BGE 144 IV 52 | |||
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8. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S X. gegen Bundesanwaltschaft (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_150/2017 vom 11. Januar 2018 | |
Regeste |
Art. 165 Ziff. 1 StGB, Art. 33 BankG; Bankenkonkurs als objektive Strafbarkeitsbedingung der Misswirtschaft. | |
Sachverhalt | |
A. In der Anklageschrift vom 14. Dezember 2015 wirft die Bundesanwaltschaft X. zusammengefasst vor, zwischen Februar 2006 und April 2008 rund 500 Investoren vorgegeben zu haben, er würde das von ihnen an die E. SA, die F. EF und die F. GmbH überwiesene Kapital in ihrem Interesse verwalten beziehungsweise anlegen, obwohl er das überwiesene Kapital nicht angelegt, sondern entgegen den getroffenen Vereinbarungen und Versprechungen anderen Zwecken zu seinem Vorteil sowie zum Vorteil von ihm nahestehenden Dritten zugeführt und so den Investoren einen Schaden von total rund EUR 22'800'000.- zugefügt habe. Rund EUR 12'700'000.- des so erlangten Geldes soll er in qualifizierter Art und Weise gewaschen haben. Schliesslich soll er als verantwortliches Organ beziehungsweise als Geschäftsführer der E. SA, der F. EF und der F. GmbH wiederholt Handlungen vorgenommen haben, durch welche die Überschuldung dieser Gesellschaften herbeigeführt oder verschlimmert worden sei.
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Am 28. April 2016 ergänzte die Bundesanwaltschaft die Anklageschrift.
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B. Mit Urteil vom 28. Oktober 2016 stellte das Bundesstrafgericht das Verfahren gegen X. hinsichtlich des Vorwurfs der Geldwäscherei ein (Dispositivziffer I.). Es sprach X. des gewerbsmässigen Betrugs (im Zusammenhang mit der F. EF und der F. GmbH), der qualifizierten Veruntreuung (im Zusammenhang mit der E. SA) sowie der mehrfachen Misswirtschaft schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 50 Monaten (Dispositivziffern II.1 und II.2). Es hiess die Zivilklagen eines Teils der Privatkläger gut und verpflichtete X., ihnen die im Urteil aufgelisteten Beträge zu bezahlen (Dispositivziffer IV.1); den anderen Teil der Privatkläger verwies es auf den Zivilweg (Dispositivziffer IV.2). Schliesslich auferlegte es die Verfahrenskosten im Umfang von Fr. 85'000.- X., hielt die Rückzahlungspflicht der Kosten für die amtliche Verteidigung fest, verpflichtete X., einen Privatkläger für die Aufwendungen im Zivilpunkt zu entschädigen, und verweigerte X. eine Entschädigung (Dispositivziffer V.1, V.3-V.5).
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C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, "es sei die Ziff. II (Schuldspruch und Strafmass), Ziff. IV (Zivilklagen) und Ziff. V.1, 3, 4, 5 aufzuheben".
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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Nach der Rechtsprechung liegt eine nachlässige Berufsausübung vor, wenn gesetzliche Bestimmungen der Unternehmensführung missachtet werden. Dazu gehören insbesondere die Vernachlässigung der Rechnungslegung oder die Verletzung der Pflicht des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft, den Richter im Falle der Überschuldung zu benachrichtigen (Urteile 6B_1047/2015 vom 28. April 2016 E. 4.3; 6B_242/2015 vom 6. Oktober 2015 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Ein leichtsinniges Gewähren von Krediten liegt vor, wenn Kredite ohne hinreichende Prüfung des Kreditzwecks und der Kreditwürdigkeit sowie ohne entsprechende Absicherung gewährt werden (Urteile 6B_1047/2015 vom 28. April 2016 E. 4.3; 6B_54/2008 vom 9. Mai 2008 E. 7.3.2; 6S.24/2007 vom 6. März 2007 E. 3.3). Tatbestandsmässig ist nur ein krasses wirtschaftliches Fehlverhalten. Das Eingehen eines jeder Geschäftstätigkeit inhärenten Risikos ist nicht strafbar, auch wenn sich ex post herausstellt, dass eine Fehlentscheidung getroffen worden ist (Urteil 6B_1047/2015 vom 28. April 2016 E. 4.3; NADINE HAGENSTEIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 11 zu Art. 165 StGB; TRECHSEL/OGG, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 4 zu Art. 165 StGB).
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Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz hinsichtlich der Bankrotthandlung; in Bezug auf die Vermögenseinbusse genügt grobe Fahrlässigkeit (Urteile 6B_985/2016 vom 27. Februar 2017 E. 4.1.1; 6B_199/2016 vom 8. Dezember 2016 E. 2.3.3; 6B_54/2008 vom 9. Mai 2008 E. 7.3.3; 6P.169/2006 vom 29. Dezember 2006 E. 9.3; je mit Hinweisen; vgl. zu aArt. 165 StGB: BGE 115 IV 38 E. 2 S. 41; BGE 104 IV 160 E. 4a S. 165 f.).
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(...)
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Das Bankengesetz vom 8. November 1934 (BankG; SR 952.0) unterscheidet und unterschied bereits in der Fassung vom 27. Dezember 2006 die aufsichtsrechtliche (Art. 23quinquies BankG) und die konkursrechtliche Liquidation (Art. 33 ff. BankG; vgl. auch die terminologische Präzisierung im Rahmen der Gesetzesrevision vom 18. März 2011, in Kraft seit 1. September 2011, worin im elften und zwölften Abschnitt der bisherige Ausdruck "Liquidation" durch "Konkursliquidation" ersetzt wurde, um die Liquidation eines Instituts infolge Entzugs der Bewilligung zur Geschäftstätigkeit klarer von der Konkursliquidation infolge Insolvenz zu unterscheiden [Botschaft vom 12. Mai 2010 zur Änderung des Bankengesetzes, BBl 2010 4014 Ziff. 2.1]). Die aufsichtsrechtliche Liquidation erfolgt (vorbehältlich von Massnahmen nach dem elften Abschnitt), wenn die EBK beziehungsweise heute die FINMA einer Bank die Bewilligung zum Geschäftsbetrieb entzogen hat oder einer Gesellschaft, die unbewilligt einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen ist, die nachträgliche Erteilung der erforderlichen Bewilligung verweigert (Art. 23quinquies Abs. 1 BankG; vgl. BGE 139 II 279 E. 4.2 S. 285; BGE 131 II 306 E. 3.1.2 S. 314, E. 3.3 S. 317 und E. 4.1.3 S. 321; Urteile 2C_829/2013 vom 7. März 2014 E. 4.3; 2C_71/2011 vom 26. Januar 2012 E. 2.2; 2C_199/2010 /2C_202/2010 vom 12. April 2011 E. 11.2, nicht publ. in: BGE 137 II 383; je mit Hinweisen; POLEDNA/JERMINI, in: Basler Kommentar, Bankengesetz, 2. Aufl. 2013, N. 6, 15 und 20 zu Art. 23quinquies BankG; Botschaft vom 20. November 2002 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen, BBl 2002 8075 f. Ziff. 2.2.1.4). Die konkursrechtliche Liquidation ist demgegenüber eine der in Art. 25 BankG vorgesehenen Massnahmen bei Insolvenzgefahr. Die Verletzung von Bewilligungsvoraussetzungen oder aufsichtsrechtlichen Bestimmungen indiziert nicht zwingend Insolvenzgefahr (Urteile 2C_829/2013 vom 7. März 2014 E. 4.3; 2C_101/2011 vom 21. September 2011 E. 1.1.2/1.1.3). Die aufsichtsrechtliche Liquidation erfolgt unter der Aufsicht der EBK beziehungsweise FINMA, aber grundsätzlich nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln (BGE 139 II 279 E. 4.2 S. 285; BGE 131 II 306 E. 4.1.3 S. 321; Urteil 2C_829/2013 vom 7. März 2014 E. 4.3; je mit Hinweisen; EVA HÜPKES, in: Basler Kommentar, Bankengesetz, 2. Aufl. 2013, N. 38 Vor 11. bis 13. Abschnitt). Demgegenüber ist die konkursrechtliche Liquidation unter Vorbehalt der weiteren Bestimmungen des Bankengesetzes und der abweichenden Verfügungen sowie Anordnungen der EBK beziehungsweise der FINMA (vgl. die Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht vom 30. August 2012 über die Insolvenz von Banken und Effektenhändlern [BIV-FINMA; SR 952.05], welche die Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht vom 30. Juni 2005 über den Konkurs von Banken und Effektenhändlern [BKV-FINMA; AS 2005 3539; in Kraft vom 1. August 2005 bis 1. November 2012] ersetzt) nach den Art. 221-270 SchKG durchzuführen (Art. 34 Abs. 2 und 3BankG). Gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung hat die konkursrechtliche Liquidation schliesslich die Wirkungen einer Konkurseröffnung nach den Art. 197-220 SchKG (Art. 34 Abs. 1 BankG).
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Erweist sich also das betroffene Unternehmen als überschuldet oder dauernd zahlungsunfähig, ist über den unbewilligt auftretenden Finanzintermediär analog den Art. 33 ff. BankG der Bankenkonkurs zu eröffnen und durchzuführen (vgl. BGE 139 II 279 E. 4.2 S. 285 f.; BGE 136 II 43 E. 3.2 S. 46; BGE 132 II 382 E. 4.2 S. 388; BGE 131 II 306 E. 4.1.3 S. 321). Wenn die EBK beziehungsweise die FINMA eine unterstellungspflichtige und unbewilligte Tätigkeit feststellt und die aufsichtsrechtliche Liquidation verfügt, so kann sie sofort oder auch erst nachträglich ein Konkursverfahren eröffnen, sobald sich genügend Anhaltspunkte für eine Überschuldung ergeben (vgl. BGE 131 II 306 E. 4 S. 319 ff.; Urteil 2C_71/2011 vom 26. Januar 2012 E. 2.2). Eine solche liegt vor, wenn die Zwischenbilanz ergibt, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungs- noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind (Art. 725 Abs. 2 OR; BGE 131 II 306 E. 4.3.1 S. 322).
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Das Vorgehen der EBK beziehungsweise der FINMA soll dabei den Hauptzwecken der finanzmarktrechtlichen Gesetzgebung, dem Schutz der Gläubiger bzw. Anleger einerseits und der Lauterkeit des Kapitalmarkts andererseits, Rechnung tragen (BGE 136 II 43 E. 3.2 S. 46; BGE 135 II 356 E. 3.1 S. 359 f.; BGE 131 II 306 E. 3.1.2 S. 315; je mit Hinweisen). Ziel des Bankenkonkursverfahrens ist es in erster Linie, den Gläubigern in möglichst kurzer Zeit eine möglichst hohe Dividende zu entrichten. Andere Zwecke, welche das BankG ebenfalls verfolgt, insbesondere der Schutz der Stabilität des Finanzplatzes, treten im Bankenkonkurs in den Hintergrund (BAUER/HARI/JEANNERET, in: Basler Kommentar, Bankengesetz, 2. Aufl. 2013, N. 5 zu Art. 33 BankG). Die Betreibungs- und Konkursdelikte schützen primär den Anspruch der Gläubiger auf Befriedigung aus dem verbleibenden Vermögen des Schuldners. Zusätzlich dienen sie dem Schutz des Zwangsvollstreckungsrechts (vgl. BGE 134 III 52 E. 1.3.1 S. 55 f.; Urteile 6B_79/2011 vom 5. August 2011 E. 4.2; 1A.112/2004 vom 17. September 2004 E. 2.5; je mit Hinweisen; DIETER GESSLER, in: Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, Ackermann/Heine [Hrsg.], 2013, § 16 Insolvenzstrafrecht, N. 15).
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Nach dem Gesagten kann eine konkursrechtliche Liquidation nach Art. 33 ff. BankG nur bei Insolvenzgefahr erfolgen. Deren Ablauf ist zumindest teilweise mit dem Konkursverfahren gemäss SchKG identisch. Die Vorinstanz erachtet gestützt auf die Feststellungen der EBK als erstellt, dass die Anlagegesellschaften überschuldet waren und eine Sanierung aufgrund ihrer organisatorischen und finanziellen Verhältnisse aussichtslos gewesen wäre. Sie gelangt zutreffend zum Schluss, dass die Anlagegesellschaften angesichts ihrer desolaten finanziellen Verhältnisse auch von jedem ihrer Gläubiger auf dem Wege des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts in den Konkurs hätten geschickt werden können. Dass die EBK dem zuvorkam, kann nicht dazu führen, dass vorliegend die objektive Strafbarkeitsbedingung verneint werden muss. Die konkursrechtliche Liquidation gemäss Art. 33 ff. BankG deckt sich hinsichtlich Voraussetzungen, Ablauf und Wirkungen weitestgehend mit dem Konkursverfahren gemäss SchKG, weshalb die Konkurseröffnung gestützt auf Art. 33 BankG als objektive Strafbarkeitsbedingung im Sinne von Art. 165 StGB genügt.
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