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Informationen zum Dokument  BGE 100 V 151  Materielle Begründung
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Regeste
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Streitig ist, ob die von der Ausgleichskasse am 31. Mai 1972 f ...
2. a) Da im vorliegenden Fall keine Versicherungsleistungen strei ...
3. a) Entgegen der Meinung der Vorinstanz liefert die allgemeine  ...
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37. Auszug aus dem Urteil vom 6. November 1974 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Luzern gegen Burkart und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
 
 
Regeste
 
Art. 104 lit. a und 105 Abs. 2 OG.  
- Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung: Tat- oder Rechtsfrage? (Erw. 2.)  
Art. 40 Abs. 1 AHVV. Guter Glaube des Beitragspflichtigen, der die amtliche Belehrung über seine gesetzlichen Pflichten nicht beachtete, verneint (Erw. 3).  
 
BGE 100 V, 151 (152)Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
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Gemäss Art. 40 Abs. 1 AHVV ist Nachzahlungspflichtigen, die in gutem Glauben annehmen konnten, die nachgeforderten Beiträge nicht zu schulden, die Nachzahlung ganz oder teilweise zu erlassen, wenn diese für sie angesichts ihrer Verhältnisse eine grosse Härte bedeuten würde. Die Rechtsprechung verlangt ausserdem, dass der Erlass die durch diese Massnahme betroffenen Arbeitnehmer nicht benachteilige (ZAK 1968 S. 686 mit Hinweisen).
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b) Die Vorinstanz hat den guten Glauben des Beitragspflichtigen bejaht und dazu bemerkt, es handle sich um eine tatbeständliche Feststellung, an welche das Eidg. Versicherungsgericht laut Art. 105 Abs. 2 OG gebunden sei.
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Diese Auffassung ist indessen unrichtig. Die von der Vorinstanz festgestellten Umstände, auf Grund derer zu beurteilen ist, ob der gute Glauben gegeben sei oder nicht, sind für das Eidg. Versicherungsgericht im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG verbindlich. Die Frage aber, ob sich der gute Glaube aus jenen Umständen ableiten lasse, ist eine vom Eidg. Versicherungsgericht zu prüfende Rechtsfrage (vgl. auch BGE 97 II 3 Erw. 3).
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Es kommt hinzu, dass die Vorinstanz hinsichtlich des Erlassgesuches davon ausging, Burkart habe den fraglichen Barlohn effektiv nicht ausgerichtet. Zu dieser Annahme gelangte sie auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung. Nach konstanter Gerichtspraxis ist indes die Frage nach der Richtigkeit einer aus der allgemeinen Lebenserfahrung gezogenen Schlussfolgerung BGE 100 V, 151 (153)eine Rechtsfrage und daher vom Eidg. Versicherungsgericht frei zu überprüfen (nicht publiziertes Urteil in Sachen Ticozzi vom 10. Mai 1973; BGE 95 II 124 und 169, BGE 89 II 130 Erw. 4, BGE 88 II 469 Erw. 5).
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3. a) Entgegen der Meinung der Vorinstanz liefert die allgemeine Lebenserfahrung kein schlüssiges Indiz dafür, dass Burkart seinem Sohn den fraglichen Barlohn effektiv nicht ausgerichtet hat; und ebensowenig lässt sich dies aus der Annahme ableiten, der Sohn werde voraussichtlich einmal den väterlichen Hof übernehmen. Konkreter Ausgangspunkt sind vielmehr die Steuererklärungen, worin der Barlohn als "wahrheitsgetreue" Angabe deklariert worden war. Inwieweit dabei ein "Irrtum passiert" sein soll, ist unerfindlich und vor allem auch deswegen unwahrscheinlich, weil dieser Lohn nicht nur in der Steuererklärung Burkarts, sondern auch in der vom Sohne selber eingereichten und unterzeichneten Steuererklärung angegeben wird. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass diese Angaben nicht der Wirklichkeit entsprechen würden. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Barlöhne effektiv bezahlt wurden.
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b) Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vertritt die Auffassung, der Umstand, dass Burkart im November 1971 gegenüber den Steuerbehörden den fraglichen Barlohn deklariert habe, schliesse den guten Glauben im Zeitpunkt, in dem die Abrechnung hätte erfolgen sollen, also in den Jahren 1969 und 1970, nicht aus.
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Dieser Argumentation kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sich sonst ein Beitragspflichtiger regelmässig auf Gesetzesunkenntnis berufen könnte, um seinen guten Glauben zu begründen. Dazu kommt, dass Burkart - wie die Ausgleichskasse unwidersprochen darlegt - mehrmals, zuletzt 1969, durch das an alle Kassenmitglieder versandte Merkblatt über die Abrechnungspflicht orientiert worden war. Mit Recht verweist die Ausgleichskasse auf das in ZAK 1968 S. 686 publizierte Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts in Sachen Stiftung C. vom 10. Juni 1968; danach kann derjenige, der Weisungen der Ausgleichskasse nicht beachtet, durch die er über die gesetzlichen Pflichten aufgeklärt wird, sich nicht darauf berufen, eine dieser Pflichten in gutem Glauben missachtet zu haben. Wenn Burkart das Merkblatt nicht beachtete, stellt dies eine Nachlässigkeit dar, welche die Annahme des guten Glaubens ausschliesst...
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