlässlich einer Pfändung vollständig ersichtlich ist. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass Art. 166 StGB als objektive ![]() | 14 |
Aus dem Wortlaut von Art. 166 StGB, aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung sowie aus der Entstehungsgeschichte folgt somit, dass jedenfalls eine Verletzung der Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher nach dem Abschluss des Konkursverfahrens beziehungsweise nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven von Art. 166 StGB nicht erfasst wird.
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Der Beschwerdeführer hat sich somit dadurch, dass er die Geschäftsbücher der A. AG nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven am 14. März 2001 nicht weiterhin aufbewahrte, nicht gemäss Art. 166 StGB strafbar gemacht. Seine Verurteilung wegen Unterlassung der Buchführung (Art. 166 StGB) verstösst demnach gegen Bundesrecht und ist aufzuheben. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen.
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1.4.1 Die A. AG war nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven am 14. März 2001 weiterhin verpflichtet, die Geschäftsbücher, die ihr vom Konkursamt zurückerstattet worden waren, aufzubewahren. Diese der juristischen Person obliegende ![]() | 18 |
Allerdings wurde die A. AG am 27. Juli 2001 von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht, nachdem innert der dreimonatigen Frist nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven kein Einspruch erhoben worden war. Nach der Löschung der Aktiengesellschaft hörte diese zu bestehen auf und gab es keine Organe mehr. Die Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsbücher bestand aber weiterhin, wie sich unter anderem aus Art. 747 OR ergibt.
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Da im vorliegenden Fall keine besonderen Liquidatoren bestellt worden waren, oblag die Pflicht zur Bezeichnung eines sicheren Aufbewahrungsorts dem Verwaltungsrat (vgl. Art. 740 Abs. 1 OR) und somit dem Beschwerdeführer.
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