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Informationen zum Dokument  BGE 137 IV 333  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitgegenstand bildet die Zulässigkeit der Sicherheitsh ...
Erwägung 2.2
Erwägung 2.3
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48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
1B_378/2011 vom 15. August 2011
 
 
Regeste
 
Sicherheitshaft im Verfahren betreffend nachträgliche Anordnung der Verwahrung (Art. 65 Abs. 2 StGB).  
Voraussetzungen sind die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Verwahrung und das Vorliegen eines besonderen Haftgrunds im Sinne von Art. 221 StPO (E. 2.3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 137 IV, 333 (334)A. Mit Urteil vom 18./19. September 2008 verurteilte das Amtsgericht Olten-Gösgen X. unter anderem wegen versuchten qualifizierten Raubes (Qualifikationsgrund der besonderen Gefährlichkeit) und einfacher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten und einer Busse von Fr. 100.-, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von einem Tag; überdies ordnete es eine ambulante psychotherapeutische Behandlung an.
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Während des Strafvollzugs gab das Amt für Justizvollzug des Kantons Solothurn, Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug, bei den Psychiatrischen Diensten des Kantons Solothurn, Fachbereich Forensik, ein forensisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag, welches seit dem 13. Januar 2010 vorliegt. Gemäss Gutachten leidet X. an einer schweren psychischen Störung, wobei von einer geringen bis gar nicht vorhandenen Behandelbarkeit bei hoher Rückfallgefahr für gefährliche Delikte auszugehen ist. Unter Verweis auf diese gutachterlichen Ergebnisse gelangte das Amt für Justizvollzug am 5. März 2010 ans Amtsgericht Olten-Gösgen und stellte den Antrag, es sei bei X. nachträglich eine stationäre therapeutische Behandlung oder eine Verwahrung anzuordnen. Das Amtsgericht eröffnete ein Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion und stellte mit Verfügung vom 7. September 2010 fest, die Zuständigkeit zur Beurteilung des Antrags auf Verwahrung liege beim Obergericht des Kantons Solothurn.
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B. Mit Verfügung vom 13. September 2010 hielt die Strafkammer des Obergerichts fest, es werde ein Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB durchgeführt. Mit Urteil vom 15. Dezember 2010 kam die Strafkammer des Obergerichts zum Schluss, es liege ein Fall vor, in welchem die an sich zulässige Anordnung einer Verwahrung unterblieben sei und sich der Verurteilte während des Strafvollzugs als hochgefährlich erwiesen habe. Das Obergericht hob die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Olten-Gösgen vom 18./19. September 2008 insofern auf, als dass nachträglich die Verwahrung angeordnet werden könne, und wies die Sache zur Weiterführung des Verfahrens betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion ans Amtsgericht zurück. Gleichzeitig ordnete das Obergericht an, X. sei ab dem Datum der Entlassung aus dem Strafvollzug, das heisst ab dem 8. Juli 2011, in Sicherheitshaft zu versetzen.
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BGE 137 IV, 333 (335)Auf die von X. gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde in Strafsachen trat das Bundesgericht mit Urteil 6B_52/2011 vom 9. März 2011 nicht ein.
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C. Im Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen beantragte X. die Einholung eines forensisch-psychiatrischen Zweitgutachtens und stellte ein Haftentlassungsgesuch. Mit Verfügung vom 7. Juni 2011 bewilligte das Amtsgericht den Antrag auf Zweitbegutachtung. Das Haftentlassungsgesuch überwies es dem Haftgericht des Kantons Solothurn zur Behandlung.
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Mit Entscheid vom 14. Juni 2011 wies das Haftgericht das Haftentlassungsgesuch von X. ab. (...)
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Gegen diesen Entscheid erhob X. am 26. Juni 2011 Beschwerde ans Obergericht des Kantons Solothurn. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 6. Juli 2011 ab.
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D. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 20. Juli 2011 beantragt X., das Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihn sofort aus der Sicherheitshaft zu entlassen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
 
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2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seit dem 8. Juli 2011 seine Haftstrafe von insgesamt 30 Monaten vollständig verbüsst. Um Sicherheitshaft im Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion anordnen zu können, bedürfe es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Entscheid Borer gegen Schweiz vom 10. Juni 2010) einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. In der Schweizerischen Strafprozessordnung aber fehle eine Bestimmung, welche es erlaube, ihn über den beendeten ordentlichen Strafvollzug hinaus in Haft zu belassen. Da nicht die Beurteilung einer neuen Straftat in Frage stehe, könnten insbesondere die Art. 221 und 229 f. StPO nicht herangezogen werden. Im Übrigen sei gemäss BGE 136 IV 156 eine Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme BGE 137 IV, 333 (336)nach vollständiger Verbüssung der Strafe nur in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips zulässig. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt.
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Erwägung 2.2
 
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Die Strafkammer des Obergerichts hat diese Voraussetzungen mit Urteil vom 15. Dezember 2010 bejaht (vgl. Sachverhalt lit. B hiervor) und ausgeführt, bei Kenntnis aller Umstände hätte das Amtsgericht Olten-Gösgen im Urteil vom 18./19. September 2008 entweder eine stationäre Massnahme nach Art. 59 Abs. 3 StGB oder die Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB angeordnet; eine Entlassung nach dem Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe wäre nicht denkbar gewesen. Das Obergericht hob deshalb die Rechtskraft des Urteils vom 18./19. September 2008 insofern auf, als dass nachträglich die Verwahrung angeordnet werden könne, und wies die Sache zur Weiterführung des Verfahrens betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion ans Amtsgericht zurück.
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Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer aus dem von ihm angeführten Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Borer gegen Schweiz vom 10. Juni 2010. Dieser Entscheid betrifft nicht die damals noch nicht in Kraft stehende BGE 137 IV, 333 (337)Schweizerische Strafprozessordnung, sondern die bisherige Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt, welche terminologisch nicht zwischen Untersuchungs- und Sicherheitshaft unterschied.
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Erwägung 2.3
 
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Wird die Sicherheitshaft im Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion angeordnet, so entfällt die Prüfung des dringenden Tatverdachts, da eine rechtskräftige Verurteilung bereits vorliegt. Hingegen bedarf es für die Anordnung und die Weiterführung von Sicherheitshaft einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren zu einer Massnahme führt, welche die Sicherstellung des Betroffenen erfordert.
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Zu prüfen ist folglich, ob die Anordnung einer stationären Massnahme oder einer Verwahrung als wahrscheinlich erscheint und ob ein besonderer Haftgrund besteht.
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2.3.2 Gemäss dem forensisch-psychiatrischen Gutachten der Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler AG vom 13. Januar 2010 leidet X. an einer schweren psychischen Störung, wobei von einer geringen bis gar nicht vorhandenen Behandelbarkeit bei hoher Rückfallgefahr für gefährliche Delikte auszugehen ist. Gestützt auf diese Beurteilung ist zum jetzigen Zeitpunkt, in welchem das in Auftrag gegebene Zweitgutachten noch nicht vorliegt, mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass im erstinstanzlichen Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion eine stationäre Massnahme oder gar eine Verwahrung ausgesprochen wird. Eine solche Änderung der Sanktion ist in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebots grundsätzlich auch dann zulässig, wenn kein Strafrest zum Vollzug ansteht (BGE 136 IV 156 E. 2-4). Ob diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, ist nicht im Haftprüfungsverfahren, sondern im Verfahren betreffend nachträgliche Änderung der Sanktion abschliessend zu beurteilen.
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BGE 137 IV, 333 (338)2.3.3 Der besondere Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO ist zu bejahen, was vom Beschwerdeführer auch nicht substanziiert bestritten wird. Nach der Einschätzung im forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 13. Januar 2010 fällt die Legalprognose des Beschwerdeführers sehr ungünstig aus, das heisst, dieser würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach der Entlassung erneut vornehmlich Eigentums-, Betäubungsmittel- und Strassenverkehrsdelikte begehen. Gemäss Gutachten ist zudem angesichts der hohen und in den letzten Jahren noch erkennbar gestiegenen Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers auch das Risiko, dass dieser Gewalt- oder Sexualdelikte verüben könnte, erhöht. Demzufolge drohen bei einer Freilassung des Beschwerdeführers schwere Vergehen oder Verbrechen. Erfüllt ist auch das sogenannte Vortatenerfordernis, wurde der Beschwerdeführer doch vom Amtsgericht Olten-Gösgen mit Urteil vom 18./19. September 2008 unter anderem wegen versuchten qualifizierten Raubes (Qualifikationsgrund der besonderen Gefährlichkeit) und einfacher Körperverletzung verurteilt.
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