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3. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. K.B. und Mitb. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_346/2008 vom 27. November 2008 |
Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen der Falschbeurkundung (Art. 251 StGB). |
Geringfügigkeit des Strafverfolgungsinteresses bei der Wiedergutmachung (Art. 53 lit. b StGB). |
ten an der Strafverfolgung gering sind. Es ist nach Strafzwecken und betroffenen Rechtsgütern zu differenzieren. Während bei Straftaten gegen Individualinteressen das Strafverfolgungsinteresse mit der Wiedergutmachung häufig entfällt, bleibt bei Straftaten gegen öffentliche Interessen zu beurteilen, ob Schuldausgleich und Prävention eine Strafe gebieten (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Im Februar 2000 unterzeichnete K.B. die Leasing-Dokumentation. Er gab damit vor, einen - in Wirklichkeit gar nicht existierenden - Personenwagen der Marke BMW im Wert von Fr. 76'500.- geleast und übernommen zu haben. Für seine Beteiligung an den fiktiven Geschäften erhielt er eine Provision in der Höhe von Fr. 1'600.-.
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Im Hinblick auf eine versprochene Provision von Fr. 1'800.- unterzeichnete S.G. am 6. Dezember 1999 in Embrach unter anderem das Übergabeprotokoll. Damit bestätigte sie, einen Personenwagen der Marke Ford im Wert von Fr. 40'900.- von der fingierten Vertragsgarage übernommen zu haben.
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R.S. erhielt eine Provision von Fr. 1'600.- dafür, dass sie sich auf dem in Glattfelden unterzeichneten Übergabeprotokoll vom 14. Februar 2000 als Abnehmerin eines Audi A6 im Wert von Fr. 62'700.- ausgab.
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Mit Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichts Winterthur vom 24. November 2006 wurde K.B. der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB schuldig gesprochen und mit 10 Tagen Gefängnis bestraft. Der Vollzug wurde bedingt aufgeschoben. Mit identischen Schuldsprüchen vom gleichen Tag wurden S.G. zu 15 Tagen, R.S. zu 10 Tagen Gefängnis bedingt verurteilt.
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Auf Berufung der Beschwerdeführer (K.B., S.G. und R.S.) bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich die Schuldsprüche mit Urteil vom 7. März 2008. K.B. wurde mit einer bedingten Geldstrafe von 7 Tagessätzen à Fr. 115.-, S.G. mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à Fr. 35.- und R.S. mit einer bedingten ![]() | 6 |
Gegen dieses obergerichtliche Urteil richten sich drei Beschwerden in Strafsachen. Die Beschwerdeführer verlangen im Wesentlichen die Aufhebung der angefochtenen Urteile sowie Freisprüche unter entsprechenden Kostenfolgen. Eventualiter seien sie infolge Wiedergutmachung von Strafe zu befreien.
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Das Bundesgericht ordnete eine Vernehmlassung zur Frage der Wiedergutmachung an. Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtete mit Schreiben vom 24. Juni 2008 auf eine Stellungnahme zu den Beschwerden. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich reichte ihre Vernehmlassungsschreiben am 2. Juli 2008 ein.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich der Urkundenfälschung in der Form der Falschbeurkundung schuldig, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt. In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 251 Ziff. 1 StGB Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Es muss dem Täter im Sinne einer Laienbewertung bewusst sein, dass es sich beim Tatobjekt um eine Urkunde handelt. Er muss um die Unwahrheit des Inhalts wissen. Eventualvorsatz genügt. Weiter muss der Täter in der Absicht handeln, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Nach der Rechtsprechung braucht der Täter nicht zu wissen, worin dieser Vorteil liegt (BGE 102 IV 191 E. 4). Unrechtmässig ist die Vorteilsverschaffung, wenn entweder das verfolgte Ziel oder die Mittel der Täuschung unzulässig sind (BGE 121 IV 90 E. 2b; BGE 106 IV 375 E. 2). Schliesslich muss der Täter die Urkunde im Rechtsverkehr als wahr verwenden (lassen) wollen, was eine Täuschungsabsicht voraussetzt. Dabei muss der Täter die Urkunde nicht selbst zu gebrauchen beabsichtigen. Es genügt, wenn ihm im ![]() | 11 |
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Nach unbestrittener Feststellung wussten die Beschwerdeführer nicht, was sie unterschrieben. Gleichwohl gelangt die Vorinstanz zum Schluss, dass sie die Unwahrheit des Urkundeninhalts in Kauf nahmen. Hierzu rekurriert sie auf die Rechtsprechung zum Eventualvorsatz, wonach besonders gravierende Sorgfaltspflichtverletzungen die Inkaufnahme des eingetretenen Erfolgs indizieren können. Es gereiche den Beschwerdeführern zum Vorwurf, dass sie sich weder durch Nachfragen noch durch Prüfung der Unterlagen eine genauere Vorstellung über das Geschäft gemacht haben. Nur schon ein oberflächliches Lesen der Unterlagen hätte ergeben, dass die Vertragsunterlagen nicht den Angaben der Vermittler entsprachen. Eine Kontrolle wäre ihnen ohne Weiteres zumutbar gewesen. Als Bauführer und Mitglied der Schulpflege wäre K.B. zu einer genaueren Überprüfung der Dokumente und Geschäftshintergründe in der Lage gewesen. Auch bei S.G. widersprach die unbesehene Unterzeichnung ihrer Gewohnheit "jeweils mindestens das Grossgeschriebene durchzulesen". R.S. sagte von sich selbst, sie sei "bekannt dafür, dass sie die Sachen durchlese". Das Verhalten der Beschwerdeführer sei als schwere Sorgfaltspflichtverletzung einzustufen. Es sei ihnen gleichgültig gewesen, was sie unterzeichneten. Sie hätten die inhaltliche Unrichtigkeit der Urkunde daher in Kauf genommen.
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2.3.1 Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Der Täter muss um die reale Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestands wissen und dessen Erfüllung wollen (zur Willenskomponente vgl. E. 2.3.2). Vorliegend steht fest, dass die Beschwerdeführer um den wirklichen Vertragsinhalt nicht wussten. Entgegen ihren rein appellatorischen Einwänden ist jedoch ![]() | 14 |
2.3.2 Für die Willenskomponente des Vorsatzes gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass nicht unbesehen vom Wissen des Täters auf dessen Willen geschlossen werden darf. Regelmässig kann sich der Nachweis des Vorsatzes bei ungeständigen Tätern nur auf äusserlich feststellbare Indizien stützen, die Rückschlüsse auf dessen innere Einstellung erlauben. Hierzu gehört unter anderem die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je schwerer diese wiegt, desto eher darf auf die Inkaufnahme der Tatbestandsverwirklichung geschlossen werden (BGE 134 IV 29 E. 3; BGE 131 IV 1 E. 2.2; BGE 130 IV 58 E. 8). Dahinter steckt der anhand von Körperverletzungsdelikten entwickelte Gedanke, dass in der Missachtung elementarer Sorgfaltsregeln eine Gleichgültigkeit gegenüber Integritätsinteressen Dritter zum Ausdruck kommt, welche in besonders krassen Fällen auch den Schluss auf die Inkaufnahme des Verletzungserfolgs zulässt. Diese Konstellation ist im vorliegenden Fall nur schon deshalb nicht gegeben, weil die Beschwerdeführer nicht Sorgfaltsregeln verletzten, die dem Schutz Dritter dienten. Für die strafrechtliche Beurteilung ist ausschliesslich relevant, was sich die Beschwerdeführer vorstellten. Sie gingen davon aus, eine Bürgschaft zu übernehmen resp. sich an einem nicht genauer spezifizierten Autoimportgeschäft zu beteiligen. Mit ihrer Gleichgültigkeit gegenüber dem Vertragsinhalt haben sie somit vorwiegend sich selbst gefährdet. Wer Vertragsdokumente ungelesen unterzeichnet, der nimmt primär in Kauf, sich auf ungünstige Geschäftsbedingungen einzulassen, nicht jedoch, eine strafbare Falschbeurkundung zu begehen. Für die Unterstellung, wissentlich Unwahrheiten unterschriftlich abgesegnet zu haben, braucht es zusätzliche objektive Anhaltspunkte. Solche Anzeichen können jedenfalls nicht darin erblickt werden, ![]() | 15 |
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2.3.4 Auch die übrigen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen wurden zu Recht bejaht. In der Vorstellung der Beschwerdeführer ![]() | 17 |
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3.2 Nach vorinstanzlicher Feststellung haben die Beschwerdeführer mit der Geschädigten eine Vereinbarung über die Schadensbegleichung geschlossen und den vereinbarten Betrag geleistet. Damit hätten sie die erste Wiedergutmachungsvoraussetzung gemäss ![]() | 20 |
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Im zu beurteilenden Fall ist unbestritten, dass die Voraussetzung für eine bedingte Strafe erfüllt, der Schaden gedeckt und die ![]() | 23 |
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3.4.2 Das Bundesgericht hat bisher einmal eingehend zum geringfügigen öffentlichen Strafverfolgungsinteresse als Voraussetzung der Wiedergutmachung Stellung genommen. Der beschwerdeführende Arzt, welchem die Ausstellung falscher Zeugnisse (Art. 318 StGB) vorgeworfen wurde, verlangte Strafbefreiung, weil er den angerichteten Schaden ausgeglichen hatte. Das Bundesgericht betonte, dass der Tatbestand von Art. 318 StGB in erster Linie das im Rechtsverkehr in Urkunden gesetzte Vertrauen schütze und erst in zweiter Linie individuelle Vermögensinteressen. Trotz materieller Wiedergutmachung hatte der Täter die Verantwortung für seine Taten nie übernommen und das öffentliche Sanktionsinteresse sich daher nie ![]() | 25 |
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Aus Sicht der positiven Generalprävention kann das Vertrauen der Allgemeinheit in das Recht gestärkt werden, wenn festgestellt wird, dass auch der Täter den Normbruch anerkennt und sich bemüht, den Rechtsfrieden wiederherzustellen (SILVAN FAHRNI, Wiedergutmachung als Voraussetzung einer diversionellen Verfahrenserledigung, in: Auf dem Weg zu einem einheitlichen Verfahren, Schindler/Schlauri [Hrsg.], 2001, S. 205). Spezialpräventive Überlegungen sind bereits beim Entscheid über den bedingten Strafvollzug nach Art. 42 StGB zwingend zu berücksichtigen. Da die Gewährung des Strafaufschubs eine Voraussetzung der Wiedergutmachung ist, spielen sie bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses nach Art. 53 StGB nur eine untergeordnete Rolle (Urteil des Bundesgerichts 6B_152/2007 vom 13. Mai 2008 E. 5.2.3; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 4 und N. 16 zu Art. 53 StGB).
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Während die Strafzwecke ganz allgemein zu berücksichtigen sind, ist bei der Beurteilung der öffentlichen Strafverfolgungsinteressen im konkreten Fall insbesondere auch nach den geschützten Rechtsgütern zu unterscheiden. Art. 53 StGB nimmt explizit Bezug auf die Wiedergutmachung des begangenen Unrechts. Worin dieses Unrecht liegt, definieren die einzelnen Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts (ANGST/MAURER, a.a.O., S. 304). Bei Straftaten gegen individuelle Interessen und einem Verletzten, der die Wiedergutmachungsleistung akzeptiert, wird häufig auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfallen. Bei Straftaten gegen öffentliche Interessen ist zu beurteilen, ob es mit der Erbringung der Wiedergutmachung sein Bewenden haben soll oder, ob sich unter Gesichtspunkten des Schuldausgleichs und der Prävention weitere strafrechtliche Reaktionen aufdrängen (vgl. BOMMER, a.a.O., S. 174; zu den öffentlichen Strafverfolgungsinteressen bei Fälschungsdelikten vgl. ANGST/MAURER, a.a.O., forumpoenale 6/2008, Ziff. 2c).
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Das öffentliche Strafverfolgungsinteresse nimmt mit zunehmendem Zeitablauf seit der Tat ab. Auch an der Tätergleichbehandlung bestehen öffentliche Interessen. So dürfen wohlhabende Täter durch die Wiedergutmachungsbestimmung nicht privilegiert werden (BRUNNER, op. cit., S. 63 ff.).
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3.5 Mit dem Strafbefreiungsgrund der Wiedergutmachung nach Art. 53 StGB wurden die in Deutschland bereits ![]() | 31 |
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3.5.2 Nach deutscher Doktrin begründen generalpräventive Gesichtspunkte ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, wenn wegen der Art der Tatausführung, etwa bei aussergewöhnlichen Tatfolgen, wegen der Häufigkeit gleichartiger Delikte oder aus anderen Gründen das reaktionslose Hinnehmen der Tat die Rechtstreue der Bevölkerung erschüttern würde. Insoweit kann das öffentliche Interesse auch deliktsspezifisch zu bejahen sein, doch ist es ohne eine solche Begründung nicht zulässig, es für bestimmte Straftaten generell als gegeben anzusehen. Kein öffentliches Interesse wird durch solche Umstände begründet, die materiellstrafrechtlich keine präventiv begründbare Funktion aufweisen, z.B. die Stellung des Beschuldigten oder Verletzten im öffentlichen Leben. Dies würde dem Verschuldensprinzip widersprechen. Die Tatsache, dass die Tat eine besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ![]() | 33 |
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3.6 Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, als sie von einer Strafbefreiung im Sinne von Art. 53 StGB absah. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführer den Schaden gedeckt haben und eine bedingte und im Übrigen nicht hohe Strafe ausgefällt wurde (Art. 53 lit. a StGB). Nicht von Belang ist, dass sich die ![]() | 35 |
Im Grundsatz beizupflichten ist der Oberstaatsanwaltschaft insoweit, als sie auch Überlegungen der Tätergleichbehandlung in die Interessenabwägung mit einbeziehen will. In vielen gleich gelagerten Fällen wurden bereits Strafbefehle erlassen. An einer einheitlichen strafrechtlichen Reaktion auf identische Delikte besteht prinzipiell ein öffentliches Interesse, welches der völligen Strafbefreiung im Rahmen von Art. 53 StGB entgegenstehen kann. Wie es sich mit den Gleichbehandlungsinteressen im vorliegenden Fall verhält, muss jedoch offenbleiben. Wie die Oberstaatsanwaltschaft selbst einräumt, fielen die mittels Strafbefehl erledigten Verfahren noch unter den früheren allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs. Einen Strafbefreiungsgrund der Wiedergutmachung gab es damals noch nicht. Den Beschwerdeführern kann nicht entgegengehalten ![]() | 36 |
Urkundendelikte schützen einerseits private Vermögensinteressen, andererseits aber auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in Urkunden als Beweismittel. Bei Entschädigung privater Vermögensschäden ist eine Wiedergutmachung grundsätzlich möglich, sofern nicht überwiegende Strafverfolgungsinteressen der Öffentlichkeit entgegenstehen. Die Vorinstanz legt angesichts der Dimensionen der vorliegend zu beurteilenden Massenfalschbeurkundung zu Recht grosses Gewicht auf das öffentliche Interesse an der Vertrauenswürdigkeit von Urkunden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_152/2007 vom 13. Mai 2008 E. 5.2.4). Die vorinstanzliche Einschätzung, wonach das deliktische Verhalten der Beschwerdeführer nicht bloss mit einem Schuldspruch, sondern auch mit einer Strafe geahndet werden musste, um die Rechtstreue der Bevölkerung nicht zu erschüttern, ist somit von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden.
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