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27. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. und Y. gegen Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_610/2016 vom 13. April 2017 | |
Regeste |
Rassendiskriminierung (Aufruf zu Hass oder Diskriminierung, Art. 261bis Abs. 1 StGB; Herabsetzung oder Diskriminierung, Art. 261bis Abs. 4 erster Teilsatz StGB). | |
Sachverhalt | |
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Das Inserat gestaltete sich wie folgt: Am oberen Rand des Inserats stand in kleingedruckten Buchstaben: "Das sind die Folgen der unkontrollierten Masseneinwanderung:" Darunter stand in grossgedruckten weissen Buchstaben auf schwarzem Grund gleichsam als Schlagzeile: "Kosovaren schlitzen Schweizer auf!" Daneben stand in kleingedruckten Buchstaben auf gelbem Feld: "Wer das nicht will, unterschreibt jetzt die Volksinitiative 'Masseneinwanderung stoppen!'" Unter der Schlagzeile enthielt das Inserat linksseitig eine Zeichnung. Diese stellte im Vordergrund zwei mit schwerem Schuhwerk versehene Füsse in schwarzer Farbe dar, welche über eine rote Fläche mit dem weissen Schweizer Kreuz marschierten. Im Hintergrund der Zeichnung waren rund ein Dutzend Beine (Unterschenkel mit Füssen) dargestellt. Am unteren Rand der Zeichnung stand in relativ grossgedruckten weissen Buchstaben auf rotem Grund: "Masseneinwanderung stoppen!" Rechts neben der Zeichnung enthielt das Inserat in kleingedruckten Buchstaben den folgenden Text: "Die Schwinger-Freunde Roland G. (38) und Kari Z. (45) sitzen am Montag, den 15. August, auf der Gartenterrasse in Interlaken BE. Plötzlich hält ein Taxi. Zwei Kosovaren (33 und 31) steigen aus. Sie fangen an, die zwei Schweizer anzupöbeln: 'Scheiss-Schweizer! Dreckspack' sagt ein Augenzeuge. Der zwölffache Kranzschwinger Kari Z. fragt: 'Was soll das?' Einer der Kosovaren greift sofort zum Messer und schlitzt dem Schweizer die Kehle auf." Unter dem Text stand in klein- aber fettgedruckten Buchstaben: "Die SVP fordert vom Bundesrat: - Sofortige Umsetzung der Volksinitiative 'Ausschaffung krimineller Ausländer' - Stopp der unkontrollierten Masseneinwanderung!"
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B.
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B.a Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, stellte das Verfahren gegen unbekannte Täterschaft mit Verfügung vom 5. Dezember 2012 gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO ein. Der Tatbestand von Art. 261bis StGB sei nicht erfüllt. Zur Begründung wurde unter anderem erwogen, die Kosovaren seien keine "Ethnie" im Sinne dieser Bestimmung. Zudem nehme die Schlagzeile "Kosovaren schlitzen Schweizer auf!" Bezug auf einen konkreten Vorfall, welcher sich am 15. August 2011 im Berner Oberland zugetragen habe. Das Inserat richte sich damit gerade nicht gegen alle Kosovaren, sondern gegen zwei bestimmte Kosovaren. Es gehe der SVP faktisch darum, anhand eines konkreten Beispiels gegen Ausländer Stimmung zu machen. Das Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, hob am 6. Mai 2013 die Einstellungsverfügung in Gutheissung einer von zwei Privatklägern dagegen erhobenen Beschwerde auf und wies die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland an, die Untersuchung im Sinne der Erwägungen weiterzuführen.
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Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 16. Oktober 2013 wurde das Verfahren gegen A., den (damaligen) Parteipräsidenten der SVP, gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nicht an die Hand genommen, nachdem der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 mitgeteilt worden war, dass die Immunitätskommission des Nationalrates sich am 13. August 2013 gegen die Aufhebung der Immunität von A. ausgesprochen habe und die Rechtskommission des Ständerates am 11. September 2013 zum gleichen Ergebnis gekommen sei.
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B.b Mit Anklageschrift vom 15. Dezember 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Generalsekretär der SVP, Y., und gegen die stellvertretende Generalsekretärin der SVP, X., wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB. In der Anklageschrift wird unter anderem ausgeführt, durch den Titel, durch das Inseratbild und durch die Verknüpfung des Titels mit der Masseneinwanderung seien die Kosovaren generell mit Gewaltverbrechern, Messerstechern und Messerschlitzern gleichgesetzt, also im Kollektiv kriminalisiert und in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt und dadurch als minderwertig bezeichnet worden. Deshalb hätten die Beschuldigten die Tatbestandsvariante gemäss Art. 261bis Abs. 4 erster Teilsatz StGB erfüllt. Mit dem Inserat hätten die Beschuldigten auch Hetze gegen die Kosovaren betrieben und Emotionen geschürt (Stimmungsmache), die geeignet seien, Hass und Diskriminierung gegenüber den Kosovaren hervorzurufen. Dadurch hätten sie die Tatbestandsvariante von Art. 261bis Abs. 1 StGB erfüllt. Das Inserat sei auch Teil einer ganzen Propagandaaktion im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB gegen die Kosovaren gewesen.
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C.
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C.a Das Regionalgericht Bern-Mittelland (Einzelgericht) sprach X. und Y. mit Urteil vom 30. April 2015 vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB (Propagandaaktion) frei. Es sprach sie hingegen der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 1 StGB (Aufruf zu Hass oder Diskriminierung) schuldig, begangen in der Zeit vom 19. August 2011 bis 27. August 2011 sowie von September 2011 bis Dezember 2013, und verurteilte sie zu bedingt vollziehbaren Geldstrafen von 60 Tagessätzen zu je CHF 390.-respektive CHF 290.-. Das ![]() | 10 |
Gegen das Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland erhoben X. und Y. Berufung.
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C.b Das Obergericht stellte in seinem Urteil vom 15. März 2016 fest, dass der Entscheid des Regionalgerichts Bern-Mittelland, soweit den Freispruch der Beschuldigten vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB (Propagandaaktion) betreffend, in Rechtskraft erwachsen ist.
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Das Obergericht sprach X. und Y. frei vom Vorwurf der Rassendiskriminierung, angeblich begangen in der Zeit von September 2011 bis Dezember 2013. Es begründete diesen Freispruch in seinen Urteilserwägungen damit, dass eine tatbestandsmässige Äusserung im Internet kein Dauerdelikt, sondern ein Zustandsdelikt sei. Die Tathandlung sei am 19. August 2011 durch Aufschalten des Inserats im Internet und am 25. August 2011 durch Veröffentlichung des Inserats in zwei Zeitungen begangen worden. Für die darüber hinausgehende, ebenfalls angeklagte Tatzeit von September 2011 bis Dezember 2013 (in welcher das Inserat auf den Webseiten aufgeschaltet geblieben war) seien die Beschuldigten freizusprechen.
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Das Obergericht sprach X. und Y. hingegen der Rassendiskriminierung, begangen am 19. August 2011 respektive am 25. August 2011, schuldig und verurteilte sie in Anwendung von Art. 261bis Abs. 1 StGB (Aufruf zu Hass oder Diskriminierung) zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je CHF 300.-beziehungsweise CHF 220.-. Auch das Obergericht ging in seinen Urteilserwägungen davon aus, dass die Tatbestandsvariante gemäss Art. 261bis Abs. 4 erster Teilsatz StGB (Herabsetzung oder Diskriminierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise) ebenfalls erfüllt sei, aber durch die Verurteilung wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1 StGB (Aufruf zu Hass oder Diskriminierung) zufolge unechter Konkurrenz konsumiert werde.
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E. Das Obergericht des Kantons Bern und (stillschweigend) die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Bern haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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F. Das Bundesgericht hat den Entscheid am 13. April 2017 öffentlich beraten (Art. 58 Abs. 1 und Art. 59 Abs. 1 BGG). Es weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Wegen "Rassendiskriminierung" (Randtitel) wird gemäss Art. 261bis StGB unter anderen bestraft, (Absatz 1) wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft und (Absatz 4 erster Teilsatz) wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert. Welches der Inhalt einer Äusserung ist, ist Tatfrage. Welcher Sinn einer Äusserung zukommt, ist hingegen Rechtsfrage, die das Bundesgericht im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen frei prüft. Massgebend ist dabei der Sinn, welchen der unbefangene Durchschnittsleser der Äusserung unter den gegebenen Umständen beilegt (BGE 140 IV 67 E. 2.1.2 mit Hinweisen). Äusserungen im Rahmen politischer Auseinandersetzungen sind nicht strikt nach ihrem Wortlaut zu messen, da bei solchen Auseinandersetzungen Vereinfachungen und Übertreibungen üblich sind (BGE 131 IV 23 E. 2.1 mit Hinweisen). Bei der Auslegung von Art. 261bis StGB ist der Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK, Art. 19 UNO-Pakt II [SR 0.103.2]) Rechnung zu tragen. In einer Demokratie ist es von zentraler Bedeutung, dass auch Standpunkte vertreten werden können, die einer Mehrheit missfallen oder für viele schockierend wirken (BGE 131 IV 23 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. Urteil 6B_664/2008 vom 27. April 2009 E. 3).
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Die Strafbestimmung betreffend die Rassendiskriminierung bezweckt unter anderem, die angeborene Würde und Gleichheit aller Menschen zu schützen. Im Lichte dieser Zielsetzung erscheinen als Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 erster Teilsatz StGB ![]() | 19 |
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2.3 Art. 261bis StGB erwähnt die Rasse, Ethnie und die Religion, nicht auch die Nationalität oder die Staatsangehörigkeit. Die Bestimmung scheint sich darin vom Internationalen Übereinkommen vom ![]() | 23 |
Ethnie im Sinne von Art. 261bis StGB ist ein Segment der Bevölkerung, das sich selbst als abgegrenzte Gruppe versteht und das vom Rest der Bevölkerung als Gruppe verstanden wird. Sie muss eine gemeinsame Geschichte sowie ein gemeinsames zusammenhängendes System von Einstellungen und Verhaltensnormen (Tradition, Brauchtum, Sitte, Sprache etc.) haben, wobei die genannten Merkmale zur Abgrenzung verwendet werden müssen (NIGGLI, a.a.O., N. 667 ff.; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. II, 3. Aufl. 2010, N. 11 zu Art. 261bis StGB; DUPUIS UND ANDERE, Code pénal, Petit commentaire, 2012, N. 10 zu Art. 261bis StGB).
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Der Begriff "Kosovaren" bezeichnet die Menschen aus dem Kosovo. Im Kosovo leben verschiedene ethnische Gruppen, zur Hauptsache (über 90 %) Kosovo-Albaner, daneben unter anderen Serben, Bosniaken, Kroaten und Roma. Der Begriff der "Kosovaren" bezeichnet nicht allein eine Nationalität beziehungsweise Staatsangehörigkeit, sondern als Sammelkategorie die verschiedenen im Kosovo lebenden Ethnien. Auch eine Mehrheit von Ethnien, die unter einem Sammelbegriff zusammengefasst werden, wird vom Begriff der "Ethnie" im Sinne von Art. 261bis StGB erfasst (siehe NIGGLI, a.a.O., N. 605 ff., 673; vgl. BGE 140 IV 67 E. 2.2.4). Es kann nicht in Betracht kommen, dass die Tatbestandsmässigkeit einer Äusserung davon abhängt, ob sie sich beispielsweise auf "Kosovo-Albaner" oder aber auf "Kosovaren" bezieht. Allerdings hat das Bundesgericht in BGE 131 IV 23 E. 1.2 festgehalten, dass die "Einwanderer aus dem Kosovo - verstanden als Kosovo-Albaner - eine von Art. 261bis StGB geschützte Gruppe darstellen". Aus dieser Bemerkung ist indessen nicht abzuleiten, dass die "Kosovaren" keine durch Art. 261bis StGB geschützte Gruppe sind, da diese Fragestellung nicht Gegenstand jenes Urteils war.
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Im Zusammenhang mit der Frage, welcher Sinn dem Begriff "Kosovaren" zukommt, dürfte der unbefangene Durchschnittsleser kaum umfassende Kenntnisse von den politischen Vorgängen im ehemaligen Jugoslawien haben und in der Lage sein, die im Gefolge der kriegerischen Auseinandersetzungen der 1990er Jahre neu geschaffenen Strukturen zu erfassen. Der Begriff "Kosovaren" gelangte laut Wikipedia erst mit der Verschärfung des serbisch-albanischen Konflikts in die internationalen Medien und wurde dort zunächst als Synonym für "Kosovo-Albaner" verwendet. Erst später wurde im westlichen Sprachgebrauch der Versuch unternommen, die Bezeichnung "Kosovaren" auch auf die nicht albanische Bevölkerung des Kosovos zu übertragen (vgl. etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Kosovaren). Die Abgrenzung zwischen Kosovo-Albanern und ![]() | 27 |
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3.1 Die Vorinstanz erwägt, dass gemäss Anklageschrift das gesamte Inserat und nicht nur die Kernaussage zu prüfen sei. Es stelle sich die Frage, wie die kleingedruckte Einzelfallschilderung im Zusammenhang mit den übrigen Elementen des Inserats wahrgenommen werde. Aus der Wahrnehmungspsychologie sei bekannt, dass im Durchschnitt höchstens zwei bis drei Sekunden auf die Beachtung einer durchschnittlichen, werbungsführenden Zeitschriftenseite entfielen. Bilder, Farben, grosse Schlagzeilen und hervorgehobene Texte erregten Aufmerksamkeit. Im vorliegenden Fall schaue der Durchschnittsleser zuerst das Inseratbild an. Er sehe eine unbestimmte Vielzahl von schwarzen, bedrohlich wirkenden Stiefelpaaren, welche von ausserhalb herkommend über die rotweisse Schweizer Fahne hinwegtrampeln. Der Blick falle danach auf die im Bild integrierte weisse Überschrift auf rotem Hintergrund: "Masseneinwanderung stoppen!" Das Bild lenke danach den Blick nach oben zur grossen weissen Überschrift auf schwarzem Hintergrund: "Kosovaren schlitzen Schweizer auf!" Der Durchschnittsleser komme zum Schluss, die Masseneinwanderung führe dazu, dass Kosovaren Schweizer aufschlitzen. Er fasse die Schlagzeile folgendermassen auf: Kosovaren (Plural) schlitzen Schweizer (Plural) auf. Danach lese der Durchschnittsleser den Text im gelben Feld: "Wer das nicht will, unterschreibt die Volksinitiative 'Masseneinwanderung stoppen!'" Der Durchschnittsleser folgere, wer nicht wolle, dass Kosovaren (Plural) Schweizer (Plural) aufschlitzen, soll unterschreiben. Die oberste Überschrift: "Das sind die Folgen der unkontrollierten Masseneinwanderung:" bestätige diese Schlussfolgerung. Danach lese der Durchschnittsleser den rechts unten stehenden klein- aber fettgedruckten Text: "Die SVP fordert vom Bundesrat - Sofortige Umsetzung der Volksinitiative 'Ausschaffung krimineller Ausländer' - Stopp der unkontrollierten Masseneinwanderung!" Erst danach ![]() | 29 |
Die Vorinstanz bejaht den subjektiven Tatbestand in der Form des Eventualvorsatzes. Die Beschuldigten seien ausgewiesene Kommunikationsprofis. Spätestens nach der Rückmeldung von diversen Verlagshäusern, welche das Inserat als rassistisch einstuften und deswegen nicht publizieren wollten, hätten die Beschuldigten jedoch hellhörig werden und das Inserat stoppen beziehungsweise dessen Aufschaltung auf den Webseiten unterlassen müssen. Obschon es den Beschuldigten ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, das Inserat in allen Zeitungen im Singular oder alternativ gar nicht zu schalten, hätten sie an der vereinzelten Publikation des inkriminierten Inserats festgehalten. In der Medienmitteilung vom 19. August 2011 hätten sie gar ihren Unmut über die Verweigerung der Publikation des Inserats durch einzelne Verlagshäuser kundgetan.
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3.2 Die Beschwerdeführer bringen vor, die Vorinstanz sei nicht vom unbefangenen Durchschnittsleser ausgegangen. Sie stelle vielmehr auf die Einschätzung derjenigen Kreise ab, die der SVP gegenüber ohnehin voreingenommen seien. Die Vorinstanz habe zu Unrecht ![]() | 31 |
Erwägung 3.3 | |
3.3.1 Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der unbefangene Durchschnittsleser die einzelnen Bestandteile des Inserats nach den Erkenntnissen der Wahrnehmungspsychologie in der Reihenfolge zur Kenntnis nimmt, wie dies im angefochtenen Urteil dargestellt wird. Entscheidend ist aber, dass durch die reisserische Schlagzeile "Kosovaren schlitzen Schweizer auf!" das Interesse des Lesers angestachelt wird. Die Aufmachung des Inserats lehnt sich stark an die Aufmachung von Zeitungsartikeln in der Boulevardpresse an. Es ist davon auszugehen, dass der unbefangene Durchschnittsleser den kurzen Text betreffend den konkreten Einzelfall liest und zur Kenntnis nimmt. Er tut dies aber zweifellos erst, nachdem er die ![]() | 32 |
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Hinzu kommt, dass der Satz "Kosovaren schlitzen Schweizer auf!" für sich allein betrachtet, losgelöst vom Inserat, schwer verständlich und geradezu sinnlos ist. Er erhält erst in einem bestimmten Kontext einen Sinn, etwa im Kontext von Einwanderung und Ausschaffung. Erst im Gesamtzusammenhang mit der Unterschriftensammlung für die Initiative "Masseneinwanderung stoppen!" wird dem unbefangenen Durchschnittsleser mit der verwendeten Schlagzeile die Botschaft vermittelt, dass die Kosovaren generell, mehr als andere, gewalttätig und kriminell seien.
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Daran ist festzuhalten. Selbst wenn im politischen Meinungskampf gewisse Vereinfachungen üblich sind (E. 1 hiervor), erscheint die Schlagzeile "Kosovaren schlitzen Schweizer auf!" als unsachliches Pauschalurteil, welches sämtliche Ausländer mit kosovarischen Wurzeln schlechtmacht. Die Schlagzeile wird vom unbefangenen Durchschnittsleser im Gesamtzusammenhang des Inserats auch unter Berücksichtigung der Schilderung des konkreten Einzelfalls im Sinne einer pauschalen Behauptung verstanden, dass die Kosovaren, das heisst die Angehörigen der im Kosovo lebenden Ethnien, generell, mehr als andere, gewalttätig und kriminell seien. Die Schilderung des konkreten Einzelfalls dient lediglich noch als Illustration eines erschütternden Beispiels für die durch die Schlagzeile aufgestellte Behauptung. Die Kosovaren werden damit als minderwertig dargestellt, als Personen, die zufolge übermässiger Gewaltbereitschaft und Kriminalität kein Recht auf Anwesenheit in der Schweiz haben sollen. Diese Botschaft ist die eigentliche Kernaussage, die das Inserat vermittelt. Die Darstellung eines wahren Sachverhalts mag erlaubt sein, selbst wenn sie geeignet ist, ein feindseliges Klima gegen die Angehörigen bestimmter Gruppen zu schaffen oder zu verstärken (STERNBERG-LIEBEN, in: Strafgesetzbuch, Kommentar, Schönke/Schröder [Hrsg.], 29. Aufl. 2014, N. 5a zu § 130 D-StGB).Daraus vermögen die Beschwerdeführer aber nichts für ihren Standpunkt abzuleiten. Mit der im Gesamtkontext untergeordneten Erwähnung des konkreten Einzelfalls sollte nicht die Öffentlichkeit über die von einem Kosovaren an einem Schweizer verübte Straftat informiert werden. Die im Gesamtkontext der Schlagzeile und der grafischen Gestaltung des Inserats erfolgte Erwähnung eines tatsächlichen Geschehens enthielt keine Aussage, die über das hinausging, was schon seit geraumer Zeit ohnehin bekannt war. Vielmehr wurde der Hinweis auf diesen singulären Vorfall als vermeintlicher Beleg für die in der Schlagzeile zum Ausdruck gebrachte pauschale Verunglimpfung aller Ausländer mit kosovarischen Wurzeln benutzt. Wie es aber auch beim Straftatbestand der üblen Nachrede für einen Freispruch nicht genügt, dass die ehrenrührige Tatsache der Wahrheit entspricht, und der Beschuldigte schon gar nicht zum Wahrheitsbeweis zugelassen wird, wenn er die Äusserung ohne Wahrung ![]() | 36 |
Die Beschwerdeführer waren sich als Fachleute im Bereich der Kommunikation darüber im Klaren, dass der unbefangene Durchschnittsleser die Schlagzeile im Gesamtzusammenhang im genannten Sinne versteht. Sie nahmen diese Wirkung in Kauf. Daran ändert nichts, dass sie aufgrund der ergangenen Proteste bereit waren, die in dem - im Übrigen unveränderten - Inserat enthaltene Schlagzeile durch Verwendung des Singulars ("Kosovare schlitzt Schweizer auf!") abzuändern. Damit ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.
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4.1 Die Vorinstanz verweist zur Begründung ihres Standpunktes zunächst auf die erstinstanzlichen Erwägungen. Das Aufrufen zu Hass oder Diskriminierung sei strafbar, sofern damit ein Klima geschaffen werde, in dem Angriffe auf die Menschenwürde wahrscheinlich seien. Eine "Diskriminierung" bestehe, wenn eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund an die Kriterien der Rasse, Ethnie oder Religion anknüpfe und dies mit dem Willen erfolge oder die Wirkung habe, dass die Betroffenen ihre Menschenrechte nicht mehr ausüben könnten oder in deren Ausübung behindert würden. Der Begriff "Hass" soll das feindselige Klima, welches die eigentliche Quelle von Gewalttätigkeiten darstelle, zum Ausdruck bringen. "Aufrufen" bezeichne die nachhaltige und eindringliche Einflussnahme auf Menschen mit dem Ziel, eine feindselige Haltung gegenüber einer bestimmten Personengruppe zu vermitteln oder ein feindseliges Klima zu schaffen oder zu verstärken. Die Vorinstanz erwägt, im Inserat würden die Kosovaren als akute Bedrohung dargestellt, was eine feindselige Haltung gegenüber den Kosovaren schüre, die geeignet sei, Hass und Diskriminierung hervorzurufen. Nach der Auffassung der Vorinstanz ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt. ![]() | 39 |
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Die Beschwerdeführer waren sich als Fachleute im Bereich der Kommunikation der Wirkung des Inserats bewusst. Sie nahmen diese in Kauf. Auch der subjektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 StGB ist erfüllt.
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