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24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft sowie Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde) |
6P.36/2007 / 6S.79/2007 vom 30. Mai 2007 | |
Regeste |
Art. 20 StGB (Art. 13 aStGB); Einholung eines psychiatrischen Gutachtens. | |
Sachverhalt | |
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B. X. erhebt sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde je mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Dezember 2006 sei aufzuheben. Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt er des Weiteren die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. Diese sei anzuweisen, ein psychiatrisches Gutachten betreffend seiner Zurechnungsfähigkeit einzuholen. Ferner ersucht er für beide Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung.
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Aus den Erwägungen: | |
II. Nichtigkeitsbeschwerde
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Erwägung 3 | |
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Zur Begründung führt der Beschwerdeführer aus, er habe am 13. Mai 1992 durch einen Sturz auf seinen Hinterkopf ein Schädelhirntrauma erlitten. Seither leide er unter einer schweren posttraumatischen Anpassungs- bzw. Belastungsstörung und sei deshalb zu 100 % arbeitsunfähig. Die eidgenössische Invalidenversicherung habe ihm denn auch am 8. November 1995 mit Wirkung ab 1. Juli 1993 eine volle Invalidenrente zugesprochen. Aufgrund der medizinischen Berichte des Psychotherapeuten B., der Ärzte Dr. C. und Dr. D. des Kantonsspitals Basel sowie von Dr. med. A. dränge sich vorliegend die gutachterliche Abklärung seiner Schuldfähigkeit virulent auf.
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3.2 Die Vorinstanz erwägt, es gebe zweifellos noch andere Straftäter, die in ihrem Lebenslauf einen Unfall oder traumatische ![]() | 6 |
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Umstände, welche beim Richter ernsthafte Zweifel hervorrufen müssen, sind nach der bundesgerichtlichen Praxis beispielsweise gegeben bei Drogenabhängigkeit (BGE 102 IV 74 und BGE 106 IV 241 E. 2), bei einer Frau, die mit einer schizophrenen Tochter zusammenlebte (BGE 98 IV 156), bei einem Sexualdelinquenten mit möglicherweise abnorm starkem Geschlechtstrieb (BGE 71 IV 190) sowie bei einem Ersttäter, bei dem der Beginn der Straffälligkeit mit dem Ausbruch einer schweren allergischen oder psychosomatischen Hautkrankheit zusammenfiel (BGE 118 IV 6). Die Notwendigkeit, einen Sachverständigen zuzuziehen, ist erst gegeben, wenn Anzeichen vorliegen, die geeignet sind, Zweifel hinsichtlich der vollen Schuldfähigkeit zu erwecken, wie etwa ein Widerspruch zwischen Tat und Täterpersönlichkeit oder völlig unübliches Verhalten. Zeigt das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat, dass ein Realitätsbezug erhalten war, dass er sich an wechselnde Erfordernisse der ![]() | 8 |
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3.5 Posttraumatische Belastungs- und Anpassungsstörungen sind Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit. Gemäss der internationalen Klassifikation der WHO handelt es sich bei der posttraumatischen Belastungsstörung um eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmasses, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (HORST DILLING, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 5. Aufl., Bern 2005, S. 169). Eine solche Störung äussert sich in den Symptomen des Wiedererlebens durch Alb- und Tagträume und kann zu emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit führen. Gleichzeitig ist häufig eine erhöhte Erregung festzustellen, die sich in Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz oder gesteigerter Schreckhaftigkeit manifestiert (ULRICH SCHNYDER, Posttraumatische Belastungsstörungen, in: Erwin Murer, Psychische Störungen und Sozialversicherung, Bern 2002, S. 99-116, S. 101 und 114). Als Anpassungsstörung gelten Zustände von subjektivem Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, welche soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung, nach einem belastenden Lebensereignis oder auch nach ![]() | 10 |
Solche Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen gehen nur relativ selten mit Straftaten einher (NORBERT NEDOPIL, Forensische Psychiatrie, Stuttgart 2000, S. 142). Dass sie zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit führen, ist kaum denkbar; in seltenen Fällen sind sie unter Umständen jedoch derart ausgeprägt, dass die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sein kann (NEDOPIL, a.a.O., S. 144).
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