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Informationen zum Dokument  BGE 135 IV 27  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Art. 53  ...
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4. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen H.C. und E.A. (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_522/2008 / 6B_523/2008 vom 27. November 2008
 
 
Regeste
 
Verfahrensrechtliche Umsetzung der Wiedergutmachung (Art. 53 StGB).  
 
Sachverhalt
 
BGE 135 IV, 27 (28)Am 12. November 2005 kam es zwischen H.C. (Beschwerdegegner I) und E.A. (Beschwerdegegner II) zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf letzterer auch ein Messer eingesetzt haben soll.
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Mit Urteil vom 10. Januar 2007 sprach das Bezirksgericht Zürich H.C. der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer unbedingten Geldstrafe von 190 Tagessätzen zu Fr. 30.- als Gesamtstrafe. Vom Vorwurf der qualifizierten einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB wurde er freigesprochen.
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Gleichentags sprach das Bezirksgericht E.A. der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig. Vom Vorwurf der mehrfachen Drohung im Sinne von Art. 180 StGB sprach es ihn frei. Er wurde bestraft mit einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 30.-, wovon 36 Tagessätze als durch Untersuchungshaft geleistet galten.
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Sowohl H.C. als auch E.A. erhoben Berufung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhob Anschlussberufung.
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An der mündlichen Berufungsverhandlung schlossen die Parteien unter Mitwirkung des Obergerichts des Kantons Zürich folgende Vereinbarung:
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"1. H.C. und E.A. erklären ihr gegenseitiges Desinteresse an der weiteren Strafverfolgung.
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2. Jeder Angeklagte verpflichtet sich, die Kosten seines Strafverfahrens (Untersuchungskosten sowie Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens), einschliesslich Kosten seiner amtlichen Verteidigung/Rechtsvertretung, zu bezahlen.
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3. E.A. verpflichtet sich, H.C. als Ausgleich der gegenseitigen Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche Fr. 2'000.- zu bezahlen, zahlbar in vier monatlichen Raten à Fr. 500.-, erstmals am 1. des Monats, welcher der Rechtskraft der Abschreibungsbeschlüsse folgt."
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BGE 135 IV, 27 (29)Mit Beschluss vom 21. April 2008 nahm das Obergericht des Kantons Zürich von der Vereinbarung Vormerk und schrieb beide Strafprozesse in Anwendung von Art. 53 StGB als erledigt ab.
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Mit zwei in den vorliegend wesentlichen Punkten identischen Beschwerden in Strafsachen beantragt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Aufhebung des Beschlusses vom 21. April 2008 und die Rückweisung an die Vorinstanz.
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Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Stellungnahme. Beide Beschwerdegegner beantragen in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdegegner I verlangt zudem die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen:
 
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a. die Voraussetzungen für die bedingte Freiheitsstrafe (Art. 42) erfüllt sind; und
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b. das Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten an der Strafverfolgung gering sind.
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Es stellt sich die Frage, wie der Strafbefreiungsgrund der Wiedergutmachung gemäss Art. 53 StGB im Gerichtsverfahren prozessual zu behandeln ist, ob auch hier eine Einstellung erfolgen kann oder ob bloss eine Strafbefreiung (neben einem Schuldspruch) möglich ist.
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2.2 Der Vierte Abschnitt des Dritten Titels (Strafen und Massnahmen) und des Ersten Kapitels (Strafen) des Strafgesetzbuches ist unterteilt in die Strafbefreiung einerseits und die Einstellung des Verfahrens andererseits. Zur Strafbefreiung zählen das fehlende Strafbedürfnis (Art. 52 StGB), die Wiedergutmachung (Art. 53 StGB) BGE 135 IV, 27 (30)und die Betroffenheit des Täters durch seine Tat (Art. 54 StGB). Die Einstellung des Verfahrens (Art. 55a StGB) ist - bei hier nicht zu diskutierenden Voraussetzungen - in allen Verfahrensstadien möglich, wenn ein Ehegatte, eine eingetragene Partnerin, ein eingetragener Partner oder Lebenspartner Opfer ist. Der Gesetzgeber unterscheidet demnach zwischen Strafbefreiung einerseits und Einstellung andererseits. Die in Art. 55a StGB geschaffene Möglichkeit einer Einstellung in allen Verfahrensstadien ist deshalb sinnvoll, weil in Fällen von häuslicher Gewalt die Offizialisierung abgeschwächt und deshalb das Verfahren immer eingestellt werden soll, wenn das Opfer eines Deliktes im sozialen Nahraum die Durchführung eines Strafverfahrens nicht wünscht und ein Eingriff in den partnerschaftlichen Bereich möglichst vermieden werden soll (RIEDO/SAURER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 34 zu Art. 55 StGB).
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2.3 Der Regelung von Art. 53 StGB liegt der Gedanke zu Grunde, dass selbst bei voller Wiedergutmachung das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung nicht zwingend entfallen muss (vgl. BGE 135 IV 12 E. 3). Unter dem Randnotentitel "1. Gründe für die Strafbefreiung/Wiedergutmachung" bestimmt Art. 53 StGB, dass die zuständige Behörde bei gedecktem Schaden oder hinreichenden Unrechtsausgleichsbemühungen von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung absieht. Je nach Verfahrensstadium zeitigt eine Wiedergutmachung somit unterschiedliche Wirkung. Wird das bewirkte Unrecht umgehend ausgeglichen, kann die Untersuchungsbehörde von einer Strafverfolgung absehen. Ist die Strafverfolgung bereits im Gang, so kann die zuständige Behörde (Staatsanwaltschaft) das Verfahren einstellen oder von einer Überweisung an das Gericht absehen. Sind die Voraussetzungen der Wiedergutmachung schliesslich erst im Gerichtsverfahren gegeben, steht dem Gericht als zuständiger Behörde nur noch der Schuldspruch bei gleichzeitigem Strafverzicht offen (FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 18 und 24-29 vor Art. 52 f. StGB; FELIX BOMMER, Bemerkungen zur Wiedergutmachung, forumpoenale 3/2008 S. 175-177; SILVAN FLÜCKIGER, Art. 66bis StGB/Art. 54 f. StGBneu - Betroffenheit durch Tatfolgen, Straftatfolgen als Einstellungsgrund und Strafersatz? 2006, S. 79; a.M. SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafrecht II, 8. Aufl. 2007, S. 68; JOSITSCH, Strafbefreiung gemäss Art. 52 ff. StGBneu und prozessrechtliche Umsetzung, SJZ 100/2004 S. 9).
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BGE 135 IV, 27 (31)Die unterschiedlichen Rechtsfolgen in den verschieden Verfahrensstadien sind vom Gesetzgeber gewollt. Nur bei ganz offensichtlichen Fällen soll bereits den Untersuchungsbehörden die Möglichkeit gegeben werden, ein Verfahren gar nicht an die Hand zu nehmen und gegebenenfalls einzustellen, um ein langes und aufwändiges Verfahren zu vermeiden, das einerseits für die Betroffenen eine Belastung darstellen kann und andererseits dem Grundsatz der Prozessökonomie zuwiderlaufen würde. Im Gerichtsverfahren andererseits wäre eine reine Wiedergutmachung ohne jede strafrechtliche Komponente der Strafe unterlegen. Die wesentlichen Abschreckungselemente des Strafrechts bleiben nur erhalten, wenn man die Strafdrohung, die staatliche Strafverfolgung, das Strafverfahren und den strafrechtlichen Schuldspruch neben der Wiedergutmachung beibehält (vgl. HEINZ SCHÖCH, Empfehlen sich Anmerkungen oder Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen, ohne Freiheitsentzug, Gutachten C am 59. deutschen Juristentag, München 1992 zum Allgemeinen Entwurf zur Wiedergutmachung C 64). Mit dieser Differenzierung schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, dem Einzelfall gerecht zu werden und dem Grundsatz besser zu genügen, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. September 1996 zu aArt. 66bis StGB, in: ZR 96/1997 Nr. 59 S. 153, vom Bundesgericht bestätigt: Urteil 6S.4/1997 vom 4. Februar 1997).
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2.4 Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass die Vorinstanz Art. 53 StGB verletzt hat, als sie von der Vereinbarung zwischen den Beschwerdegegnern bloss Vormerk nahm und den Strafprozess als erledigt abschrieb. Eine Einstellung aufgrund Wiedergutmachung ist nach dem Ausgeführten im Gerichtsverfahren von Bundesrechts wegen ausgeschlossen. Abweichendes kantonales Strafprozessrecht ist insoweit unbeachtlich (Art. 49 Abs. 1 BV). Bei der erneuten Befassung wird die Vorinstanz bei gegebenen Tatbestandsvoraussetzungen einen Schuldspruch auszufällen haben. Dabei wird sie sich in Bezug auf die Vorwürfe gegen den Beschwerdegegner I vorab auch mit der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage des Strafantragsrückzugs auseinandersetzen müssen. Sofern die von der Beschwerdeführerin vorliegend bestrittenen Voraussetzungen der Wiedergutmachung nach Art. 53 StGB (bedingter Strafvollzug; öffentliches Interesse an der Strafverfolgung) gegeben sind, wird sie von einer Bestrafung abzusehen haben.
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