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46. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_360/2016 / 6B_361/2016 vom 1. Juni 2017 | |
Regeste |
Art. 222 Abs. 1 StGB; fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst. |
Die Vorinstanz ging von einer gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung aus und verurteilte beide Beschuldigten wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst (E. 4.5). |
Die beiden Beschuldigten hatten zwar gemeinsam beschlossen, Feuerwerksraketen zu zünden. Im Übrigen blieb es aber jedem von ihnen überlassen, beim Anzünden der jeweiligen Rakete die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten zu beachten. Die fehlende Möglichkeit, einem von zwei Beschuldigten eine sorgfaltswidrige Erfolgsverursachung nachzuweisen, kann nicht zur Annahme einer strafrechtlichen Gesamtverantwortung führen (E. 4.9-4.11). | |
Sachverhalt | |
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Am 1. Januar 2013 ging um 00.05 Uhr bei der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Aargau die Meldung ein, dass ein Balkon eines Mehrfamilienhauses in Flammen stand. A.A. und B.A. wurden über ein Ausschlussverfahren als Täter ermittelt: "Er und sein Cousin B.A. [bzw.: Er und sein Cousin A.A.] sind kurz vor Mitternacht zusammen mit weiteren Gästen auf dem Sitzplatz der Parterrewohnung und haben gemeinsam den Entschluss gefasst, Raketen der Marke 'Klasek' abzufeuern. [...] Die beiden hatten gemeinsam beschlossen, nach draussen zu gehen, um Feuerwerkskörper zu zünden, und wie die Ermittlungen ergeben haben, war eine der Raketen der Marke 'Klasek' ursächlich für den Brand. Somit hat der Beschuldigte pflichtwidrig unvorsichtig gehandelt, indem es zum Feuer kam und er die Raketen zusätzlich nicht ordnungsgemäss abgefeuert hat, da grundsätzlich keine Raketen inmitten von Liegenschaften gezündet werden dürfen und weiter für das Abfeuern notwendig ist, dass die Rakete aus einer gut fixierten Flasche oder einem Rohr gezündet wird. Es entstand Sachschaden in der Höhe von CHF 868'951.-, Personen wurden keine verletzt."
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A.A. und B.A. erhoben Einsprache.
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B. Der Präsident des Bezirksgerichts Laufenburg befragte beide Angeklagten sowie zwei Auskunftspersonen und führte einen Augenschein vor Ort durch. Er sprach am 19. März 2015 beide Angeklagten frei. Die Staatsanwaltschaft führte Berufung.
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C. A.A. und B.A. beantragen mit Beschwerden in Strafsachen, die Urteile aufzuheben und sie von Schuld und Strafe freizusprechen.
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Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft verzichteten auf Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht führte eine Beratung durch (Art. 58 Abs. 1 BGG).
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut, hebt die beiden vorinstanzlichen Urteile auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
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4.2 Nach den Beschwerdeführern ist mit der Erstinstanz lediglich von einem "Fehlverhalten" auszugehen. Sie bestreiten nicht, dass dieses Fehlverhalten als solches den Tatbestand von Art. 222 Abs. 1 StGB erfüllt. Sie wenden ein, die Rechtsprechung von BGE 113 IV 58 ("rolling stones") sei nicht anwendbar (nulla poena sine lege). Sie ![]() | 12 |
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4.5 Die Vorinstanz geht davon aus, bei einer gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung sei nicht danach zu fragen, ob der jeweilige Einzelbeitrag für den tatbestandsmässigen Erfolg kausal geworden sei, sondern ob die Kausalität zwischen der gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung und dem eingetretenen Erfolg zu bejahen sei. Eine gemeinsam vorgenommene Gesamthandlung liege vor, wenn die sorgfaltswidrige Handlung gemeinsam beschlossen und in der Folge in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang gemeinsam durchgeführt würde, wobei es der zufälligen Arbeitsteilung überlassen bleibe, wer welchen Einzelbeitrag geleistet habe (mit Verweisung auf BGE 113 IV 58). Ein strafwürdiges Zusammenwirken bei fahrlässigem Handeln sei im Übrigen rechtlich nicht notwendig ![]() | 15 |
Die Vorinstanz stellt fest, es sei nicht mehr zu ermitteln, welcher der beiden die brandauslösende Rakete gezündet habe, wenngleich es einer der beiden gewesen sein müsse. Eine Verurteilung setze mithin voraus, dass beide die sorgfaltswidrige und zum Brand führende Handlung gemeinsam beschlossen und in der Folge in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang gemeinsam und in zufälliger Arbeitsteilung durchgeführt hätten.
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Die Vorinstanz nimmt sodann an, aufgrund der Umstände und der Vorgehensweise könne ohne weiteres als erstellt gelten, dass die beiden gemeinsam beschlossen hatten, die vier gleichartigen Feuerwerksraketen an besagter Stelle arbeitsteilig zu starten. Dass sie "auch beschlossen hätten, dies durch jeweiliges In-den-Boden-Stecken der einzelnen Raketen zu tun, kann aber nicht festgestellt werden." Vielmehr sei davon auszugehen, dass sie "jeweils für sich, d.h. ohne vorgängige Absprache, die einzelnen Raketen in dieser zwar gefährlichen, aber nicht unüblichen Weise abgefeuert haben."
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Die Vorinstanz verweist anschliessend auf die Empfehlungen der Beratungsstelle für Brandverhütung (BFB) und folgert, da bei Feuerwerksraketen immer mit Irrläufern zu rechnen sei, sei die Feuersbrunst nicht nur vermeidbar, sondern auch voraussehbar gewesen. Es sei vom Zufall abhängig gewesen, wer letztlich den Irrläufer gezündet habe. "Gestützt auf diese Ausführungen erscheint der wegen der irregeleiteten Rakete entstandene Brand, [...], als direkte Folge der [von beiden] gemeinsam beschlossenen und vorgenommenen und als sorgfaltswidrig zu bezeichnenden Gesamthandlung, die darauf abzielte bzw. darin bestand, auf dem hierfür ungeeigneten Gartenplatz Feuerwerk der besagten Art zu zünden bzw. gezündet zu haben. Damit steht, ohne dass weiter nach den Einzelbeiträgen zu fragen wäre, fest, dass die [Erstinstanz] zu Unrecht [...] freigesprochen hat."
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Bei der Strafzumessung geht die Vorinstanz von Gedankenlosigkeit aus. Sie hätten auch den Kindern Freude machen wollen. Dass sie bewusst das damit einhergehende Risiko geradezu gesucht haben könnten, erscheine ausgeschlossen.
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4.6 Die Vorinstanz folgt in ihrer Entscheidung der Argumentation der Beschwerdegegnerin (oben E. 4.4). Diese behauptete eine ![]() | 20 |
Ausgangspunkt der vorinstanzlichen Überlegungen bildet die Darlegung des juristischen Konzepts der "Gesamthandlung" im Sinne von BGE 113 IV 58. Anschliessend nimmt die Vorinstanz an, dass mit Irrläufern zu rechnen sei. Es hänge vom Zufall ab, welcher der beiden den Irrläufer gezündet habe. Gestützt auf diese Ausführungen sei der Brand die direkte Folge der Gesamthandlung, die darauf abgezielt habe, ein derartiges Feuerwerk zu zünden. Damit stehe fest, "ohne dass weiter nach den Einzelbeiträgen zu fragen wäre", dass die Erstinstanz zu Unrecht freigesprochen habe (oben E. 4.5). Vorangehend (oben E. 4.5, drittletzter Abs.) stellt die Vorinstanz aufgrund der Umstände fest, dass sie beschlossen, "arbeitsteilig" vier Raketen zu starten. Dass sie aber auch beschlossen hätten, dies durch In-den-Boden-Stecken der Raketen zu tun, habe nicht festgestellt werden können. Vielmehr hätten sie "jeweils für sich, d.h. ohne vorgängige Absprache", die Raketen in dieser nicht unüblichen Weise abgefeuert.
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Aus dieser Beweisführung folgt, dass die beiden einzig "beschlossen", vier Raketen zu starten, und zwar jeder deren zwei. Die Art und Weise des Startens bestimmte jeder für sich, "d.h. ohne vorgängige Absprache" (ebenso bereits die Erstinstanz, oben E. 4.3).
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Nach BERNARD CORBOZ gibt es keine Teilnahme an der Fahrlässigkeitsstraftat; die Konstruktion von BGE 113 IV 58 sei zurückzuweisen (in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 180 zu Art. 12 StGB). ANDREAS DONATSCH wendet sich gegen die Konstruktion einer fahrlässigen Mittäterschaft, wenn der Nachweis fehlt, wer von zwei sorgfaltswidrig Handelnden den schädigenden Erfolg verursachte (in: StGB Kommentar, Donatsch und andere [Hrsg.], 19. Aufl. 2013, N. 28 zu Art. 12 StGB: "mit dem Gesetz nicht vereinbar"). Ebenso dezidiert fällt nach EICKER/MANGO-MEIER (Repetitorium Nebenstrafrecht SVG und BetmG, 2016, S. 43) bei einer fahrlässigen Tatbegehung Mittäterschaft von vornherein ausser ![]() | 24 |
JOSÉ HURTADO POZO spricht sich gegen die vorherrschende Ansicht aus, welche die Teilnahme an der Fahrlässigkeitsstraftat über den Begriff der Mittäterschaft verneine. Diese Ansicht könne nicht in vertretbarer Weise die Sachverhalte von BGE 113 IV 58 oder jenes beispielhaften Falles lösen, in welchem zwei Freizeitler, ohne die notwendigen Vorsichtsmassnahmen zu treffen, im Wald zum Grillieren ein Feuer anzündeten und einen Waldbrand verursachten (Art. 222 Abs. 1 StGB). In beiden Fällen gehe es zum einen um das vereinte Verwirklichen eines gemeinsamen Projekts, welches den Schaden verursache (la réalisation conjointe d'un projet commun de comportement, laquelle est la cause du résultat préjudiciable); zum andern hätten die Täter die Gefährlichkeit ihrer Handlungsweise erkennen ![]() | 25 |
In der Literatur ist mithin umstritten, wie BGE 113 IV 58 zu verstehen ist und ob der Entscheidung überhaupt eine fahrlässige Mittäterschaft zugrunde liegt. Ohne die Literatur erschöpfend auszuwerten, lässt sich schliessen, dass die Konzeption einer fahrlässigen Mittäterschaft von der wohl herrschenden Lehre abgelehnt und BGE 113 IV 58 in der Begründung und weniger im Ergebnis kritisiert wird, während JOSÉ HURTADO POZO mit der Konzeption der "Unsorgfaltsgemeinschaft" einen konstruktiven dogmatischen Entwurf zu der mit BGE 113 IV 58 aufgeworfenen Sachproblematik vorlegt.
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In der Folge distanzierte sich das Bundesgericht von dieser Rechtsprechung. In BGE 113 IV 84 liess es die Frage noch offen, ob Mittäterschaft eines an der Führung des Fahrzeugs nicht massgeblich Beteiligten möglich sei. Es erkannte aber, dass sich der Passagier, der in einem Fahrzeug mitfährt, das vom angetrunkenen Halter geführt wird, sich allein dadurch weder der Mittäterschaft noch der Teilnahme schuldig machen kann. Das eigene Interesse des Passagiers an der Fahrt vermöge Mittäterschaft bei Fahren in angetrunkenem Zustand schon deshalb nicht zu begründen, weil dieses als solches nicht einen Tatbeitrag, sondern lediglich ein Motiv für das Mitfahren darstelle.
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Drei Jahre später verwarf das Bundesgericht in BGE 116 IV 71 diese Rechtsprechung. Beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem ![]() | 29 |
In BGE 126 IV 84 E. 2c/aa S. 88 hielt das Bundesgericht - allerdings unter Bezugnahme auf den vorsätzlichen Mittäterschaftsbegriff (BGE 125 IV 134 E. 3a S. 136) und ohne BGE 113 IV 58 zu erwähnen - fest: "Par conséquent, la coactivité par négligence n'est pas concevable". In der Sache hatte es die Frage zu entscheiden, ob eine Person, welche die Charakteristik der vorsätzlichen Mittäterschaft (BGE 125 IV 134 E. 3a) aufweist, wegen grober Verkehrsregelverletzung verurteilt werden kann, selbst wenn sie nicht selber das Fahrzeug gelenkt hatte. Das Bundesgericht bejahte die Frage (BGE 126 IV 84 E. 2b S. 87 und E. 2d S. 90). - Anders verhält es sich beim Begleiter einer Lernfahrt: Übernimmt er diese Aufgabe effektiv, macht er sich des Führens eines Motorfahrzeuges im angetrunkenen Zustand im Sinne von Art. 91 SVG schuldig, weil er von Gesetzes wegen an der Führung des Fahrzeugs beteiligt ist (Urteil 6B_1387/2016 vom 5. Mai 2017 E. 2.2).
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Schliesslich hielt das Bundesgericht im Urteil 6B_477/2011 vom 24. November 2011 E. 1.1 zur fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (in: SJ 2012 I S. 347) unter Bezugnahme auf BGE 113 IV 58 fest, Mittäterschaft setze die vorsätzliche Zusammenarbeit voraus, und zitierte dazu den Passus aus BGE 126 IV 84 E. 3a: "La coactivité par négligence [n'est] pas concevable"; und weiter: "Quant à la doctrine, elle considère qu'il ne peut pas y avoir de coactivité en cas d'infraction par négligence puisqu'une telle participation suppose une certaine association des volontés dans la perspective de la réalisation d'une infraction et qu'elle ne se conçoit que si les participants agissent intentionnellement (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2011, § 16, N. 49; CORBOZ, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 180 zu Art. 12 StGB; JENNY, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 106 zu Art. 12 StGB). Celui qui ne peut être qualifié de coauteur d'une infraction par négligence peut en revanche, le cas échéant, en être auteur s'il réalise, par ses agissements, les éléments de l'état de fait visé par la loi en provoquant la réalisation du risque qui pouvait se produire, mais aurait pu être évitée (STRATENWERTH, a.a.O., § 16, N. 48)." Nach dieser Argumentation ist lediglich ![]() | 31 |
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Ganz anders stellt sich der hier zu beurteilende Sachverhalt dar. Die beiden Beschwerdeführer hatten die Art und Weise des Vorgehens (des Abfeuerns der Raketen) nicht miteinander abgesprochen, wie die Vorinstanz ausdrücklich feststellt (oben E. 4.6). Insbesonders hatten die beiden keine Risikoabschätzung vorgenommen. Dass sie ein Risiko eingegangen wären, schloss die Vorinstanz aus (oben E. 4.5, letzter Abs.). Sie hatten (einzig) "beschlossen", draussen Raketen zu zünden, und zwar jeder deren zwei (oben E. 4.4, 4.6). Jeder bestimmte selber, wie er die Raketen abfeuern wollte. Nur einer verursachte einen "Irrläufer", der aber aufgrund der vorinstanzlichen Feststellung nicht zufällig, sondern durch das unsachgemässe Abfeuern (mit Risikoerhöhung durch "falsches" In-den-Boden-Stecken) von einem der beiden verursacht wurde. Ein eigentlicher Irrläufer kann sich dagegen nur bei korrektem Abfeuern infolge eines technischen Defekts der Rakete selbst ergeben. Der eine gefährdete (nicht strafbar), der andere verursachte den Brand (strafbar).
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Die Vorinstanz folgt auch hier der Beschwerdegegnerin (oben E. 4.4) und sieht sich nicht veranlasst, nach den "Einzelbeiträgen", d.h. dem rechtserheblichen Sachverhalt, zu fragen (oben E. 4.6), weil sie das zu Beweisende durch einen beweisbedürftigen Umstand ersetzt, nämlich durch die Behauptung der "Gesamthandlung". Diesen (vor ![]() | 34 |
Denn subjektives Beweisergebnis ist lediglich, dass sie "gemeinsam beschlossen, nach draussen zu gehen, um Feuerwerkskörper zu zünden" (so die Formulierung in der Anklageschrift, oben Sachverhalt Bst. A). Mithin fehlt es an den Voraussetzungen der Annahme einer Gesamthandlung im Sinne von BGE 113 IV 58, so dass sich die Vorinstanz für die Schuldsprüche nicht auf dieses Präjudiz berufen kann. Das Bundesgericht hat deshalb weder auf BGE 113 IV 58 einzugehen noch sich mit der Kausalitätsfrage auseinanderzusetzen. Vielmehr ist festzustellen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der vorinstanzlich angenommenen Gesamthandlung im Sinne von BGE 113 IV 58 beweismässig nicht erstellt sind. Der gemeinsame Beschluss einer sorgfaltswidrigen Handlung ist nicht nachgewiesen (bereits Erstinstanz, oben E. 4.3).
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Für die Begründung der vorsätzlichen Mittäterschaft ist ein gemeinsamer Beschluss im juristisch-technischen Sinne nicht erforderlich. Vorausgesetzt wird, dass das deliktische Verhalten aufgrund eines ![]() | 37 |
Dieser (allenfalls auch bloss konkludent assoziiert eventualvorsätzlich zustandegekommene) gemeinsame Beschluss muss bewiesen sein. Das Sachgericht hat die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen möglichst erschöpfend darzustellen (BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17; zur Abgrenzung des Eventualvorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit bereits BGE 125 IV 242 E. 3c; BGE 119 IV 242 E. 2c). Während die vorsätzliche Mittäterschaft wissentlich und willentlich die gemeinsame Begehung einer Straftat bezweckt, die folglich nur vorsätzlich begangen werden kann, verhalten sich Fahrlässigkeitstäter bewusst oder unbewusst sorgfaltswidrig; sie nehmen einen strafrechtlichen Erfolg definitionsgemäss nicht in Kauf (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB). Der Erfolg ist bloss ein nicht gewolltes Resultat ihrer Unsorgfalt. Auf die Frage, ob und inwiefern sie sich auch "gemeinsam" sorgfaltswidrig verhalten könnten, ist nicht einzugehen. Denn klar ist, dass die Komponenten eines sorgfaltswidrigen gemeinsamen Unternehmens (projet commun de comportement) in subjektiver Hinsicht in jeder Eventualität erst nachgewiesen sein müssten.
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Das Gesetz sieht einzig in gewissen Konstellationen von einem solchen Nachweis ab. So lässt sich bei tätlichen Auseinandersetzungen mehrerer Personen oft nicht nachweisen, wer die Körperverletzung einer Person verursacht hat. Gemäss dem abstrakten Gefährdungstatbestand von Art. 133 StGB ist in solchen Situationen bereits die Beteiligung strafbar. Der Verletzungserfolg ist objektive Strafbarkeitsbedingung (BGE 141 IV 454 E. 2.3.2 S. 457 f.; zur blossen Verteidigung vgl. Urteil 6B_1348/2016 vom 27. Januar 2017 E. 1.1.2). Ferner wird das Verbrechen oder Vergehen gemäss Art. 102 Abs. 1 StGB dem Unternehmen gesetzlich zugerechnet, wenn die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann (BGE 142 IV 333). Eine spezifische Regelung findet sich auch zur Strafbarkeit der Medien in Art. 28 StGB.
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4.11 Wegen des nur mangelhaft durchgeführten Beweisverfahrens lässt sich nicht mehr eruieren (Erstinstanz) bzw. ist nicht mehr zu ![]() | 40 |
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