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10. Urteil vom 19. Januar 1972 i.S. Kuster gegen Ausgleichskasse des Kantons Luzern und Versicherungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 12 IVG. |
Art. 13 IVG. |
Kein Anspruch gemäss dieser Bestimmung, wenn das Geburtsgebrechen des Versicherten nicht vor dessen Mündigkeit behandelt werden kann. |
Art. 78 Abs. 3 IVV. |
Die Kosten von Abklärungsmassnahmen, denen sich der noch minderjährige Versicherte unterzieht, gehen nicht zu Lasten der Invalidenversicherung, wenn die Behandlung des Geburtsgebrechens erst nach Eintritt der Volljährigkeit einsetzen kann. | |
Sachverhalt | |
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B.- André Kuster liess gegen diese Verfügung Beschwerde erheben. Beantragt wurde Kostenübernahme für die inzwischen durchgeführte Nierenoperation. Der Zustand, der den Beschwerdeführer berechtigt hätte, die Invalidenversicherung in Anspruch zu nehmen, habe beweisbar bereits zur Zeit der Minderjährigkeit bestanden, aber infolge unverschuldeter Fehldiagnose des Arztes erst 14 Tage nach Erreichen der Mündigkeitangemeldetwerden können; daher sei der Beschwerdeführer gegenüberderlnvalidenversicherungaus Art. 13 IVG anspruchsberechtigt geblieben...
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Die Invalidenversicherungs-Kommission beantragte Abweisung der Beschwerde; die Ausgleichskasse schloss sich diesem Antrag im wesentlichen an, hielt aber dafür, die Invalidenversicherung ![]() | 3 |
C.- Der Vater des Beschwerdeführers hat für diesen den kantonalen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht weitergezogen und das im vorinstanzlichen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuert...
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Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung lassen sich mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen. Das Bundesamt beantragt überdies Aufhebung von Ziffer 1, 1. Halbsatz, im Dispositivdes kantonalen Entscheides, weildie Voraussetzungen für die Übernahme von Untersuchungskosten gemäss Art. 78 Abs. 3 IVV nicht erfüllt seien.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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2. a) Art. 13 Abs. 1 IVG gewährt Minderjährigen, die an einem Geburtsgebrechen leiden, einen Rechtsanspruch auf alle zur Behandlung dieses Gebrechens notwendigen medizinischen Massnahmen, und zwar unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung in das Erwerbsleben (Art. 8 Abs. 2 IVG). Mit dieser weitgehenden Privilegierung nimmt die erwähnte Bestimmung eine besondere Stellung im System der Invalidenversicherung ein; Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit gebieten eine strikte Abgrenzung ihres Anwendungsbereiches. Dies geschieht einerseits durch die abschliessende Umschreibung der Geburtsgebrechen in der Verordnung über Geburtsgebrechen und anderseits durch Einschränkung der Anspruchsberechtigung auf Minderjährige. Ausnahmen von dieser Regelung sind - vorbehältlich Art. 13 Abs. 2 zweiter Satz IVG - weder gesetzlich vorgesehen noch gerechtfertigt, zumal seit 1964 auch die soziale Krankenversicherung für Geburtsgebrechen leistungspflichtig ist (vgl. Art. 14 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung). Das Gericht verweist unter anderen auf die Urteile i.S. Widmer vom 12. November 1971, Diethelm vom 20. Mai 1970 (ZAK 1970 S. 556), Schmocker vom 5. Mai 1970, Weibel vom 9. März 1970 (ZAK 1970 ![]() | 7 |
Die Rechtsprechung stellt bei Beurteilung der Ansprüche aus Art. 13 IVG stets auf den Zeitpunkt der Durchführung der Massnahme ab und nicht aufein formelles Kriterium wie das Datum der Anmeldung, des ärztlichen Untersuchs oder der Verwaltungsverfügung. Diese Praxis gewährleistet eine möglichst einheitliche Anwendung des Art. 13 IVG und wird überdies der besonderen Stellung dieser Norm im System der Invalidenversicherung gerecht. In diesem Sinne wurde beispielsweise im Falle eines Versicherten, der sich fünf Tage vor Eintritt der Volljährigkeit bei der Invalidenversicherung angemeldet hatte, die Übernahme der Behandlungskosten eines Geburtsgebrechens zu Lasten der Invalidenversicherung gemäss Art. 13 IVG verweigert, weil die Behandlung als solche in die Zeit der Volljährigkeit gefallen wäre (vgl. das erwähnte Urteil i.S. Diethelm, Erw. 1).
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b) Nach dem Gesagten haben Verwaltung und Vorinstanz einen Rechtsanspruch des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 13 IVG zu Recht verneint. Art. 1 Abs. 1 GgV, wonach der Zeitpunkt unerheblich ist, in welchem das Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Denn dieser Rechtssatz hat lediglich im Rahmen von Art. 13 IVG Bedeutung, also insbesondere unter der Voraussetzung, dass die erforderliche Massnahme noch vor Eintritt der Volljährigkeit durchgeführt werden kann. Auch die Beitragszahlung vor Erreichen des Mündigkeitsalters begründet an sich keinen Anspruch auf Leistungen gemäss der erwähnten Gesetzesbestimmung. Dieser Anspruch hängt neben den besonderen Voraussetzungen des Art. 13 IVG - die hier, wie ausgeführt, nicht vorliegen - bloss vom Versichertsein (Art. 6 Abs. 1 IVG) ab, welche Eigenschaft gemäss Art. 1 und 2 IVG in Verbindung mit Art. 3 AHVG nur beschränkt mit der Beitragspflicht verbunden ist.
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"Würden ... alle Massnahmen einbezogen, die geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern, so hätte dies zur Folge, dass praktisch alle Behandlungen, die eine Verbesserung oder Stabilisierung des Gesundheitszustandes bewirken und dadurch letztlich auch die Erwerbsfähigkeit beeinflussen, von der Invalidenversicherung übernommen werden müssten. Die Leistungen der Kranken- und Unfallversicherung würden sich unter diesen Umständen auf Bagatellschäden sowie auf die Behandlung von eingliederungsunfähigen Personen beschränken."
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Demgemäss bestimmt Art. 12 IVG, der Versicherte habe Anspruch auf medizinische Massnahmen, "die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren". Das Gesetz umschreibt also die Vorkehren medizinischer Art, welche von der Invalidenversicherung nicht zu übernehmen sind, mit dem Rechtsbegriff "Behandlung des Leidens an sich". Wo und solange labiles pathologisches Geschehen besteht und mit medizinischen Vorkehren angegangen wird, stellen solche Heilmassnahmen, sozialversicherungsrechtlich betrachtet, Behandlung des Leidens an sich dar. Sie fallen damit grundsätzlich in den Aufgabenbereich der sozialen Kranken- oder Unfallversicherung, wobei es gemäss ständiger Rechtsprechung nicht ![]() | 13 |
b) Im vorliegenden Fall erheischte eine angeborene Hydronephrose die Einsetzung einer Nierenbeckenplastik. Diese Operation stellt einen Eingriff in labiles pathologisches Geschehen im Sinne der dargelegten Unterscheidung dar. Mithin obliegt es nicht der Invalidenversicherung, gestützt auf Art. 12 IVG für die Kosten dieser Massnahme aufzukommen, vielmehr ist dies nach dem Gesagten Aufgabe der sozialen Krankenversicherung. Unter diesen Umständen ist auch die Frage nach der Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit des angestrebten bzw. erzielten Eingliederungserfolges rechtlich unerheblich. Im Ergebnis, nicht aber in der Begründung ist daher dem vorinstanzlichen Entscheid bezüglich der Verweigerung von Leistungen nach Art. 12 IVG beizupflichten und damit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.
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a) Gemäss Art. 78 Abs. 3 IVV werden die Kosten von Abklärungsmassnahmen von der Versicherung getragen, wenn die Massnahmen durch die Invalidenversicherungs-Kommission angeordnet wurden oder, falls es an einer solchen Anordnung (wie vorliegend) fehlt, "soweit sie für die Zusprechung von Leistungen unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich zugesprochener Eingliederungsmassnahmen bilden". In einem Urteil i.S. Bobillier vom 5. November 1971 (BGE 97 V 233) hat das Gericht entschieden, diese Bestimmung sei in engem wörtlichem Sinne auszulegen.
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Die Abklärungsmassnahme von Dr. B. bildet schliesslich - da weder Leistungen nach Art. 13 noch gemäss Art. 12 IVG zugesprochen werden können - auch nicht Bestandteil nachträglich gewährter Eingliederungsmassnahmen. Daher ist der vorinstanzliche Entscheid insoweit aufzuheben, als er die Invalidenversicherung zur Übernahme von Untersuchungskosten verpflichtet.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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