BGE 144 IV 74 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) |
1B_394/2017 vom 17. Januar 2018 | |
Regeste |
Art. 246-248 und Art. 263 StPO. Unterscheidung zwischen zu durchsuchenden entsiegelungsrelevanten und nicht entsiegelungsrelevanten (direkt der Beschlagnahme unterliegenden) Aufzeichnungen und Gegenständen. | |
Sachverhalt | |
A. Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen B. und Mitbeteiligte wegen Tötungsversuchs und schwerer Körperverletzung. Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen habe der Beschuldigte am 15. Mai 2017 mehrmals auf A. geschossen und ihn dabei schwer verletzt. Da die bei der Schussabgabe anwesenden Personen Verbindungen zum Drogenmilieu hätten, sei unter anderem zu untersuchen, ob das Motiv des versuchten Tötungsdeliktes mit Drogengeschäften in Zusammenhang stehe. In den Effekten des schwer verletzten Opfers und Privatklägers wurden bei der polizeilichen Spurensicherung (noch am Tatort der Schiesserei) unter anderem Betäubungsmittel, Drogenutensilien sowie ein Rucksack mit zwei Mobiltelefonen sichergestellt. Gleichentags bzw. in der darauffolgenden Nacht liess die Staatsanwaltschaft diverse Hausdurchsuchungen durchführen, darunter auch am Wohnort des Privatklägers.
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B. Anlässlich der Hausdurchsuchung beim Privatkläger wurden unter anderem zusätzliche 10 Mobiltelefone sichergestellt, diverse weitere elektronische Geräte (darunter ein Laptop, drei Tablets, eine externe Festplatte, diverse USB-Sticks und eine Fotokamera), eine Bankkarte (Postcard) ein Portemonnaie mit Inhalt (darunter diverse Dokumente und Schlüssel), ein Notizzettel sowie weitere Schlüssel.
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C. Am 24. Mai 2017 stellte der Privatkläger ein Siegelungsbegehren. Am 29. Mai 2017 verfügte die Staatsanwaltschaft (vorsorglich) die "Beschlagnahme" der anlässlich der genannten Hausdurchsuchung sichergestellten und gesiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände. Mit Verfügung vom 30. Mai 2017 dehnte sie die Beschlagnahme aus auf die (anlässlich der Spurensicherung sichergestellten und ebenfalls gesiegelten) Betäubungsmittel und Drogenutensilien aus den Effekten des Privatklägers. Gegen die Beschlagnahmen erhob dieser Beschwerde beim Zürcher Obergericht. Am 30. Mai 2017 stellte die Staatsanwaltschaft zudem beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht zwei Gesuche um Entsiegelung aller versiegelten und (vorsorglich) beschlagnahmten Aufzeichnungen und Gegenstände.
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D. Mit Verfügung vom 25. Juli 2017 entschied das Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht (ZMG), über die Entsiegelungsgesuche wie folgt: Bei zehn Asservaten, nämlich mehreren Schlüsseln, Fr. 20.- Bargeld, einer Sonnenbrille, mehreren Gramm "Hanf" (bzw. Cannabis), einem Beutel mit "weissem Pulver" sowie Betäubungsmittelutensilien schrieb das ZMG das Entsiegelungsverfahren als gegenstandslos geworden und damit erledigt ab. Die betreffenden Gegenstände gab das ZMG an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Verwendung frei. Betreffend alle anderen versiegelten Unterlagen, Gegenstände und Datenträger (darunter mehrere Mobiltelefone und diverse andere elektronische Datenträger) hiess das ZMG das Entsiegelungsgesuch gut. Gleichzeitig bewilligte es deren Durchsuchung und weitere Verwendung durch die Staatsanwaltschaft.
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E. Gegen den Entsiegelungsentscheid des ZMG gelangte A. mit Beschwerde vom 14. September 2017 (...) an das Bundesgericht. Er beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung der Entsiegelungsgesuche. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
2. Zunächst ist zu prüfen, ob die Vorinstanz ein bundesrechtskonformes Verfahren durchgeführt hat. Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, das ZMG habe ihm den gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz verweigert. Die Ansicht der Vorinstanz, ein Teil der versiegelten und gleichzeitig förmlich beschlagnahmten Aufzeichnungen und Gegenstände sei weder einer Durchsuchung (Art. 246 StPO) noch dem Geheimnisschutz des Entsiegelungsverfahrens (Art. 248 StPO) zugänglich, sei bundesrechtswidrig. Das ZMG habe auf die Entsiegelungsgesuche gar nicht eintreten dürfen. Diese seien jedenfalls abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden könne.
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Die Inhaberin oder der Inhaber kann sich vorgängig zum Inhalt der zu durchsuchenden Aufzeichnungen und Gegenstände äussern (Art. 247 Abs. 1 StPO). Die Inhaberin oder der Inhaber kann der Strafbehörde Kopien von Aufzeichnungen und Ausdrucke von gespeicherten Informationen zur Verfügung stellen, wenn dies für das Verfahren ausreicht (Art. 247 Abs. 3 StPO). Sichernde Zwangsmassnahmen anstelle von blossen Editionsbefehlen (Art. 265 StPO) sind zulässig, wenn die Herausgabe verweigert wurde oder die Aufforderung zur Edition den Zweck der Massnahme vereiteln würde (Art. 265 Abs. 4 StPO). Ist Gefahr im Verzug, so kann die Polizei Gegenstände zuhanden der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte vorläufig sicherstellen (Art. 263 Abs. 3 StPO; s.a. Art. 241 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 StPO).
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2.3 Soweit der Geheimnisschutz von durchsuchbaren sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen betroffen ist (Art. 246-248 StPO), schliesst das Gesetz die Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz ausdrücklich aus (Art. 248 Abs. 3 i.V.m. Art. 380 StPO). Statt dessen ist in diesen Fällen der Rechtsbehelf des Siegelungsbegehrens (Art. 247 Abs. 1 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO) zu ergreifen und (im Falle eines Entsiegelungsgesuches) das Entsiegelungsverfahren vor dem ZMG zu durchlaufen. Gegen den Entsiegelungsentscheid kann (unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. BGG) grundsätzlich Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht erhoben werden (vgl. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).
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Zu durchsuchende gesiegelte Beweismittel (etwa abgerufene Fernmeldenachrichten auf sichergestellten Mobiltelefonen) sind erst nach erfolgter Entsiegelung und Durchsuchung förmlich zu beschlagnahmen (Art. 263 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 246-248 StPO). Vorher kann die Staatsanwaltschaft auch gar noch nicht im Detail wissen, was sie sichergestellt hat, was beweisrelevant ist und was sie überhaupt unter welchem Titel förmlich beschlagnahmen will (vgl. BGE 143 IV 270 E. 4.4 S. 273; BGE 141 IV 77 E. 4.1 S. 81; Urteile 1B_273/2015 vom 21. Januar 2016 E. 1.2; 1B_65/2014 vom 22. August 2014 E. 2.2, 2.4).
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Anders ist die Rechtslage, wenn keine Geräte physisch sichergestellt und ausgewertet und keine gespeicherten Nachrichten nach dem Fernmelde-Kommunikationsvorgang ediert und gesichtet werden, sondern wenn die Staatsanwaltschaft digitale Nachrichten geheim abfangen bzw. "aktiv", noch während des Kommunikationsvorgangs, beim Fernmeldedienst- oder Internetzugangs-Provider edieren lässt: Solange die betreffenden Nachrichten vom Empfänger noch nicht auf dem Gerät abgerufen worden sind, liegt in diesen Fällen grundsätzlich eine Fernmeldeüberwachung vor (BGE 143 IV 270 E. 4.6 S. 275; 140 IV 181 E. 2.4-2.7 S. 184-187; je mit Hinweisen).
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Die Abschreibung des Entsiegelungsverfahrens betrifft mehrere Schlüssel, Fr. 20.- Bargeld, eine Sonnenbrille, mehrere Gramm "Hanf" (bzw. Marihuana/Cannabis), einen Beutel mit "weissem Pulver" sowie Betäubungsmittelutensilien. Weder ist ersichtlich, inwiefern es sich dabei um zu durchsuchende Schriftstücke, Aufzeichnungen und Datenträger im Sinne von Art. 246 StPO handeln könnte, noch, inwiefern daran schutzwürdige Geheimnisrechte im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO angerufen werden könnten. Mutmassliche Drogen sind nicht (nach Art. 246 StPO) zu "durchsuchen", sondern spurentechnisch und chemisch-toxikologisch zu analysieren (vgl. Art. 182-191 StPO). Dafür sind sie sicherzustellen und zu Einziehungs- und Beweiszwecken zu beschlagnahmen (Art. 263 Abs. 1 lit. a und d StPO i.V.m. Art. 69 f. StGB). Der Beschwerdeführer legt auch keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen an den sichergestellten mutmasslichen Betäubungsmitteln oder an den Drogenutensilien dar. Das blosse Motiv, dass eine Person (namentlich eine beschuldigte oder verdächtige Person) strafprozessuale Beweiserhebungen möglichst unterbinden möchte, begründet für sich allein noch kein rechtlich geschütztes Geheimnisinteresse im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO (BGE 142 IV 207 E. 11 S. 228).
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Analoges gilt für die übrigen von der Vorinstanz als nicht entsiegelungsrelevant eingestuften Gegenstände. Auch Schlüssel, Fr. 20.- Bargeld oder eine Sonnenbrille sind nicht nach Art. 246 StPO zu durchsuchen. Sofern mit den hier sichergestellten Schlüsseln Behältnisse (z.B. Banksafes) geöffnet werden sollten, die dem Geheimnisschutz unterlägen und deren Durchsuchung verfügt würde, stünde es dem Beschwerdeführer dannzumal frei, ein entsprechendes Siegelungsbegehren zu stellen. Eine Beschlagnahme von Schlüsseln, Bargeld oder Kontenguthaben könnte er grundsätzlich mit Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz anfechten (vgl. Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO).
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Die nicht entsiegelungsrelevanten und von vornherein nicht dem Geheimnisschutz vor Durchsuchungen unterliegenden Drogen (und weitere "nicht siegelungsfähige" Gegenstände) hat die Staatsanwaltschaft bereits mit förmlichem Einziehungs- und Beweismittelbeschlag belegt (Art. 263 Abs. 1 lit. a und d StPO). Der Beschwerdeführer hat diese Zwangsmassnahme mit separater Beschwerde beim kantonalen Obergericht angefochten, und im angefochtenen Entscheid wird zutreffend erwogen, dass diese Beschlagnahmen Gegenstand des hängigen StPO-Beschwerdeverfahrens bilden (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO).
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Was die entsiegelungsrelevanten (zu durchsuchenden und grundsätzlich dem Geheimnisschutz zugänglichen) Unterlagen, Aufzeichnungen und Datenträger betrifft, namentlich die sichergestellten und versiegelten Mobiltelefone, ist demgegenüber das gesetzliche Entsiegelungsverfahren durchzuführen (Art. 248 StPO). Dies gilt insbesondere für die zu durchsuchende bereits abgeschlossene Fernmeldekommunikation auf diversen elektronischen Geräten (vgl. oben, E. 2.4). Die kantonale StPO-Beschwerde ist in diesem Bereich gesetzlich ausgeschlossen (Art. 248 Abs. 3 i.V.m. Art. 380 StPO und Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG). Das ZMG hat die Entsiegelungssache daher (im Hinblick auf die separat erhobene StPO-Beschwerde gegen die Beschlagnahmen) mit Recht nicht sistiert, sondern den hier angefochtenen Entscheid gefällt, soweit die Entsiegelungsgesuche nicht gegenstandslos waren und den Geheimnisschutzbereich vor Durchsuchungen betrafen (Art. 246-248 StPO).
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