BGE 100 V 11 | |||
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3. Urteil vom 12. März 1974 i.S. Lagerhaus Brunegg AG gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Bundesamt für Sozialversicherung | |
Regeste |
Unterstellung von Unternehmungen unter die Versicherung (Art. 60bis Ziff. 1 lit. c KUVG und Art. 17 Ziff. 2 VO I über die Unfallversicherung). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Firma Lagerhaus Brunegg AG lagert in ihrem in Brunegg liegenden Gebäude Waren, vor allem Lebens-, Genuss- und Waschmittel. Die Waren gelangen mit den Lastwagen der Lieferanten ins Lagerhaus und werden auf Holzpaletten mittels Gabelstaplern auf eine Rollbahn gelegt. Nach Passieren einer Richtkontrolle werden sie auf einer andern Rollbahn vor das ca. 20 m hohe Hochlager weiterbefördert, dort von grossen vollautomatischen, computergesteuerten Hubstaplern erfasst und auf die programmierten Lagerplätze in den verschiedenen Lagergängen verteilt. Diese Hubstapler können durch Spezialisten oder betriebseigene Bedienungsleute nötigenfalls auch von Hand betrieben werden.
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B.- Die gegen diese Unterstellungsverfügung erhobene Beschwerde ist vom Bundesamt für Sozialversicherung am 26. April 1972 abgewiesen worden.
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C.- Die Firma Lagerhaus Brunegg AG lässt den bundesamtlichen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten und erneut die Aufhebung der Unterstellung beantragen.
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Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Am 25. Oktober 1973 hat eine Delegation des Gerichtes in Anwesenheit der Parteien im Lagerhaus einen Augenschein vorgenommen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Da dieser Unterstellungsentscheid weder von einer Rekurskommission noch von einem kantonalen Gericht als Vorinstanz erlassen ist und es zudem nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, richtet sich die Kognitionsbefugnis nach den Art. 104 lit. a und b und Art. 105 Abs. 1 OG. Demnach kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sOWie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden, und das Eidg. Versicherungsgericht ist befugt, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung frei zu überprüfen (BGE 97 V 201).
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2. Art. 60bis Ziff. 1 lit. c KUVG ermächtigt den Bundesrat, die obligatorische Versicherung anwendbar zu erklären auf industrielle und Handelsunternehmungen, die mit betriebsgefährlichen Maschinen oder Einrichtungen oder in unmittelbarem Anschluss an das Transportgewerbe arbeiten. Gestützt auf diese Ermächtigungsnorm wird die Versicherung in Art. 17 Ziff. 2 VO I anwendbar erklärt auf die Handelsunternehmungen, die schwere Waren wie Kohle, Holz, Metalle oder Fabrikate aus solchen oder Baumaterialien in grossen Mengen lagern und sich zu deren Transport maschineller Einrichtungen wie Aufzüge, Kranen, Elevatoren und dergleichen bedienen.
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Betriebsgefährlichkeit der maschinellen Einrichtungen sei eine gesetzliche Voraussetzung, die erfüllt sein müsse, damit die Unterstellung eines Handelsbetriebes überhaupt zur Diskussion stehen könne. Das Lagerhaus verfüge über eine vollautomatisierte Anlage, bei welcher das Personal mit der maschinellen Einrichtung praktisch überhaupt nicht in Berührung komme und auch keinen Zutritt dazu habe. Berührungspunkte beständen nur darin, dass die Holzpaletten mit den einzulagernden Waren vom Lastwagen über eine Distanz von wenigen Metern auf die Rollbahn geschoben wurden und dass ferner von den Paletten einzelne Verpackungseinheiten mit Lagerware im Gewicht von wenigen Kilos weggenommen und in ein kleines Wägelchen gelegt würden. Eine Gefahr im Sinn des KUVG sei für den Arbeitnehmer damit nicht verbunden. Aber auch das Kriterium, dass es sich um schwere Ware handeln müsse, sei nicht gegeben. Von der Einlagerung schwerer Waren in grossen Mengen könne nach der Praxis nur gesprochen werden, wenn das Gewicht der Verpackungseinheit oder der Einzelstücke 50 kg übersteige und wenn davon 20 t eingelagert seien. Als massgebliche Gütereinheit dürften im Gegensatz zur Auffassung von SUVA und Bundesamt nicht die Paletten betrachtet werden, sondern die darauf gelagerten Einzelstücke (Kartons, Bünde, Säcke, Kannen, Harasse usw.). Solche Einheiten im Gewicht von mehr als 50 kg seien nur im Umfang von weniger als 1% bzw. von nicht mehr als insgesamt 10 t eingelagert.
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3. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass Art. 60bis Ziff. 1 lit. c KUVG als Unterstellungsvoraussetzung die Betriebsgefährlichkeit der Maschinen oder Einrichtungen verlangt. Von dieser gesetzlichen Voraussetzung dürfen die Ausführungsbestimmungen des Bundesrates nicht abweichen; sonst müssten diese, weil nicht gesetzeskonform, im Einzelfall als nicht anwendbar erklärt werden. Der in Ausführung von Art. 60bis Ziff. 1 lit. c KUVG erlassene Art. 17 VO I erwähnt nirgends ausdrücklich den Begriff der Betriebsgefährlichkeit. Der Wortlaut dieser Verordnungsbestimmung lässt indessen klar erkennen, dass die Betriebe, welche der Versicherungspflicht unterstellt werden müssen, auf Grund allgemeiner Merkmale umschrieben werden, die regelmässig auf eine besondere Betriebsgefährlichkeit hinweisen. Die Rechtsprechung hat dies ausdrücklich festgestellt bezüglich der Ziff. 7 des Art. 17 VO I (BGE 97 V 200, BGE 81 I 369). Dasselbe gilt aber auch für die in Ziff. 2 des.Art. 17 VO I erwähnten Handelsunternehmungen: Solche Unternehmen, die schwere Waren in grossen Mengen lagern und sich zu deren Transport maschineller Einrichtungen (wie Aufzüge, Kranen, Elevatoren und dergleichen) bedienen, verwenden der Natur der Sache nach in der Regel betriebsgefährliche Maschinen.
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Art. 17 Ziff. 2 VO I verlangt aber ausserdem, dass schwere Waren in grossen Mengen gelagert werden. Dieses zusätzliche Unterstellungskriterium ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. Man kann sich daher fragen, ob es anginge, ein Handelsunternehmen nicht als unterstellungspflichtig zu qualifizieren, wenn es zwar betriebsgefährliche Transporteinrichtungen verwendet, aber keine schweren Waren in grossen Mengen lagert. Die Frage kann indessen offen bleiben, weil im vorliegenden Fall die Voraussetzung der Lagerung schwerer Waren in grossen Mengen ohnehin erfüllt ist, wie sich aus folgenden Erwägungen ergibt.
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5. Zum Warentransport werden im Lagerhaus Brunegg im wesentlichen Gabelstapler, Rollbahnen und grosse Hubstapler verwendet. Diese Einrichtungen können an sich Unfälle verursachen. Als betriebsgefährlich im Sinn von Art. 60bis Ziff. 1 lit. c KUVG dürfen sie aber nur qualifiziert werden, wenn und soweit das Personal des Handelsunternehmens in den effektiven Gefahrenbereich dieser Einrichtungen gelangt. Wie es sich damit verhält, konnte bei dem am 25. Oktober 1973 durchgeführten Augenschein festgestellt werden.
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In jenen Gebäudeteilen des Lagerhauses, wo die Waren zugeliefert bzw. wieder spediert werden, gelangt das Personal mit den dort befindlichen maschinellen Einrichtungen und Paletten in Berührung. Die Paletten gelangen mittels Gabelstaplern aus den Lastwagen über automatische, den verhältnismässig geringen Niveauunterschied zwischen Lastwagen und Ausladerampe ausgleichende Hebebühnen auf eine Rollbahn, auf der sie bis vor das eigentliche Hochlager befördert werden. Wird Ware von einem Kunden abgerufen, so gelangt sie wiederum vom Hochlager her auf Rollbahnen an die verschiedenen Rüstplätze, wo sie zum Weitertransport vorbereitet wird. Diese Bewegungsabläufe lassen eine gewisse Unfallgefahr als nicht ausgeschlossen erscheinen. Doch liegt diese Gefahr im normalen Rahmen von Arbeitsplätzen, an denen körperlich gearbeitet wird. Eine eigentliche Betriebsgefahr im Sinne von Art. 60bis Ziff. 1 lit. c KUVG ist mit den hier verwendeten technischen Einrichtungen nicht verbunden.
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Anders verhält es sich im Hochlager, das in verschiedene Lagergänge unterteilt und von den bereits erwähnten Räumlichkeiten her zugänglich ist. Die Paletten werden von den rund zwanzig Meter hohen, computergesteuerten Hubstaplern erfasst. Diese bewegen sich den Lagergängen entlang und befördern die Paletten an den programmierten Lagerplatz. Die Hubstapler können bestiegen und nötigenfalls von Hand betrieben werden. Die Handbedienung erfolgt durch Spezialisten oder durch betriebseigenes Personal. Diese Hubstapler sind in hohem Mass betriebsgefährlich, insoweit die im Lager arbeitenden Personen mit ihnen in Berührung kommen. Dies ist auch tatsächlich der Fall. Es liegt auf der Hand, dass die komplizierten Maschinen einer regelmässigen Wartung bedürfen. Seit Inbetriebnahme der Anlage musste immer wieder in den Mechanismus oder in die elektrischen Anlagen eingegriffen werden. Die entsprechenden Arbeiten werden jedenfalls teilweise vom eigenen Personal besorgt; die Firma beschäftigt einen eigenen Betriebselektriker. Deshalb muss die Anlage als betriebsgefährlich bezeichnet werden; dies selbst dann, wenn sie normal funktionieren würde, was anscheinend bis heute noch nicht gesagt werden kann. Ob anders zu urteilen wäre, wenn das Hochlager ausschliesslich von betriebsfremdem Personal gewartet und repariert würde und wenn ausreichende technische Vorkehren bestünden, damit das betriebseigene Personal nicht ins Hochlager gelangen kann, mag offen bleiben, weil diese tatbeständlichen Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben sind.
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Die Betriebsgefährlichkeit des Hochlagers, die im massgebenden Zeitpunkt (Erlass der angefochtenen SUVA-Verfügung) in gleicher Weise bestand wie anlässlich des Augenscheins, rechtfertigt die Unterstellung des Betriebes unter die obligatorische Unfallversicherung.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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