BGE 100 V 121 | |||
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30. Urteil vom 24. Mai 1974 i.S. Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen gegen Staub und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 3 FLG schliesst nur den Doppelbezug von Kinderzulagen im Sinne dieses Gesetzes aus. | |
Sachverhalt | |
A.- Der 1935 geborene, als Landwirt tätige Willi Staub ist Vater von 5 Kindern, wovon zwei aus einer ersten, im Jahre 1965 geschiedenen Ehe stammen. Laut Scheidungsurteil wurden die Kinder der Mutter zugewiesen und die Unterhaltsbeiträge des Vaters je Kind auf Fr. 100.-- im Monat bis zum 12. Altersjahr, anschliessend Fr. 125.--, festgesetzt. In der Folge gingen beide Elternteile eine neue Ehe ein. Willi Staub bezog bis Ende 1970 für die beiden Kinder aus erster Ehe sowie für 2 Kinder aus zweiter Ehe Kinderzulagen im Sinne des Bundesgesetzes über die Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern vom 20. Juni 1952 (FLG). Nachdem die Ausgleichskasse davon Kenntnis erhalten hatte, dass der Stiefvater der Kinder aus erster Ehe Anspruch auf Kinderzulagen gemäss Beamtenrecht des Bundes hatte, teilte sie Willi Staub am 17. Mai 1971 mit, wegen Doppelbezugs bestehe mit Wirkung ab 1. Januar 1971 kein Anspruch mehr auf Zulagen für die beiden Kinder aus geschiedener Ehe. Gleichzeitig setzte sie den Anspruch im Hinblick auf ein am 15. Dezember 1970 geborenes drittes Kind aus zweiter Ehe auf 3 Kinderzulagen fest.
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B.- Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde vom Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 15. Dezember 1972 gutgeheissen. In den Urteilserwägungen führte die Rekursinstanz im wesentlichen aus, nach Art. 9 Abs. 3 und Art. 10 FLG werde lediglich der Doppelbezug von Zulagen gemäss FLG ausgeschlossen. Es bestehe dagegen kein allgemeiner Rechtsgrundsatz in dem Sinne, dass die Ausrichtung von Kinderzulagen nach FLG nicht in Betracht falle, wenn gleichzeitig Anspruch auf Zulagen unter einem anderen Rechtstitel gegeben sei. Wie Art. 24 Abs. 1 lit. a FLG - welcher den Kantonen die Befugnis einräumt, in Ergänzung des FLG höhere und andere Zulagen festzusetzen - bestätige, stehe die bundesrechtliche Regelung der Familienzulagen einem Doppelbezug von Kinderzulagen nicht entgegen. Gestützt auf Art. 9 Abs. 1 lit. a sowie Abs. 2 erster Satz FLG habe Willi Staub Anspruch auf Kinderzulagen, ungeachtet der Tatsache, dass sich die Kinder beim Stiefvater aufhielten.
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C.- Die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen zieht diesen Entscheid an das Eidg. Versicherungsgericht weiter mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Verfügung vom 17. Mai 1971. Die Kasse macht zur Hauptsache geltend, Art. 9 Abs. 3 FLG stelle ein generelles Verbot des Doppelbezuges dar; dies im Gegensatz zu Art. 10 FLG, wo ausdrücklich von Doppelbezug auf Grund des FLG gesprochen werde. Schon aus Gründen der Rechtsgleichheit müsse Art. 9 Abs. 3 FLG allgemeine Bedeutung beigemessen werden.
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Während der Beschwerdegegner auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Beurteilung des Falles ist Art. 9 Abs. 3 FLG zugrunde zu legen, welcher lautet:
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"Für dasselbe Kind darf nur eine Kinderzulage ausgerichtet werden."
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Es stellt sich die Frage, ob mit dieser Bestimmung lediglich die mehrfache Ausrichtung einer Kinderzulage nach FLG ausgeschlossen wird oder ob es sich dabei um eine allgemeine Kollisionsnorm in dem Sinne handelt, dass die Kinderzulage nach FLG entfällt, wenn das Kind Anspruch auf eine Zulage aus einem andern Rechtstitel hat.
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a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine konkreten Hinweise zur Auslegung von Art. 9 Abs. 3 FLG. Dies ist insofern von Bedeutung, als der Bundesbeschluss vom 22. Juni 1949 über die Ausrichtung von Familienzulagen an landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Gebirgsbauern, welcher dem FLG vorangegangen war, keine analoge Bestimmung enthielt. Wenn mit der neuen Bestimmung von Art. 9 Abs. 3 FLG eine eigentliche Kollisionsnorm im oben erwähnten Sinne hätte eingeführt werden wollen, so wäre daher zweifellos eine sachbezügliche Bemerkung in die Botschaft zum FLG vom 15. Februar 1952 aufgenommen worden.
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b) Der Annahme einer generellen Kollisionsnorm steht aber auch der Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 FLG entgegen. Das Gesetz spricht durchwegs - insbesondere auch an mehreren Stellen des Art. 9 - von "Kinderzulagen", ohne diese näher zu bezeichnen, wobei stets die Kinderzulagen im Sinne des FLG gemeint sind. Es wäre nun kaum verständlich, dass der gleiche Begriff an einer einzigen Stelle - dazu noch innerhalb des gleichen Gesetzesartikels - eine andere Bedeutung haben sollte als an allen übrigen. Es entspricht vielmehr einer allgemeinen gesetzestechnischen Regel, dass mit den in einem bestimmten Gesetz ohne nähere Bezeichnung genannten Leistungen stets die jeweiligen Leistungen des betreffenden Gesetzes gemeint sind. Andernfalls bedarf es eines präzisierenden Zusatzes, welcher hier umso eher zu erwarten gewesen wäre, als Kinderzulagen auf einer Vielzahl von Rechtstiteln beruhen können. Der Umstand, dass in Art. 9 Abs. 3 FLG nicht ausdrücklich von Kinderzulagen "im Sinne dieses Gesetzes" gesprochen wird, bildet somit kein taugliches Argument zur Begründung der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auslegung dieser Gesetzesbestimmung.
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c) Die Beschränkung des Doppelbezugsverbotes auf Kinderzulagen nach FLG lässt sich ferner auch mit dem Zweck dieser Leistungen vereinbaren, welcher vorab darin besteht, die Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und Kleinbauern zu verbessern (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 15. Februar 1952, BBl 1952 I S. 207). Es würde jedenfalls im Widerspruch zu dieser Zweckbestimmung stehen, wenn zulageberechtigten Kleinbauern keine Kinderzulage ausgerichtet würde, falls für das Kind zwar aus einem andern Rechtstitel (z.B. Nebenverdienst des Kleinbauern oder seiner Ehefrau) Anspruch auf eine Zulage besteht, das massgebende Einkommen des Kleinbauern einschliesslich dieser Zulage aber dennoch innerhalb der Einkommensgrenze gemäss Art. 5 FLG liegen würde. Auch aus diesem Grunde lässt sich Art. 9 Abs. 3 FLG nicht als generelles Doppelbezugsverbot auslegen. Andernfalls hätte im Gesetz auch die Frage geregelt werden müssen, wie es sich verhält, wenn die auf einem andern Rechtstitel beruhende Kinderzulage kleiner sein sollte als diejenige nach FLG. Es wäre anzunehmen, dass in solchen Fällen zumindest die Ausrichtung des Differenzbetrages vorgesehen worden wäre.
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Die Vorinstanz verweist ferner zu Recht auf die Bestimmung von Art. 24 FLG, welche den Kantonen die Befugnis einräumt, in Ergänzung des Bundesgesetzes höhere und andere Zulagen (d.h. auch Kinderzulagen) festzusetzen. Auch hieraus muss geschlossen werden, dass sich das Verbot des Doppelbezuges lediglich auf Kinderzulagen auf Grund des FLG bezieht...
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d) Was die beschwerdeführende Ausgleichskasse hiegegen vorbringt, vermag zu keinem andern Ergebnis zu führen. Dem Einwand, die Beschränkung des Doppelbezugsverbotes auf Kinderzulagen nach FLG könne zu Rechtsungleichheiten führen - wenn der Stiefvater ebenfalls als selbständiger Landwirt tätig sei und keine Kinderzulage beziehen könne -, ist entgegenzuhalten, dass sich dies unmittelbar aus dem im Gesetz festgelegten Grundsatz ergibt, wonach die Zulage nur einmal ausgerichtet wird, selbst wenn zwei nach FLG Anspruchsberechtigte vorhanden sind.
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Sodann lässt sich auch aus Art. 10 FLG, welcher die Kumulation von Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern ausschliesst, nichts für den Standpunkt der Ausgleichskasse ableiten. Die genannte Bestimmung hat lediglich den aus der gleichzeitigen Stellung eines Bezugsberechtigten als Kleinbauer und als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer resultierenden Doppelanspruch zum Gegenstand, wogegen sich Art. 9 Abs. 2 FLG nur auf Kinderzulagen, hinsichtlich dieser Leistung aber unter allen Aspekten der Anspruchsberechtigung (nach FLG) bezieht (beispielsweise Doppelanspruch von unterhaltspflichtigem leiblichem Vater einerseits und Stiefvater anderseits; Doppelanspruch des Vaters als Kleinbauer und der Mutter als landwirtschaftliche Arbeitnehmerin).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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