![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
15. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) |
6S.91/2007 vom 6. Dezember 2007 und 17. Januar 2008 | |
Regeste |
Art. 125 und 18 Abs. 3 StGB; fahrlässige Körperverletzung; Selbstgefährdung des Verletzten. |
Strafbarkeit der Organisatorin eines Feuerlaufseminars verneint, weil ihre Mitwirkung ohne Einfluss auf das Gefährdungsgeschehen blieb und sie das Verbrennungsrisiko nicht besser erfasste als die Feuerläuferinnen (E. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
B. Mit Urteil vom 23. September 2005 sprach das Kreisgericht Rheintal X. und Y. der fahrlässigen schweren Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) schuldig und verurteilte sie je zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Tagen sowie einer Busse von 1'000 Franken. Im Weiteren verpflichtete es sie unter solidarischer Haftung, A. eine Genugtuung von 1'000 Franken zu bezahlen.
| 2 |
C. Das Kantonsgericht St. Gallen wies eine dagegen erhobene Berufung von X. sowie die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 22. November 2006 ab. Die Klägerin A. hat sich am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt.
| 3 |
D. X. führt gegen das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und sie sei vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung vollumfänglich freizusprechen.
| 4 |
Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut, soweit darauf einzutreten ist.
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
6 | |
7 | |
Die Beschwerdeführerin habe eine Garantenstellung innegehabt, die sich aus einer vertraglichen Nebenpflicht und dem Prinzip des ![]() | 8 |
Damit sei erstellt, dass das pflichtwidrige Unterlassen der Beschwerdeführerin für die Verletzungen der Klägerin kausal sei. Unerheblich sei dagegen, dass die Teilnehmerinnen einen sog. Haftungsausschluss unterzeichneten und auf die Freiwilligkeit und Gefährlichkeit des Feuerlaufs mehrfach hingewiesen worden waren, weil eine Garantenpflicht nicht wegbedungen werden könne. Eine rechtfertigende Einwilligung in die schwere Körperverletzung falle ebenfalls ausser Betracht, weil es an einem sittlichen oder ethischen Zweck fehle.
| 9 |
10 | |
Erwägung 4 | |
11 | |
4.2 Das Bundesgericht hat bisher die Frage, ob die Einwilligung des Verletzten bei Fahrlässigkeitsdelikten begrifflich überhaupt möglich ![]() | 12 |
Nach dem angefochtenen Entscheid haben alle beteiligten Personen, an erster Stelle die Klägerin, darauf vertraut, dass sich beim Feuerlauf niemand die Füsse verbrennen würde. Eine Einwilligung in den tatbestandsmässigen Erfolg der (schweren) Körperverletzung liegt deshalb nicht vor. Inwiefern rechtlich von Bedeutung ist, dass die Klägerin freiwillig und auf eigene Verantwortung am Feuerlauf teilgenommen hat, bleibt bei der Zurechnung des Verletzungserfolges zu prüfen.
| 13 |
14 | |
![]() | 15 |
16 | |
Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung findet ihre Grenze jedoch dort, wo der Veranlasser oder Förderer das Risiko kraft überlegenen Sachwissens besser erfasst (BGE 125 IV 189 ![]() | 17 |
Erwägung 5 | |
18 | |
Die Gefahr, die in den Verletzungserfolg umschlug, ist nicht auf eine Unterlassung der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Sie hat an der Selbstgefährdung durch aktives Tun mitgewirkt, und danach beurteilt sich der strafrechtliche Vorwurf (vgl. dazu BGE 120 IV 265 E. 2b S. 271; BGE 115 IV 199 E. 2a S. 203 f.). Deshalb braucht hier nicht entschieden zu werden, ob und inwieweit sie zugunsten der Teilnehmerinnen eine Garantenstellung (aus Vertrag) einnahm. Immerhin ist klarzustellen, dass dort, wo die Mitwirkung nach den dargelegten Grundsätzen straflos bleibt, auch der Umweg über ein gefährliches Vorverhalten (Ingerenz) nicht zur Erfolgsabwendungspflicht und Unterlassungshaftung des Mitwirkenden führen kann, was allgemein anerkannt ist (vgl. nur STRATENWERTH, a.a.O., § 14 Rz. 22 S. 430; ROXIN, a.a.O., § 11 N. 112; LACKNER/KÜHL, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl., München 2007, vor § 211 N. 26).
| 19 |
Den Fahrlässigkeitsvorwurf begründet die Vorinstanz damit, dass die Klägerin ihre Füsse nur 15 Minuten (statt wie vom Arzt empfohlen mindestens 20-30 Minuten) im Wassereimer kühlen konnte. Dies genügt indessen nicht, um die eingetretenen Verletzungen der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Denn einerseits führte das Bereitstellen des Wassereimers gerade nicht zu einer Risikoerhöhung während des Gefährdungsverlaufs, sondern diente der Verhütung und Linderung allfälliger Verbrennungen. Andererseits konnten die Teilnehmerinnen selbst erkennen, welche Kühlmöglichkeit für den Fall ![]() | 20 |
21 | |
22 | |
5.4 Der Schuldspruch der Beschwerdeführerin wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) verletzt aus den dargelegten Gründen Bundesrecht. Der ebenfalls erhobene Einwand, die Verletzungen seien nicht als schwere Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB zu qualifizieren, wird damit gegenstandslos.
| 23 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |