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9. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und B. (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_572/2020 vom 8. Januar 2021 | |
Regeste |
Art. 146 Abs. 1 StGB; Betrug; Entgelt für sexuelle Dienstleistungen; Täuschung über die Zahlungsbereitschaft; Arglist; Vermögensschaden. |
Dem Anspruch einer sich prostituierenden Person auf Entschädigung für die von ihr erbrachte sexuelle Dienstleistung kommt Vermögenswert zu (E. 7.2). | |
Sachverhalt | |
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A. wird vorgeworfen, er habe der Privatklägerin, welche während der Fahrt nach V. nachgefragt habe, ob sie die Fr. 2'000.- im Voraus haben könne, wahrheitswidrig versichert, er habe das Geld auf sich und werde es ihr erst nach dem Geschlechtsverkehr geben. Durch sein Verhalten habe er die Privatklägerin über seine Solvenz und seinen Leistungswillen getäuscht, worauf sie im Irrtum hierüber mit ihm im Hotel den Geschlechtsverkehr ausgeübt habe. Nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs habe A. ihr auf weitere Fragen nach der Gegenleistung versichert, sie werde das Geld nach einem weiteren Liebesakt bekommen. Nach diesem zweiten Geschlechtsverkehr habe die Privatklägerin einen Joint geraucht und sei daraufhin eingeschlafen. In der Folge habe A. alle Chat-Verläufe, E-Mails und Fotos von sich aus dem Mobiltelefon der Privatklägerin ![]() ![]() | 2 |
B. Das Kreisgericht St. Gallen (Einzelrichter) erklärte A. mit Entscheid vom 29. November 2018 des Betruges, der Datenbeschädigung und des geringfügigen Diebstahls schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je Fr. 110.-, mit bedingtem Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 300.-, bei schuldhafter Nichtbezahlung umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen. Ferner verpflichtete es A. zur Leistung von Schadenersatz im Umfang von Fr. 2'041.- an die Privatklägerin.
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Die vom Beurteilten gegen diesen Entscheid erhobene Berufung wies das Kantonsgericht St. Gallen am 9. Januar 2020 ab.
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C. A. führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, er sei von der Anklage des Betruges freizusprechen und lediglich der Datenbeschädigung sowie des geringfügigen Diebstahls schuldig zu erklären. Er sei hiefür zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 110.-, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 300.- zu verurteilen. Die Zivilklage sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei sie auf den Zivilweg zu verweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Wahrung des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D. Der Präsident der Strafrechtlichen Abteilung hat auf Gesuch von A. der Beschwerde mit Verfügung vom 5. Juni 2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 2 | |
2.1 Die Vorinstanz nimmt in Bezug auf das Merkmal der Täuschung an, der Beschwerdeführer habe die Privatklägerin arglistig über ![]() ![]() | 9 |
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Privatklägerin nicht über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht. In diesem Zusammenhang rügt er zunächst eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts. Die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, er habe die Privatklägerin durch sein Auftreten und mit seinem Erscheinungsbild, namentlich dem Personenwagen aus dem gehobenen Preissegment, über seine Solvenz und seinen Leistungswillen getäuscht. Er habe Betriebswirtschaft mit Vertiefung im Banking und Finance, Rechnungswesen, Controlling und strategisches ![]() ![]() | 10 |
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, soweit man ihm vorwerfen wolle, dass er die Privatklägerin über seinen Zahlungswillen getäuscht habe, habe er sich dabei jedenfalls keiner besonderen Machenschaften bedient. Überdies habe die Privatklägerin, indem sie ihre Dienstleistung ohne Überprüfung seiner Zahlungsfähigkeit und seines Zahlungswillens erbracht habe, die ihr zumutbaren Vorsichtsmassnahmen missachtet. Im Bereich der entgeltlich erbrachten sexuellen Handlungen sei es zumindest Usanz, wenn nicht generelle Regel, dass die Entschädigung für die Dienstleistung im Voraus bezahlt werde. Die Privatklägerin hätte daher allen Anlass gehabt, seine Zahlungsfähigkeit zu überprüfen, zumal sie offenbar auch Zweifel daran gehabt habe, ob sie das Geld bekommen werde. Insgesamt habe die Privatklägerin leichtsinnig gehandelt, wenn sie ihre Dienstleistung trotz angeblicher Bedenken ohne jegliche Sicherheit erbracht habe. Es fehle somit jedenfalls an einer arglistigen Täuschung.
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Erwägung 3 | |
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Angriffsmittel des Betruges ist die Täuschung des Opfers. Die Täuschung ist eine unrichtige Erklärung über Tatsachen, die darauf ![]() ![]() | 13 |
Die Täuschung im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB kann auch durch konkludentes Handeln erfolgen, indem der Täter die Unwahrheit nicht ausdrücklich zum Ausdruck bringt, sondern durch sein Verhalten miterklärt (BGE 140 IV 11 E. 2.3.2; BGE 127 IV 163 E. 2b; Urteil 6B_316/2009 vom 21. Juli 2009 E. 2.4 in: AJP 2009 S. 1486; MAEDER/NIGGLI, a.a.O., N. 46 und 114 ff. zu Art. 146 StGB; GARBARSKI/BORSODI, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. II, 2017, N. 15 f., 18 zu Art. 146 StGB). Eine konkludente Täuschung liegt vor, wenn dem Verhalten des Täters im sozialen Verkehr ein Erklärungswert zukommt (Urteil 6B_1231/2016 vom 22. Juni 2017 E. 7.5; STRATENWERTH UND ANDERE, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl. 2010, § 15 N. 14). Wesentlich ist, wie der Adressat die Erklärung nach der Verkehrsanschauung vernünftigerweise verstehen durfte (für das deutsche Recht: KLAUS TIEDEMANN, in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 12. Aufl., Berlin 2012, N. 29 f. zu § 263 StGB; SCHÖNKE/SCHRÖDER-PERRON, Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl., München 2019, N. 15 zu § 263 StGB). Dementsprechend erklärt, wer einen Vertrag eingeht, in der Regel konkludent die innere Tatsache, dass er gewillt ist, die Leistung zu erbringen (BGE 125 IV 124 E. 2d; TRECHSEL/CRAMERI, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 3 zu Art. 146 StGB).
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3.2 Die Erfüllung des Tatbestandes erfordert eine qualifizierte, arglistige Täuschung. Art und Intensität der angewandten Täuschungsmittel müssen sich durch eine gewisse Raffinesse oder Durchtriebenheit auszeichnen und eine erhöhte Gefährlichkeit offenbaren. In diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung Arglist vor bei einem Lügengebäude, d.h. bei mehrfachen, raffiniert aufeinander abgestimmten Lügen, durch welche sich selbst ein kritisches Opfer täuschen lässt, oder bei besonderen Machenschaften im Sinne von eigentlichen Inszenierungen, die durch intensive, planmässige und systematische Vorkehrungen, nicht aber notwendigerweise durch eine besondere tatsächliche oder intellektuelle Komplexität gekennzeichnet sind. Bei einfachen falschen Angaben bejaht die ![]() ![]() | 15 |
Gestützt auf diese Rechtsprechung wird Arglist grundsätzlich verneint, wenn das Täuschungsopfer den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können (BGE 135 IV 76 E. 5.2 mit Hinweis auf BGE 72 IV 126 E. 1). Damit trägt das Bundesgericht bei der Würdigung des Merkmals der Arglist dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung Rechnung (BGE 125 IV 124 E. 3a). Das Mass der vom Täuschungsopfer zu erwartenden zumutbaren Selbstschutzmöglichkeiten beurteilt sich dabei nach einem individuellen Massstab, der den besonderen Verhältnissen des Täuschungsopfers Rechnung trägt. Die Rechtsprechung nimmt dabei Rücksicht auf unerfahrene und aufgrund von Alter oder Krankheit beeinträchtigte Opfer oder auf solche, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer Notlage befinden und deshalb nur eingeschränkt im Stande sind, dem Täter zu misstrauen.
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Ob das täuschende Verhalten des Täters als arglistig und das Opferverhalten als leichtfertig erscheint und letzterem allenfalls überwiegendes Gewicht zukommt, lässt sich nur unter Berücksichtigung der näheren Umstände, unter denen die Täuschung erfolgt ist, sowie der persönlichen Beziehungen zwischen den beteiligten Personen schlüssig beantworten. Denn der Tatbestand des Betruges ist ein Kommunikations- bzw. Interaktionsdelikt, bei welchem Täter und Opfer notwendig zusammenwirken, der Täter auf die Vorstellung des Opfers einwirkt und dieses zur schädigenden Vermögensverfügung veranlasst (Urteile 6B_97/2019 vom 6. November 2019 E. 2.1.1; 6B_1256/2018 vom 28. Oktober 2019 E. 2.4; 6B_151/2019 vom 17. April 2019 E. 4; 6B_309/2017 vom 16. Oktober 2017 E. 4.2). Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung erfordert die Erfüllung des Tatbestands nicht, dass das Täuschungsopfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle erdenklichen Vorkehrungen trifft. Als Ausgangspunkt gilt in jedem Fall, dass beim Abschluss eines Vertrages beim Partner ein Minimum an Redlichkeit vorausgesetzt werden kann und diesem nicht grundsätzlich mit Misstrauen begegnet werden muss (Urteile 6S.467/2002 vom ![]() ![]() | 17 |
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Erwägung 4 | |
Erwägung 4.1 | |
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4.1.3 Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkt nicht zu beanstanden. Zunächst ist nicht ersichtlich, inwiefern die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen zum Auftreten des Beschwerdeführers und dem von ihm vorgegebenen beruflichen Umfeld, aus welchen sie schliesst, jener habe über seine Solvenz getäuscht, mit sachlichen Gründen nicht haltbar sein sollen. So trifft namentlich nicht zu, dass die Feststellung, der Beschwerdeführer habe gegenüber der Privatklägerin wiederholt wahrheitswidrig angegeben, er arbeite im Finanzbereich bzw. im Bereich "Finance & Banking", aktenwidrig ist, zumal jener die ihm zugesagte Stelle nach Abschluss der Ausbildung erst auf Anfang September antreten sollte. Es mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer ein Studium der Betriebswirtschaft mit Vertiefung im Finanzbereich, Rechnungswesen, Controlling und strategisches Unternehmertum absolviert hat. Doch ist nicht ersichtlich, inwiefern die Behauptung, man sei im Finanzbereich tätig, wenn eine Stelle in diesem Sektor erst in Aussicht steht, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entsprechen soll. Im Weiteren ist unerfindlich, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll, wenn sie annimmt, der Beschwerdeführer sei beim Treffen mit der Privatklägerin in einem teuer aussehenden Wagen vorgefahren. Dass ![]() ![]() | 21 |
Vor diesem Hintergrund nimmt die Vorinstanz zu Recht an, die Privatklägerin habe von der Zahlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgehen dürfen. Jedenfalls ist dieser Schluss nicht schlechterdings unhaltbar. Was der Beschwerdeführer in diesem Punkt vorbringt, ist, soweit sich seine Ausführungen nicht in einer unzulässigen appellatorischen Kritik erschöpfen, nicht geeignet, Willkür darzutun. Im Übrigen sind die Erwägungen der Vorinstanz über das falsche Erwartungen weckende Auftreten des Beschwerdeführers vor allem im Lichte der Täuschung über dessen Zahlungs bereitschaft zu sehen. Denn die Vorinstanz nimmt im Wesentlichen an, die Privatklägerin habe wegen des Eindrucks vom Beschwerdeführer als eines solventen Mannes keinen Anlass gehabt, an dessen Leistungsbereitschaft zu zweifeln. Insofern kommt der Täuschung über die Zahlungs fähigkeit für sich allein nur untergeordnete Bedeutung zu.
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4.2 Das angefochtene Urteil verletzt auch kein Bundesrecht, soweit die Vorinstanz das Tatbestandsmerkmal der Arglist bejaht. Dabei ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über seinen Zahlungswillen und damit über eine innere Tatsache getäuscht hat, die ihrem Wesen nach grundsätzlich nicht überprüfbar war (vgl. oben E. 3.3). Zwar trifft zu, dass aus der offensichtlichen Unfähigkeit zur Erfüllung auf mangelnde Leistungsbereitschaft geschlossen werden kann. Doch ist im vorliegenden Kontext von Bedeutung, dass die Privatklägerin nicht bloss aufgrund der Vereinbarung ihres Treffens von der Zahlungsbereitschaft des Beschwerdeführers ausgehen durfte, sondern dass dieser durch sein Auftreten aktiv den Eindruck erweckt hat, er sei zur Entrichtung des vereinbarten Entgelts ohne Weiteres willens und in der Lage. In diesem Zusammenhang ist ferner bedeutsam, dass der Beschwerdeführer gegenüber der Privatklägerin unter falschem Namen aufgetreten ist und er auch bei sämtlichen weiteren Kontakten über E-Mail, WhatsApp und Telefon diese falsche Identität beibehalten hat, so dass von betrügerischen Machenschaften auszugehen ist. Damit unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt von der Konstellation, in welcher ein Hotelgast die Beherbergung oder Bewirtung ohne ein über das blosse Verschweigen der mangelnden Zahlungsfähigkeit und ![]() ![]() | 23 |
Im Übrigen lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht sagen, dass die Privatklägerin nicht zu überprüfen versucht hat, ob jener das Geld bei sich hatte. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat sich die Privatklägerin vielmehr tatsächlich danach erkundigt, ob das Geld da sei und der Beschwerdeführer es ihr wirklich geben würde. Auch der Beschwerdeführer räumt ein, dass die Privatklägerin ihn vor bzw. während der Fahrt gefragt habe, ob sie das Geld haben könne, und dass sie genervt reagiert habe, weil er es ihr nicht wunschgemäss im Voraus ausgehändigt habe sowie, dass sie zunächst Vorauszahlung verlangt habe. Bei dieser Sachlage lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass die Privatklägerin leichtfertig gehandelt und das Risiko einer Nichtbezahlung bewusst einkalkuliert hätte.
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich eine Leichtfertigkeit des Verhaltens, welche die Verantwortung für den erlittenen Schaden allein der Privatklägerin aufbürden würde, auch nicht daraus, dass diese ihre sexuellen Dienste erbracht hat, ohne auf der Vorauszahlung des vereinbarten Entgelts bestanden zu haben. Ob die Vorleistung im zu beurteilenden Kontext als sozialüblich zu gelten hat (MAEDER/NIGGLI, a.a.O., N. 116 zu Art. 146 StGB; vgl. auch GUNTHER ARZT, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 86 zu Art. 146 StGB; ferner SANDRA HOTZ, Selbstbestimmung im Vertragsrecht: unter besonderer Berücksichtigung von Verträgen zu "Liebe", Sex und Fortpflanzung, 2017, S. 258 [nachfolgend: Selbstbestimmung]), muss hier nicht entschieden werden. Denn aufgrund der willkürfreien tatsächlichen Feststellungen haben der Beschwerdeführer und die Privatklägerin die Bezahlung unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr vereinbart und hat der Beschwerdeführer allfällige Zweifel der Privatklägerin durch seine Beteuerungen, er werde ihr das Geld danach tatsächlich übergeben, zerstreut. Dazu kommt, dass mutmassliche Gepflogenheiten bei ![]() ![]() | 25 |
Insgesamt ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Merkmal der Arglist bejaht. Es mag zutreffen, dass die Privatklägerin in ihrem Verhalten in gewissem Masse leichtgläubig war. Doch führt nach der Rechtsprechung selbst der Umstand, dass das Handeln einer geschädigten Person durch ein erhebliches Mass an Naivität oder augenfälligem Leichtsinn geprägt ist, für sich allein nicht notwendig zur Verneinung der Arglist und damit zur Straflosigkeit des Täters, zumal das Strafrecht auch unerfahrene oder vertrauensselige Personen vor betrügerischen Machenschaften schützt (BGE 142 IV 153 E. 2.2.2; BGE 135 IV 76 E. 5.3; Urteile 6B_150/2017 vom 11. Januar 2018 E. 3.3, nicht publ. in: BGE 144 IV 52; 6B_480/2018 vom 13. September 2019 E. 1.1.1; 6B_1172/2013 vom 18. November 2014 E. 3.4; 6B_1076/2009 vom 22. März 2010 E. 6.4 a.E.; je mit Hinweisen). Die Rechtsprechung nimmt eine alleinige, zum Ausschluss der Strafbarkeit des Täuschenden führende Verantwortung des Opfers daher nur in Ausnahmefällen an und schliesst Arglist zum Schutz auch leichtgläubiger Opfer mithin nur in Extremfällen bzw. Fällen gröbsten Mitverschuldens aus, wenn das Opfer jegliche Vorsicht vermissen lässt und das täuschende Verhalten des Täters zu vernachlässigen ist (BGE 143 IV 302 E. 1; BGE 142 IV 153 E. 2.2.2; BGE 135 IV 76 E. 5.2; Urteile 6B_1249/2019 vom 6. Mai 2020 E. 2.4.5; 6B_977/2018 vom 27. Dezember 2018 E. 1.2.4; je mit Hinweisen). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Vorinstanz verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass die Strafbarkeit beim Betrug durch das Verhalten des Täuschenden begründet wird und nicht durch jenes des Täuschungsopfers, das im Alltag seinem Vertragspartner nicht wie einem mutmasslichen Betrüger gegenübertreten muss (BGE 142 IV 153 E. 2.2.2; BGE 135 IV 76 E. 5.3; Urteile 6B_383/2013 vom 9. September 2013 E. 2.2. a.E.; 6S.168/ 2006 vom 6. November 2006 E. 2.3). ![]() | 26 |
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Erwägung 5 | |
5.1 Die Vorinstanz gelangt weiter zum Schluss, die Privatklägerin habe, indem sie um ihr Entgelt für die von ihr erbrachten sexuellen Dienstleistungen geprellt worden sei, einen Vermögensschaden erlitten. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels der Wertvorstellungen sei nicht von der Sittenwidrigkeit des Prostitutionsvertrages bzw. von dessen Nichtigkeit gemäss Art. 20 Abs. 1 OR auszugehen. Die von Erwachsenen freiwillig und ohne kriminelle Begleiterscheinungen getroffene Vereinbarung einer sexuellen Dienstleistung gegen Entgelt sei nach den heute anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft mithin nicht mehr per se als sittenwidrig zu qualifizieren. Verschiedene kantonale Gesetze, namentlich etwa das Gesetz des Kantons Bern vom 7. Juni 2012 über das Prostitutionsgewerbe (PGG; BSG 935.90), regelten denn auch heute die Prostitutionstätigkeit und das Prostitutionsgewerbe, womit zum Ausdruck gebracht werde, dass die selbstbestimmte Erwachsenenprostitution als legale Erwerbstätigkeit bzw. als Gewerbe anerkannt sei. Sodann sei auch das Bezirksgericht Horgen/ZH in einem Entscheid aus dem Jahre 2013 zum Schluss gelangt, dass Verträge, welche sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt zum Gegenstand hätten, mangels Sittenwidrigkeit nicht nichtig, sondern rechtlich durchsetzbar seien (angefochtenes Urteil und erstinstanzliches Urteil; je mit Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichts Horgen vom 9. Juli 2013, FV120047, E. 2.1.3, in: ZR 112/2013 Nr. 85). Im Weiteren gehe auch der Bundesrat mit Blick auf die kantonale Gesetzgebung und den fortwährenden Wertewandel in der Gesellschaft davon aus, dass der Vertrag über die entgeltliche Erbringung von sexuellen Dienstleistungen heute nicht mehr ohne Weiteres als sittenwidrig angesehen werden dürfe (angefochtenes Urteil und erstinstanzliches Urteil; je mit Hinweis auf den Bericht des Bundesrates betreffend Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung vom 5. Juni 2015, S. 19). Schliesslich erweise sich die Annahme der Sittenwidrigkeit auch vor dem Hintergrund einer ![]() ![]() | 28 |
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Erwägung 6 | |
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6.2 Die Rechtsprechung geht von einem juristisch-wirtschaftlichen Vermögensbegriff aus. Dabei bildet Ausgangspunkt der objektive wirtschaftliche Wert der einzelnen Vermögensgüter. Danach setzt sich das Vermögen zusammen aus der Summe aller geldwerten ![]() ![]() | 31 |
Erwägung 7 | |
7.1 Das angefochtene Urteil verletzt auch in diesem Punkt kein Bundesrecht. Wie die kantonalen Instanzen zutreffend erwägen, erscheint als wichtigster Aspekt der Vertragsfreiheit die Inhaltsfreiheit (Art. 19 Abs. 1 OR). Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nach Art. 19 Abs. 2 OR freilich nur zulässig, wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst. Dementsprechend ist ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, gemäss Art. 20 Abs. 1 OR nichtig. Nach der Rechtsprechung gelten Verträge als sittenwidrig, wenn sie gegen die herrschende Moral, d.h. gegen das allgemeine Anstandsgefühl oder die der Gesamtrechtsordnung immanenten ethischen Prinzipien und Wertmassstäbe verstossen (BGE 136 III 474 E. 3; BGE 132 III 455 E. 4.1; BGE 129 III 604 E. 5.3; BGE 123 III 101 E. 2; je mit Hinweisen). Sittenwidrig können danach nur Rechtsgeschäfte mit eindeutig schwerwiegenden Verstössen gegen die öffentliche Ordnung oder anerkannte und im Wandel der Zeit beständige Moralvorstellungen sein (Urteil 4C.172/2000 vom 28. März 2001 E. 5e, in: AJP 2002 S. 464 und Pra 2001 Nr. 136 S. 812). Nach der Rechtsprechung darf der Vorbehalt der guten Sitten mithin nur als Notventil verstanden werden, um Abmachungen mit eindeutig schwerwiegenden Verstössen gegen anerkannte Moralvorstellungen die Durchsetzbarkeit zu versagen (Urteil 6B_188/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 2.3 mit Hinweis).
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Der Beschwerdeführer weist in diesem Kontext zwar zu Recht darauf hin, dass die bisherige Rechtsprechung von der ![]() ![]() ![]() | 33 |
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Schliesslich verweisen die kantonalen Instanzen als Beleg für einen Wandel in den Wertanschauungen auch zu Recht auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2012 auf die Interpellation "Privatrechtliche Anerkennung des Prostituiertenlohnes" (www.parlament. ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20123187) und den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 11. Januar 2016 zu der vom Kanton Bern im Jahr 2012 beim Bund eingereichten Standesinitiative "Prostitution ist nicht sittenwidrig" (Geschäftsnummer 12.317). In diesem Bericht gelangt die Kommission zur Auffassung, dass die Gerichte Verträge zur Erbringung sexueller Handlungen gegen Entgelt künftig nicht mehr als sittenwidrig anschauen würden und deshalb keine Notwendigkeit mehr bestehe, eine ausdrückliche Regelung im Gesetz vorzusehen (angefochtenes Urteil und erstinstanzliches Urteil [mit Hinweis auf die neue Rechtslage in Österreich und Deutschland; vgl. hiezu SCHÖNKE/SCHRÖDER-PERRON, Strafgesetzbuch, a.a.O., N. 93a zu § 263 StGB; THOMAS FISCHER, Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 67. Aufl., München 2020, N. 107 f. zu § 263 StGB]; vgl. www.parlament.ch/ centers/kb/Documents/2012/Kommissionsbericht_RK-S_12.317_ 2016-02-01.pdf; www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/ geschaeft?AffairId=20120317; ferner HOTZ, Selbstbestimmung, a.a.O., S. 256; Bericht des Bundesrates über "Prostitution und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, S. 19 www.fedpol.admin.ch/dam/data/fedpol/kriminalitaet/menschenhandel/ber-br-prost-mh-d.pdf).
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7.2 Im zu beurteilenden Fall stellt sich allein die Frage, ob dem auf einer selbstbestimmten Vereinbarung zur Erbringung einer sexuellen Dienstleistung gegen Entgelt beruhende Anspruch der Privatklägerin auf Entschädigung nach Erbringung ihrer Leistung strafrechtliche Schutzwürdigkeit zuerkannt werden muss. Dies ist zu bejahen. Wie der Prostitutions- oder Sexarbeitervertrag in allen ![]() ![]() ![]() | 36 |
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