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25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. A. und B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.170/2005 vom 29. September 2005 | |
Regeste |
Art. 23 Abs. 1 al. 5 und Abs. 4 ANAG; Erleichtern des rechtswidrigen Verweilens und rechtswidriges Beschäftigen. |
Der bewilligungsfreie Aufenthalt in der Schweiz als Tourist wird mit der Aufnahme einer nicht gemeldeten bzw. bewilligten Erwerbstätigkeit rechtswidrig (E. 4.4), sofern nicht die besonderen Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens gelten (E. 3.2). |
Wer ausländische Prostituierte beschäftigt und beherbergt, die als Touristinnen in die Schweiz eingereist sind und über keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen verfügen, erfüllt die Tatbestände des Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthalts gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG und der rechtswidrigen Beschäftigung nach Art. 23 Abs. 4 ANAG (E. 4 und 5). | |
Sachverhalt | |
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Mit Beschluss vom 5. Dezember 2003 stellte das Bezirksgericht March die Strafverfahren gegen A. und B. wegen "mehrfachen vorsätzlichen Beschäftigens von kontrollpflichtigen Ausländern ohne Bewilligung" gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG infolge Verjährung ein. Mit Urteil vom gleichen Tag sprach das Gericht A. und B. in drei Fällen je des mehrfachen Erleichterns des rechtswidrigen Verweilens von Ausländerinnen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG schuldig und bestrafte sie je zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 10 Tagen und einer Busse von 2'000 Franken.
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A. und B. führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Gutheissung der Berufung und damit zu ihrer Freisprechung von Schuld und Strafe zurückzuweisen.
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Das Kantonsgericht Schwyz ersucht um Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei, verzichtet aber auf eine weiter gehende Stellungnahme. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Die Vorinstanz erwägt in rechtlicher Hinsicht, dass der Aufenthalt der Ungarinnen rechtswidrig war, weil sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und nicht als Touristen in die Schweiz eingereist seien. Dies gelte unabhängig davon, "ob sie die formellen Einreisevoraussetzungen als Touristen (sei es visumsfrei oder mit einem Touristenvisum)" erfüllt hätten. Für Ausländer, die zur Ausübung ![]() | 8 |
Erwägung 3 | |
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Nach Art. 23 Abs. 4 ANAG wird zusätzlich zu einer allfälligen Bestrafung nach Abs. 1 der Norm für jeden rechtswidrig beschäftigten Ausländer mit einer Busse bis zu 5'000 Franken bestraft, wer vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die nicht berechtigt sind, in der Schweiz zu arbeiten. Handelt der Täter fahrlässig, so beträgt die Busse bis zu 3'000 Franken. In besonders leichten Fällen kann von einer Bestrafung Umgang genommen werden. Wenn der Täter aus Gewinnsucht handelt, ist der Richter an diese Höchstbeträge nicht gebunden.
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Wer eine Person, die sich illegal in der Schweiz aufhält, nur beschäftigt, erleichtert ihr das rechtswidrige Verweilen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG nicht und erfüllt lediglich den Übertretungstatbestand des rechtswidrigen Beschäftigens von Ausländern gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG (BGE 118 IV 262). Ein Vergehen nach Absatz 1 der Norm liegt erst vor, wenn der Arbeitgeber einem Ausländer über die Beschäftigung hinaus das rechtswidrige Verweilen im Lande erleichtert, indem er ihn zum Beispiel beherbergt (BGE, a.a.O., E. 4).
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3.2 Gemäss Art. 1a ANAG (ursprünglich Art. 1) ist der Ausländer zur Anwesenheit auf Schweizer Boden berechtigt, wenn er eine ![]() | 12 |
Das Gesetz unterscheidet somit grundsätzlich zwischen dem Aufenthaltsrecht gestützt auf eine individuell erteilte, das Recht erst begründende Bewilligung, und dem sich direkt aus dem Gesetz ergebenden Aufenthaltsrecht (Aufenthaltsrecht ex lege ). Um in den Genuss dieses Aufenthaltsrechts ex lege zu kommen, muss der Ausländer kumulativ grundsätzlich folgende Voraussetzungen erfüllen: (1) Er muss legal in die Schweiz einreisen und (2) gegebenenfalls seinen gesetzlichen Anmelde- und Bewilligungspflichten nachkommen, d.h. sich innerhalb von acht Tagen bei beabsichtigter Wohnsitznahme oder Erwerbstätigkeit in der Schweiz fremdenpolizeilich anmelden und zugleich ein Gesuch um Ausstellung einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung stellen (MINH SON NGUYEN, Droit public des étrangers, Bern 2003, S. 171 f.; NICOLAS WISARD, Les renvois et leur exécution en droit des étrangers et en droit d'asile, Diss. Genf 1997, S. 46 f.). Besondere Regeln in Bezug auf die Anmelde- und Bewilligungspflichten und die Folgen ihrer Verletzung gelten nach dem Freizügigkeitsabkommen (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, in Kraft getreten am 1. Juni 2002 [SR 0.142.112.681]).
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Erwägung 4 | |
4.1 Gemäss Ziffer 2 des Notenaustausches vom 7. August 1990 zwischen der Schweiz und Ungarn über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht (SR 0.142.114.182) können ungarische ![]() | 14 |
Die Bestimmungen des ANAG galten für die beiden Ungarinnen (Art. 1 ANAG, e contrario). Sie waren nur von der Visumpflicht befreit, sofern sie - gültige Ausweispapiere vorausgesetzt - nicht länger als 90 Tage in der Schweiz blieben und in dieser Zeit keine Erwerbstätigkeit aufnahmen. Da sie zum Zwecke des Arbeitserwerbs in die Schweiz einreisten, blieben sie verpflichtet, ein Visum einzuholen. Ihre Einreise ohne Visum war rechtswidrig (vgl. Art. 3 der Verordnung vom 14. Januar 1998 über Einreise und Anmeldung von Ausländerinnen und Ausländern [VEA; SR 142.211]).
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Die Vorinstanz führt in subjektiver Hinsicht aus, die Beschwerdeführerinnen hätten gewusst, dass die zwei Frauen keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung hatten und sich deshalb rechtswidrig in der Schweiz aufhielten. Sie stellt jedoch nicht fest, die Beschwerdeführerinnen hätten ebenfalls gewusst, dass die beiden Ungarinnen bereits rechtswidrig in die Schweiz eingereist waren. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, da die Ungarinnen selbst bei einer - hypothetisch unterstellten - rechtmässigen Einreise rechtswidrig in der Schweiz verweilten.
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Erwägung 4.2 | |
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Aus den dargelegten gesetzlichen Bestimmungen kann nicht ge schlossen werden, dass ein zwecks Arbeitserwerbs mit einem Touristenvisum in die Schweiz eingereister Ausländer die Grenze rechtmässig überschreiten und bis zur Aufhebung des Visums rechtmässig in der Schweiz verweilen würde (anders aber BGE 128 IV 117 E. 9h). Das Visum berechtigt vielmehr nur zum Grenzübertritt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen wie z.B. der Reisezweck tatsächlich erfüllt sind. Wurde ein Visum etwa durch Täuschung über den Einreisezweck unrechtmässig erwirkt, sind die gesetzlichen Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt und damit sowohl die Einreise als auch der folgende Aufenthalt rechtswidrig. Einer Aufhebung des Visums bedarf es insoweit nicht. In diesem ![]() | 19 |
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Entgegen einer Lehrmeinung wird damit keine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen den zwei Arten von Anwesenheit - bewilligungsfreie und bewilligte - geschaffen (so aber VALENTIN Roschacher, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 ![]() | 22 |
4.4.1 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Aufenthalt der beiden Ungarinnen nach der klaren Konzeption des Gesetzes spätestens ab ![]() | 23 |
5. Die Beschwerdeführerinnen haben die beiden ungarischen Frauen in ihrem Betrieb als Prostituierte arbeiten lassen und sie gegen Entgelt beherbergt. Eine der Frauen hielt sich vom 28. Februar 2001 bis zur Personenkontrolle durch die Polizei am 26. März 2001 im "Atlantis" auf und arbeitete dort während rund 20 Tagen als Prostituierte. Die andere Ungarin wohnte während drei Wochen im "Atlantis" und prostituierte sich dort in dieser Zeit. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) wussten die Beschwerdeführerinnen, dass die beiden Frauen über keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen verfügten und sich somit rechtswidrig in der Schweiz aufhielten. Gestützt darauf hat die Vorinstanz im Einklang mit der publizierten Rechtsprechung, auf die verwiesen werden kann (BGE 130 IV 77), den objektiven und subjektiven Tatbestand des Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthaltes im Sinne von Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG als erfüllt erachtet. Eine Verletzung von Bundesrecht ist zu verneinen.
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