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6. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_227/2014 vom 11. Februar 2015 | |
Regeste |
Aufhebung und Änderung stationärer Massnahmen, Rechtsweg; Art. 62c Abs. 1 lit. a und Abs. 4 StGB. | |
Sachverhalt | |
1 | |
Das (damalige) Bezirksgericht Oberrheintal verurteilte X. am 15. Mai 2001 erneut wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher sexueller Belästigung sowie mehrfacher Pornographie zu zwei Jahren Gefängnis. Gleichzeitig ordnete es eine ambulante Massnahme an.
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Das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen (heute Justiz- und Sicherheitsdepartement [SJD]) widerrief am 2. Oktober 2001 die bedingte Entlassung vom 24. Februar 2000 und ordnete den Vollzug des noch nicht verbüssten Strafrests an. Am 20. August 2002 wies es ein Gesuch von X. um bedingte Entlassung ab, stellte den Vollzug der ambulanten Massnahme ein und beantragte dem (damaligen) Bezirksgericht Oberrheintal, X. zu verwahren. Dieses ordnete am 27. Mai 2003 die Verwahrung gestützt auf aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB an. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wurden abgewiesen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.110/2005 / 6S.325/2005 vom 20. Dezember 2005).
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Als Folge der Revision des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs ordnete das Kreisgericht Rheintal am 26. Juni 2007 anstelle der altrechtlichen Verwahrung eine (neurechtliche) stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB an.
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Gegen den Aufhebungsentscheid des SJD legte X. bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen Beschwerde ein. Diese sistierte das Beschwerdeverfahren am 18. April 2012 bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids über die beim Kreisgericht Rheintal beantragte Verwahrung.
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Mit Entscheid vom 30. Mai 2012 hob das Kreisgericht Rheintal die stationäre therapeutische Massnahme auf und ordnete die nachträgliche Verwahrung von X. gestützt auf Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 StGB an.
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Das Kantonsgericht St. Gallen bestätigte am 13. November 2013 die nachträgliche Anordnung der Verwahrung, hob den kreisgerichtlichen Entscheid aber insofern auf, als damit die stationäre therapeutische Massnahme aufgehoben worden war.
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C. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragte X., es seien das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 13. November 2013 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Kreisgericht Rheintal zurückzuweisen mit der verbindlichen Anweisung, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Beschwerdeverfahrens bei der Anklagekammer zu sistieren. Eventuell sei in Abänderung des Urteils des Kantonsgerichts St. Gallen die angeordnete Verwahrung aufzuheben und stattdessen die stationäre therapeutische Massnahme fortzuführen.
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D. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt am 13. Oktober 2014, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Kantonsgericht St. Gallen schliesst am 23. Oktober 2014 auf Abweisung der Beschwerde. X. repliziert am 20. November 2014.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Massnahmen gemäss Art. 59 StGB sind im Gegensatz zu Strafen zeitlich nicht absolut limitiert. Ihre Dauer hängt vom Behandlungsbedürfnis des Betroffenen und der Erfolgsaussicht der Massnahme ab (Art. 56 Abs. 1 lit. b StGB), letztlich also von den Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten (vgl. BGE 136 IV 156 E. 2.3). Entsprechend sind Massnahmen nach Art. 59 StGB während des Vollzugs regelmässig auf ihre weitere Erforderlichkeit ![]() | 12 |
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2.5 Nach rechtskräftiger Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme hat das in der Sache zuständige Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde über die Rechtsfolgen zu befinden. Es besteht damit Raum für eine Umwandlung der ursprünglich angeordneten ![]() | 16 |
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Erwägung 3 | |
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3.3 Zwar trifft es durchaus zu, dass das Sachgericht, welches über die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB) entscheidet, grundsätzlich auch für die nachträgliche Anordnung einer Verwahrung nach Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB zuständig ist. Die Ausführungen der Vorinstanz sind insofern nicht zu beanstanden. Wie der Beschwerdeführer indessen richtig erkennt, darf dieser Umstand nicht dazu verleiten, dem Verfahren zur Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Massnahme vorzugreifen. Würde im Vollzugsverfahren darauf erkannt, dass die stationäre therapeutische Behandlung (doch) nicht aussichtslos und die Massnahme demzufolge nicht aufzuheben ist, könnte das zuständige Sachgericht die Massnahme bei gegebenen Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 4 StGB zwar verlängern, die Entscheidgrundlage für eine nachträgliche Verwahrung im Sinne von Art. 62c Abs. 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 StGB wäre ihm jedoch entzogen. Die ![]() | 20 |
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