BGE 100 V 104 | |||
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27. Urteil vom 6. Juni 1974 i.S. D. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | |
Regeste |
Elemente der Verfügung betreffend medizinische Massnahmen (Art. 69 IVG und 91 Abs. 1 IVV). |
- Der Versicherte hat keinen Anspruch darauf, dass das Gebrechen in der Verfügung nicht genannt wird. Das Interesse der Verwaltung an einer klaren Abgrenzung des Leistungsanspruchs geht einem allfälligen privaten Interesse an der Verschweigung des Leistungsgrundes vor (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Der am 12. Oktober 1964 geborene Versicherte leidet an einer im Mai 1969 erstmals in Erscheinung getretenen epileptischen Erkrankung. Gestützt auf einen Bericht des Kinderspitals Zürich vom 17. Juli 1969 leistete die Invalidenversicherung Kostengutsprache für "ärztliche ambulante und stationäre Kontrollen, EEG, Röntgen, medikamentöse Behandlungen und Hospitalisationen wegen Geburtsgebrechen Ziff. 387 GgV" für die Zeit ab 28. Mai 1969 bis vorläufig 31. Mai 1975 (Verfügung vom 28. August 1969).
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B.- Hiegegen liess der Vater des Versicherten Beschwerde erheben mit dem Antrag, die Verfügung sei zwar aufrechtzuerhalten, es sei aber "die Festlegung der Ursache auf Geburtsgebrechen Ziff. 387 GgV zu unterlassen". Zur Begründung des Begehrens machte er geltend, die Epilepsie sei in der Folge einer Masernschutzimpfung aufgetreten; es seien Bemühungen zur Abklärung der Invaliditätsursache im Gange, deren Ergebnis nicht durch Hinnahme des in der Verfügung angegebenen Leistungsgrundes präjudiziert werden dürfe.
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Der Präsident der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich beauftragte das Kinderspital Zürich mit einem ergänzenden Bericht insbesondere zur Pathogenese des Leidens, entschied am 27. November 1973 jedoch, auf die Beschwerde werde nicht eingetreten. In der Begründung heisst es, mit Beschwerde anfechtbar seien nur Anordnungen der Ausgleichskassen, denen Verfügungscharakter zukomme. Diese Voraussetzung erfülle die beanstandete Bemerkung nicht, da sie Rechte und Pflichten des Beschwerdeführers nicht berühre.
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C.- Der Vater des Versicherten lässt diesen Entscheid an das Eidg. Versicherungsgericht weiterziehen unter Erneuerung des vorinstanzlichen Beschwerdebegehrens. In der Begründung wird auf das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Abwendung einer endgültigen Festlegung der noch nicht geklärten Invaliditätsursache hingewiesen. Die Angabe des Leistungsgrundes bilde einen integrierenden Bestandteil der Verfügung selbst und nicht eine bloss verwaltungsinterne Feststellung; die Nichteintretensverfügung der Vorinstanz entbehre daher der Rechtsgrundlage. In materieller Hinsicht wird unter Berufung auf ein Gutachten von Prof. H. geltend gemacht, die Epilepsie sei Folge einer Masernschutzimpfung und stelle somit kein Geburtsgebrechen dar. Die Invalidenversicherung habe die medizinischen Massnahmen gestützt auf Art. 12 IVG zu übernehmen, da sie geeignet seien, den Versicherten vor einer künftigen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zu bewahren.
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Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf einen Antrag, das Bundesamt mit dem Hinweis darauf, dass die Annahme eines Geburtsgebrechens nach Ziff. 387 GgV als zutreffend erscheine; sollte das Gericht dieser Auffassung nicht folgen, so müssten jegliche Leistungen abgelehnt werden, da die Epilepsie keine Leistungen nach Art. 12 IVG zu begründen vermöge.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Vorinstanz begründet ihren Nichteintretensentscheid damit, der streitigen Angabe der Invaliditätsursache "Geburtsgebrechen Ziffer 387 GgV" komme nicht Verfügungscharakter zu, da sie Rechte und Pflichten des Versicherten nicht berühre. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Verwaltungsentscheide über die Zusprechung von Sachleistungen bedingen ihrer Natur nach eine nähere Umschreibung des Rechtsanspruchs. Bei medizinischen Eingliederungsmassnahmen gehört dazu die Bezeichnung des anspruchsbegründenden Sachverhalts, es sei denn, der Leistungsumfang ergebe sich bereits klar aus der Art der zugesprochenen Massnahme.
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Im vorliegenden Fall ist offensichtlich, dass eine Zusprechung "ärztlicher ambulanter und stationärer Kontrollen, EEG, Röntgen, medikamentöser Behandlungen und Hospitalisationen" ohne Bezeichnung des Gesundheitsschadens, welcher Gegenstand dieser Vorkehren ist, keine genügende Abgrenzung des Leistungsumfanges umfasst. Der Hinweis auf Ziff. 387 GgV bildet - insbesondere im Hinblick auf die nachstehend zu erörternde Abgrenzung des Leistungsanspruchs nach Art. 12 und 13 IVG - einen unerlässlichen Bestandteil der Verwaltungsverfügung.
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Liegt kein angeborenes Leiden im Sinne der GgV vor, so kann die Invalidenversicherung medizinische Massnahmen nur insoweit übernehmen, als sie nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren (Art. 12 IVG). Gestützt auf Art. 5 Abs. 2 IVG können bei minderjährigen Versicherten unter bestimmten, von der Rechtsprechung umschriebenen Voraussetzungen medizinische Massnahmen übernommen werden, wenn der Gesundheitszustand zwar noch labil ist, ohne diese Vorkehren in absehbarer Zeit jedoch ein die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Defektzustand eintreten würde. Voraussetzung bleibt auch in diesen Fällen, dass die Massnahme nicht von vorneherein in den Bereich der Kranken- und Unfallversicherung fällt (EVGE 1969 S. 227, 1968 S. 46, 249, 1965 S. 83, 92).
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Im vorliegenden Fall stellen die medizinischen Vorkehren eindeutig eine Behandlung des Leidens an sich dar. Über eine damit allenfalls erreichbare Stabilisierung des Leidens lässt sich keine zuverlässige Prognose stellen. Gemäss Bericht des Kinderspitals vom 17. Juli 1969 bedarf das Kind denn auch auf unbestimmte Zeit der ärztlichen Behandlung, wobei die Art der durchzuführenden Massnahmen vom weiteren Verlauf der Krankheit abhängt. Daher besteht kein Leistungsanspruch auf Grund von Art. 12 IVG. Würde die bestehende Epilepsie auch nicht als leistungsbegründendes Geburtsgebrechen anerkannt, so hätte der Versicherte unter keinem Titel Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung. So verhält es sich jedoch hier nicht, da auf Grund der Berichte des Kinderspitals Zürich vom 17. Juli 1969 und 9. Juli 1970 ein Geburtsgebrechen nach Ziffer 387 GgV anzunehmen ist. Nach ärztlicher Auffassung soll die Masernschutzimpfung höchstens als auslösender Faktor gewirkt haben. Auch das vom Beschwerdeführer ins Recht gegebene Gutachten von Prof. H. vom 15. Juni 1970, welches zu teilweise andern Ergebnissen gelangt, schliesst eme Beteiligung von Ursachen, die nicht in Zusammenhang mit der Schutzimpfung stehen, nicht völlig aus. Bei dieser Sachlage kann das Vorliegen eines Geburtsgebrechens zumindest als wahrscheinlich erachtet werden, was für die Annahme einer Leistungspflicht nach Art. 13 IVG genügt (ZAK 1963 S. 376).
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Würde die Verwaltung dazu verhalten, die Bezeichnung des leistungsbegründenden Gebrechens immer dann zu unterlassen, wenn hievon - wie der Beschwerdeführer meint - eine "faktische Präzedenzwirkung in möglichen künftigen Verfahren vor dritten Behörden" zu erwarten ist, so würde dies praktisch einem Verbot gleichkommen, den Leistungsgegenstand verfügungsmässig in der bisherigen Form festzusetzen. Abgesehen davon, dass die vom Beschwerdeführer genannten Auswirkungen grundsätzlich mit jeder Art von Sozialversicherungsleistungen verbunden sind und nicht vermieden werden können, würde der Beschwerdeführer mit dem beantragten Verzicht auf die Bezeichnung des leistungsbegründenden Gebrechens den von ihm angestrebten Zweck kaum erreichen. Nach dem in Erwägung 2 Gesagten geht nämlich allein schon aus der Tatsache, dass die Invalidenversicherung medizinische Massnahmen zur Behandlung der Epilepsie übernimmt, hervor, dass die zuständigen Versicherungsorgane das Leiden als angeboren betrachten. Sofern der Leistungsempfänger demnach überhaupt ein reales Interesse daran haben kann, dass das anspruchsbegründende Gebrechen nicht genannt wird, so tritt dieses gegenüber dem Interesse der Versicherung, die auf Grund von Art. 13 IVG zugesprochenen Leistungen mit Hinweis auf die einschlägigen Bestimmungen der GgV zuhanden der Verfügungsempfänger genau zu bezeichnen, eindeutig zurück.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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