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17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_126/2014 vom 16. Mai 2014 | |
Regeste |
Art. 67a IRSG, Art. 46 UNCAC; unaufgeforderte Übermittlung von Informationen. | |
Sachverhalt | |
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Die Staatsanwaltschaft Zürich erstreckte die Frist in der Folge bis am 1. Oktober 2012. Am 18. Oktober 2012 erliess sie eine Nichtanhandnahmeverfügung. Zur Begründung führte sie aus, dass trotz der Fristverlängerung noch kein Rechtshilfeersuchen eingegangen sei und dass sich mangels Informationen über den Hintergrund der gemeldeten Transaktionen die deliktische Herkunft der in der Schweiz verwalteten Vermögenswerte nicht beweisen lasse. Daher falle auch Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) als Nachtat ausser Betracht. Bezüglich des Tatbestands der Geldwäscherei fehle zudem die Zuständigkeit, da die Kontoeröffnung und die Anordnung der Transfers von Curaçao aus, im Auftrag des in Bogotá wohnhaften wirtschaftlichen Berechtigten D., erfolgt sei. Die Untersuchung sei deshalb nicht anhand zu nehmen, wobei eine spätere Eröffnung bzw. Bearbeitung im Rahmen des Rechtshilfevollzugs vorbehalten bleibe.
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Zwei Tage zuvor, am 16. Oktober 2012, hatte die kolumbianische Botschaft den Schweizer Behörden ein Rechtshilfeersuchen der ![]() | 3 |
Mit Eintretensverfügung vom 22. März 2013 entsprach die Staatsanwaltschaft Zürich dem Rechtshilfeersuchen und wies die CS AG an, sämtliche Bankdokumente (namentlich Eröffnungsunterlagen, Konto- und Depotauszüge, Korrespondenzen, interne Aktennotizen, Kundengeschichte sowie Einzelbelege zu Ein- und Ausgängen) der erwähnten Geschäftsbeziehungen zu edieren. Mit Schreiben vom 5. April 2013 kam die CS AG der Anordnung nach. Dabei wies sie darauf hin, dass die Bankbeziehung unter der Stammnummer x-5 nicht auf D. laute, sondern auf die Stiftung C. Mit ergänzender Editionsverfügung vom 12. April 2013 ersuchte die Staatsanwaltschaft Zürich die CS AG um Zustellung von Detailbelegen zu sechs spezifischen Transaktionen, welche die CS AG ebenfalls aufforderungsgemäss herausgab.
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Am 13. Mai 2013 erliess die Staatsanwaltschaft Zürich die Schlussverfügung. Sie ordnete die rechtshilfeweise Herausgabe der edierten Bankunterlagen zu Konto Nr. y-92 (lautend auf A.) und Konto Nr. x-52 (lautend auf die Stiftung C.) an.
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Gegen die Schlussverfügung erhoben A., B. und die Stiftung C. Beschwerde ans Bundesstrafgericht. Mit Entscheid vom 25. Februar 2014 wies dieses das Rechtsmittel ab.
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B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 10. März 2014 beantragen A., B. und die Stiftung C., der Entscheid des Bundesstrafgerichts und die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich seien aufzuheben und das Gesuch um Rechtshilfe sei abzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
2. Kolumbien und die Schweiz sind Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption (SR 0.311.56; nachfolgend: UNCAC). Dieses enthält in ![]() | 10 |
Art. 46 UNCAC hat die Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten zum Gegenstand. Danach leisten diese einander so weit wie möglich Rechtshilfe bei Ermittlungen, Strafverfolgungsmassnahmen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Straftaten nach dem Übereinkommen (Abs. 1). Um Rechtshilfe kann unter anderem zum Zweck der Überlassung von Informationen und Beweismitteln ersucht werden (Abs. 3 lit. e). Art. 46 UNCAC regelt weiter die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen ohne vorheriges Ersuchen (Abs. 4 und 5) sowie die beidseitige Strafbarkeit (Abs. 9) und zählt die erforderlichen Angaben eines Rechtshilfeersuchens (Abs. 15 und 16) sowie mögliche Rechtshilfeverweigerungsgründe (Abs. 21) auf.
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Das Rechtshilfegesetz (IRSG; SR 351.1) und die Rechtshilfeverordnung (IRSV; SR 351.11) sind anwendbar, wenn die UNCAC zu ei-ner Frage keine Regelung enthält (Art. 1 Abs. 1 Ingress IRSG) oder das innerstaatliche Recht vorbehält. Sie sind ebenfalls anwendbar, wenn das innerstaatliche Recht für die Rechtshilfe günstiger ist (BGE 136 IV 82 E. 3.1 S. 84 mit Hinweisen).
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(...)
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Erwägung 5 | |
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Art. 46 UNCAC - Rechtshilfe
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(...)
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4. Unbeschadet des innerstaatlichen Rechts können die zuständigen Behörden eines Vertragsstaats einer zuständigen Behörde in einem anderen Vertragsstaat ohne vorheriges Ersuchen Informationen im ![]() | 18 |
5. Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 4 erfolgt unbeschadet der Ermittlungen und des Strafverfahrens in dem Staat, dessen zuständige Behörden die Informationen bereitstellen.
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(...)
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Art. 67a IRSG - Unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen
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1 Eine Strafverfolgungsbehörde kann Beweismittel, die sie für ihre eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde übermitteln, wenn diese Übermittlung aus ihrer Sicht geeignet ist:
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a. ein Strafverfahren einzuleiten; oder
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b. eine hängige Strafuntersuchung zu erleichtern.
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2 Die Übermittlung nach Absatz 1 hat keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren.
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3 Die Übermittlung von Beweismitteln an einen Staat, mit dem keine staatsvertragliche Vereinbarung besteht, bedarf der Zustimmung des Bundesamtes.
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4 Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beweismittel, die den Geheimbereich betreffen.
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5 Informationen, die den Geheimbereich betreffen, können übermittelt werden, wenn sie geeignet sind, dem ausländischen Staat zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen.
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6 Jede unaufgeforderte Übermittlung ist in einem Protokoll festzuhalten.
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Art. 46 Abs. 4 UNCAC begünstigt die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen. Diese ist jedoch nach dem Wortlaut in jedem Fall fakultativ. Zudem wird das Landesrecht mit der Formulierung "[u]nbeschadet des innerstaatlichen Rechts" (in der gemäss Art. 71 Abs. 2 UNCAC verbindlichen französischen Version: "[s]ans préjudice du droit interne") vorbehalten. Aus den Materialien ergeben sich keine Hinweise darauf, dass damit nur für die Rechtshilfe günstigere innerstaatliche Vorschriften gemeint wären. Dies widerspräche dem Wortlaut, der sich auf sämtliches Landesrecht bezieht (so hinsichtlich der analogen Bestimmung von Art. 18 Abs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität [SR 0.311.54] die Botschaft vom ![]() | 30 |
Im Folgenden ist somit zu untersuchen, ob die unaufgeforderte Übermittlung an die kolumbianischen Strafverfolgungsbehörden nach der in Art. 46 Abs. 4 UNCAC vorbehaltenen Regelung von Art. 67a IRSG angesichts der späteren Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich rechtmässig war.
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5.3 Das Bundesstrafgericht hat sich in seinem Entscheid RR.2012.311 vom 11. Juli 2013 (welcher mithin nach der hier zur Diskussion stehenden Schlussverfügung vom 13. Mai 2013 erging) einlässlich mit der Problematik auseinandergesetzt. Es hielt fest, nur wenn ein nach schweizerischer Beurteilung genügender Verdacht vorliege, könne angenommen werden, dass die informierte ausländische Behörde ebenfalls ein Strafverfahren einleiten könnte. Das Gleiche müsse auch für Informationen und/oder Beweismittel gelten, die zur Erleichterung eines ausländischen Strafverfahrens weitergeleitet werden sollten (Art. 67a Abs. 1 lit. a und b IRSG). Bereits daraus ergebe sich die klare Absicht des Gesetzgebers, die unaufgeforderte Übermittlung nur nach Eröffnung einer Strafuntersuchung zuzulassen. Eine restriktive Handhabung von Art. 67a IRSG sei auch deshalb angezeigt, weil es sich um einen Rechtfertigungsgrund nach Art. 14 StGB handle. In Fällen, wo ein Straftatbestand oder eine Prozessvoraussetzung nach Schweizer Recht eindeutig nicht erfüllt sei und daher auch keine Strafuntersuchung gegen die betroffene Person eröffnet werden könne (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO), dürften weder Beweismittel noch Informationen gestützt auf Art. 67a IRSG an ausländische Behörden herausgegeben werden. Liege ein schweizerisches Strafverfolgungsinteresse offensichtlich nicht vor, so sei es unverhältnismässig, zwecks ![]() | 32 |
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Ein anderer Teil der Literatur ist der Ansicht, dass Art. 67a IRSG bereits vor der Eröffnung einer Strafuntersuchung anwendbar ist (PAOLO BERNASCONI, Förderung der internationalen Zusammenarbeit dank der schweizerischen Normen zur Bekämpfung der Geldwäscherei, Automatic Paper and Assets Tracing, in: Strafrecht und Wirtschaftsrecht, Köln 2008, S. 1480 f.; THIERRY AMY, Entraide administrative internationale en matière bancaire, boursière et financière, 1998, S. 492). BERNASCONI geht für den Bereich der Geldwäschereibekämpfung davon aus, dass die mit einer Mitteilung der Meldestelle für Geldwäscherei befasste schweizerische Strafbehörde direkt zu einer unaufgeforderten Übermittlung nach Art. 67a IRSG schreiten kann (a.a.O.).
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HAFFTER verlangt, ohne ausdrücklich auf die Frage der Eröffnung einer Strafuntersuchung einzugehen, dass an den erforderlichen Tatverdacht hohe Anforderungen zu stellen seien, habe der Gesetzgeber die spontane Rechtshilfe doch restriktiv und insbesondere im Kampf gegen die internationale organisierte Wirtschaftskriminalität eingesetzt wissen wollen (ANDREAS HAFFTER, Internationale Zusammenarbeit in ![]() | 35 |
Erwägung 5.5 | |
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5.5.2 Das Bestreben des Gesetzgebers, den Informationsfluss ans Ausland zu regulieren, spiegelt sich in den zitierten Literaturmeinungen, wonach ein schweizerisches Strafverfahren nicht quasi als Vorwand für die unaufgeforderte Übermittlung eingeleitet werden dürfe (ZIMMERMANN, a.a.O.) und Beweismittel aus sogenannten fishing expeditions nicht zu übermitteln seien (EYMANN, a.a.O.). Den beiden Autoren zufolge ist demnach zu verhindern, dass das schweizerische Strafverfahren vorgeschoben und sein Zweck umgangen wird. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Gleichzeitig ist jedoch festzuhalten, dass bei der unaufgeforderten Übermittlung von Informationen das schweizerische Strafverfolgungsinteresse nicht im Vordergrund steht. Ihr Hauptzweck ist es, die Einleitung oder den Fortschritt eines ausländischen Strafverfahrens zu befördern (BGE 125 II 238 E. 4b S. 244). ![]() | 37 |
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Daraus folgt, dass ein Rechtshilfeverfahren und ein allfälliges auf denselben Sachverhalt gestütztes schweizerisches Strafverfahren im Grundsatz voneinander unabhängig sind. Dies ist im Übrigen auch die Hauptaussage von Art. 67a Abs. 2 IRSG, wonach die unaufgeforderte Übermittlung keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren hat (vgl. LAURENT MOREILLON UND ANDERE, Commentaire romand, Entraide internationale en matière pénale, 2004, N. 8 zu Art. 67a IRSG). Vorliegend bildet einzig das Rechtshilfeverfahren Prozessgegenstand. Es ist dagegen nicht zu beurteilen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen hat.
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Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Meldung der CS AG an die Meldestelle für Geldwäscherei. Die Meldestelle ihrerseits benachrichtigte die Staatsanwaltschaft Zürich, wozu sie rechtlich ![]() | 41 |
5.5.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft Zürich durch die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen Art. 67a IRSG nicht verletzt hat. Eine sich an Sinn und Zweck orientierende Auslegung dieser Bestimmung ergibt, dass die darin enthaltenen Hinweise auf eine Strafuntersuchung bzw. ein Strafverfahren in der Schweiz nicht generell im Sinne einer unabdingbaren Voraussetzung für die unaufgeforderte Übermittlung zu verstehen sind. Entscheidend ist nach dem Ausgeführten insbesondere, dass die Staatsanwaltschaft Zürich aufgrund einer gesetzlichen Meldepflicht rechtmässig mit der Sache befasst war und von einem hinreichenden Tatverdacht ausgehen durfte. Die Informationen waren zudem geeignet, Kolumbien zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen (Art. 67a Abs. 5 IRSG). Ob die Staatsanwaltschaft gestützt auf die betreffenden Angaben gehalten gewesen wäre, eine Untersuchung zu eröffnen, ist nach dem Ausgeführten nicht zu beurteilen. Die Rüge der Beschwerdeführer, aufgrund der Nichtanhandnahmeverfügung sei die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen an die kolumbianischen Strafverfolgungsbehörden und eine darauf gestützte Rechtshilfe gesetzeswidrig, ist unbegründet.
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