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23. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern gegen X. (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_398/2014 vom 30. April 2015 | |
Regeste |
Art. 323 Abs. 1 und Art. 310 Abs. 2 StPO; neue Tatsachen und Beweismittel; Verfahrenswiederaufnahme nach Einstellung und Nichtanhandnahme. | |
Sachverhalt | |
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B. Am 25. Februar 2014 ging bei der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland der Bericht des Kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei Bern vom 19. Februar 2014 ein, wonach auf dem am Tatort an der D.-Strasse in C. gefundenen mutmasslichen Einbruchswerkzeug, einem Fugenkratzer, eine DNA-Spur von X. erhoben werden konnte. Gleichentags nahm die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland das Verfahren gegen X. wegen des versuchten Einbruchdiebstahls vom 23. Dezember 2013 an der D.-Strasse in C. wieder auf und dehnte die Untersuchung auf die Straftatbestände des versuchten Diebstahls und der Sachbeschädigung aus.
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C. Das Obergericht des Kantons Bern hiess am 8. April 2014 die Beschwerde von X. gegen die Wiederaufnahmeverfügung gut und hob die Verfügung der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland vom 25. Februar 2014 auf.
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D. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. April 2014 sei aufzuheben. Es sei die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen und dieses sei zur Fortsetzung an die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Oberland, zu überweisen. Eventuell sei das Verfahren zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die Erhebung von Kosten sei zu verzichten.
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E. X. ist unbekannten Aufenthaltes. Gemäss Bekanntmachung im Bundesblatt vom 24. März 2015 wurde ihm eine Frist von 10 Tagen ab der Publikation angesetzt, um zur Beschwerde Gegenbemerkungen einzureichen. Die Frist verstrich ungenützt. Das Obergericht des Kantons Bern verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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F. Das Bundesgericht hat das Urteil öffentlich beraten (Art. 58 Abs. 1 BGG).
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, zum Zeitpunkt der Nichtanhandnahme am 6. Februar 2014 habe aus staatsanwaltschaftlicher Sicht höchstens die vage Vermutung bestanden, dass der ![]() | 7 |
Aus den Anzeigenrapporten vom 24. Dezember 2013 und 5. Januar 2014 sei nicht ersichtlich gewesen, dass sich auf dem Fugenkratzer eine biologische Spur befunden habe. Sie und nicht etwa der Fugenkratzer würde ein neues Beweismittel darstellen. Die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland habe am 6. Februar 2014, rund sieben Wochen nach der Sicherstellung des Spurenmaterials, nicht mehr mit einem DNA-Fund rechnen müssen. Vielmehr habe sie darauf vertrauen dürfen, dass die Auswertung aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen Haftfall gehandelt habe, rasch vorgenommen werde. Eine Nachfrage beim KTD hätte zu keinem anderen Resultat geführt, da auch dem KTD der DNA-Treffer zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei. Der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland könne keine ungenügende Sorgfalt oder gar ein bewusster Verzicht auf die Einbringung eines Beweismittels vorgeworfen werden. Das neue Beweismittel führe mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Beurteilung der für die Nichtanhandnahme massgebenden Umstände, weshalb die Verfahrenswiederaufnahme zu bewilligen sei.
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2.2 Die Vorinstanz erwägt, es sei bereits bei Erlass der Nichtanhandnahmeverfügung aktenkundig gewesen, dass das mutmassliche Einbruchswerkzeug am Tatort sichergestellt und dem KTD zur Auswertung übergeben worden sei. Auch wenn die Sicherstellung zuhanden des KTD dem üblichen Vorgehen entspreche und die Staatsanwaltschaft daraus nicht zwingend auf die tatsächliche Existenz einer ![]() | 9 |
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Beweismittel sind neu, wenn sie zum Zeitpunkt der Nichtanhandnahme unbekannt waren. Entscheidend ist dabei, ob entsprechende Hinweise in den Akten vorhanden waren oder nicht (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1274 Ziff. 2.6.4.1). Aus dem Offizial- und Legalitätsprinzip folgt, dass die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme nur verfügen darf, wenn sie die sich aufgrund der Akten anbietenden Beweise abgenommen und bezüglich des Beweisthemas ausgeschöpft hat (NIKLAUS SCHMID, Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach Nichtanhandnahme oder Einstellung des Strafverfahrens, in: ZStrR 1991 S. 251 ff., S. 264). Beweismittel, die zwar im eingestellten Verfahren genannt oder sogar abgenommen, aber nicht bezüglich des ganzen Beweisthemas ausgeschöpft wurden, sind demnach nicht als neu zu betrachten. Umgekehrt kann nicht verlangt werden, eine Tatsache oder ein Beweismittel nur als neu anzusehen, wenn sie oder es der Staatsanwaltschaft im ersten Verfahren auch bei Anwendung der ![]() | 11 |
Aufgrund des Verweises in Art. 310 Abs. 2 StPO findet Art. 323 StPO auch auf die Wiederaufnahme eines durch Nichtanhandnahme erledigten Strafverfahrens Anwendung (vgl. auch Art. 11 Abs. 2 StPO). An die Wiederaufnahme sind in diesem Fall jedoch noch geringere Voraussetzungen geknüpft als an die Wiederaufnahme nach einer Einstellung (Urteil 6B_1015/2013 vom 8. April 2014 E. 5.1 mit Hinweisen).
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2.4 Bereits zu Beginn des Strafverfahrens bestand gegen den Beschwerdegegner bezüglich des Einbruchsversuchs an der D.-Strasse aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe zu den übrigen Tatorten in der Region C. ein vager Tatverdacht. Abgesehen von den erwähnten Umständen lagen jedoch im Zeitpunkt der Nichtanhandnahme keine konkreten Beweise vor, welche den Tatverdacht gegen den Beschwerdegegner erhärtet und eine Verurteilung möglich gemacht hätten. In den Anzeigerapporten der Berner Kantonspolizei vom 24. Dezember 2013 und 5. Januar 2014 wurde zwar festgehalten, dass am Tatort ein Tatwerkzeug sichergestellt und dem KTD zur Auswertung übergeben wurde. Es bestand damit die theoretische Möglichkeit eines Spurenfundes. Die Mitteilung des DNA- Treffers, welcher die bisher fehlende Verbindung zwischen dem Beschwerdegegner und dem mutmasslichen Einbruchswerkzeug herstellt, erfolgte jedoch erst am 25. Februar 2014 und somit rund 20 Tage nach der Nichtanhandnahme. Damit steht fest, dass der Spurenfund der Staatsanwaltschaft bei Erlass der Nichtanhandnahmeverfügung nicht bekannt war. Das Beweismittel ergab sich auch nicht aus den bisherigen Akten, bestand doch lediglich eine theoretische Möglichkeit eines Spurenfundes. Der Staatsanwaltschaft kann unter ![]() | 13 |
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