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33. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Zollverwaltung gegen A., Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft und Schweizerische Bundesanwaltschaft (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_686/2008 vom 16. Oktober 2008 | |
Regeste |
Verjährung von Zoll- und Mehrwertsteuerdelikten; Ruhen der Verjährung bei Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Täter; Art. 2, 11, 62, 63 und 69 VStrR, Art. 129 ZG, Art. 88 Abs. 1 MWSTG, Art. 97 Abs. 1 lit. c und Art. 333 Abs. 6 StGB. |
Führt die Regelung von Art. 333 Abs. 6 StGB im Nebenstrafrecht dazu, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich die für die Übertretungen geltende Verjährungsfrist entsprechend (E. 2.1). |
Bei Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Beteiligte, die gleiche oder sich überschneidende Sachverhalte betreffen, ruht während eines von einem der Beteiligten angehobenen Rechtsmittelverfahrens gegen die Festsetzung der Leistungspflicht die strafrechtliche Verjährungsfrist gegenüber allen Mitbeteiligten (E. 2.2 und 3). | |
Sachverhalt | |
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B. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Eidgenössische Zollverwaltung, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben, festzustellen, dass noch nicht sämtliche A. vorgeworfenen Straftaten verjährt seien und die Sache zur Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurückzuweisen. A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Die dem Beschwerdegegner angelasteten Delikte wurden zwischen März 1997 und Juli 1999 begangen und sollen nach der Überweisungsverfügung der Oberzolldirektion als Zollübertretung, Bannbruch und Steuerhinterziehung strafbar sein. Soweit das Verwaltungsstrafrecht keine besonderen Regelungen kennt, ist der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches anwendbar (Art. 2 VStrR [SR 313.0]). Art. 83 des im Deliktszeitpunkt geltenden Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 bestimmte, dass die Verfolgungsverjährung gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR auch für den Bannbruch und die Zollhehlerei gelte. Im aktuellen Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG; SR 631.0) ![]() | 5 |
Altrechtlich verjährten die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen Übertretungen relativ in 5, absolut in 7 1/2 Jahren (Art. 11 Abs. 2 VStrR). Für Vergehen galten altrechtlich im Ergebnis die gleichen Fristen (Art. 70 und 72 Ziff. 2 Abs. 2 aStGB).
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Neurechtlich verjähren Vergehen in 7 Jahren (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB), wobei die Verjährung nicht mehr unterbrochen und nach dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr eintreten kann (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB). Fraglich ist, ob darunter nur Verurteilungen zu verstehen sind oder auch Freisprüche und Verfahrenseinstellungen. Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt aus verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen, dass der Freigesprochene wegen eben dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter "erstinstanzlichen Urteilen" im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen.
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Art. 11 Abs. 2 VStrR, welcher die Verjährung der hier zu beurteilenden Übertretungen regelt, ist noch nicht ans neurechtliche Verjährungssystem angepasst worden, welches keine Unterbrechung mehr kennt. Bis dies erfolgt ist, gilt, dass die ![]() | 8 |
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Erwägung 3 | |
3.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, bei Fiskaldelikten hänge der Entscheid im Strafpunkt von demjenigen über die Leistungspflicht bzw. über die Abgabenberechnung und die Tarifeinreihung ab und werde dementsprechend erst nach dessen rechtskräftiger Erledigung gefällt. Aufgrund dieser Abhängigkeit des Strafverfahrens von der Abgabenberechnung sei das Bundesgericht (BGE 88 IV 87 E. 4b; BGE 89 IV 160 E. 6; BGE 119 IV 330 E. 2d) bereits vor dem Inkrafttreten von ![]() | 10 |
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3.3 Im Rechtsmittelsystem des Verwaltungsstrafrechts sind Strafverfahren (Art. 62 VStrR) und Leistungs- bzw. Rückleistungsverfahren (Art. 63 VStrR), die gleiche oder sich zumindest teilweise überschneidende Sachverhalte betreffen und sich gegen mehrere Beteiligte richten, wechselseitig voneinander abhängig. Fusst ein Strafbescheid auf einem Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht und wird dieser erfolgreich angefochten, so erlässt die Verwaltung einen neuen Strafbescheid (Art. 63 Abs. 3 VStrR). Einsprachen gegen einen Strafbescheid haben zur Folge, dass dieser mit Wirkung für alle Beteiligten zu überprüfen ist, wobei das ![]() | 12 |
Dazu kommt, dass es unter Umständen verfassungsrechtlich geboten sein kann, Strafverfahren gegen Mittäter zu vereinigen, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass die Art und der Umfang der Beteiligung wechselseitig bestritten werden und somit die Gefahr besteht, dass ein Teilnehmer die Schuld dem anderen zuweisen will (BGE 116 Ia 305 E. 4b S. 313; vgl. auch BGE 115 Ia 34 E. 2c/cc S. 40). Dies stand vorliegend umso mehr zu befürchten, als die beiden Haupttäter in eine Kampfscheidung gerieten. Auch unter diesem Titel erscheint es sachgerecht, Art. 11 Abs. 3 VStrR dahingehend auszulegen, dass die Beschwerde eines Tatbeteiligten gegen seine Leistungspflicht die Verjährung der Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten ruhen lässt, weil sonst eine möglicherweise gebotene Vereinigung der Strafverfahren jedenfalls bei einer längeren Dauer der Rechtsmittelverfahren faktisch verunmöglicht würde.
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3.4 Hat somit die strafrechtliche Verjährungsfrist für den Beschwerdegegner während der Dauer der von einzelnen Mitbeteiligten gegen die Festsetzungen ihrer Leistungspflicht angehobenen Rechtsmittelverfahren geruht, so waren im Zeitpunkt des angefochtenen ![]() | 14 |
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