BGE 100 V 182 | |||
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46. Urteil vom 18. November 1974 i.S. B. gegen Ausgleichskasse des Kantons Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 22 IVG und 21 Abs. 4 IVV. |
Bemessungsgrundlage des Taggeldes. | |
Sachverhalt | |
A.- Margrit B. (geb. 1932), Mutter von vier Kindern, musste sich im Mai 1969 einer plastisch-chirurgischen Behandlung der Scapula alata unterziehen. Die Invalidenversicherung übernahm die Vorkehr als medizinische Massnahme und richtete der Versicherten für die Zeit vom 6. Mai bis 31. Juli 1969 Taggeld aus (Verfügungen vom 29. Juni und 25. September 1970); mit Wirkung ab 1. August 1969 wurde ihr eine ganze und ab 1. Oktober 1969 eine halbe Rente zugesprochen (Verfügungen vom 10. November 1970). Im Revisionsverfahren stellte die Invalidenversicherungs-Kommission fest, dass die ärztlichen Unterlagen es nicht gestatteten, den Invaliditätsgrad zuverlässig zu bestimmen, und ordnete daher eine Begutachtung in der Psychosomatischen Station des Kantonsspitals Luzern an (Verfügung vom 17. Juli 1972). Nachdem die Versicherte der Invalidenversicherungs-Kommission mitgeteilt hatte, sie halte eine solche Untersuchung nicht für nötig, wurde die Rente auf den 31. August 1972 sistiert (Verfügung vom 28. August 1972). Margrit B. erhob am 4. September 1972 gegen diese Verfügung Beschwerde, welche durch Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 29. Oktober 1973 als erledigt abgeschrieben wurde. Die Versicherte hatte sich nämlich vom 13. November bis 4. Dezember 1972 im Kantonsspital Luzern der Begutachtung unterzogen. Während dieser Beobachtungszeit Wurde ihr kein Taggeld ausgerichtet; dagegen erhielt sie das Taggeld für die Zeit vom 22. Januar bis 29. Januar 1973 (Fremdmaterialentfernung in der Klinik St. Anna gemäss Verfügung vom 29. Juni 1970) und für die Rekonvaleszenzzeit vom 30. Januar bis 19. Februar 1973 (Verfügung vom 31. Januar 1973).
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Mit Verfügung vom 24. Juli 1973 eröffnete die Ausgleichskasse der Versicherten den Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission, ihr gestützt auf die Abklärungen in der Psychosomatischen Abteilung mit Wirkung ab 1. September 1972 weiterhin eine halbe einfache Invalidenrente auszurichten; ferner verrechnete sie das vom 22. Januar bis 19. Februar 1973 ausgerichtete Taggeld im Betrage von Fr. 987.20 mit der Rente, da der Taggeldanspruch mit der rückwirkenden Zusprechung der Invalidenrente weggefallen sei.
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B.- Beschwerdeweise beantragte Margrit B., es sei ihr vom 9. November 1972 bis 19. Februar 1973 eine ganze Invalidenrente auszurichten. Sie machte geltend, während dieser Zeit vollständig arbeitsunfähig gewesen zu sein; deshalb habe sie eine Familienhelferin zuziehen müssen.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern trat einerseits auf die Beschwerde, soweit sie sich auf die Ausrichtung einer ganzen Rente bezog, mangels Kassenverfügung nicht ein und wies sie anderseits in bezug auf den Taggeldanspruch ab; immerhin erachtete das Gericht den Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente als unbegründet (Entscheid vom 20. September 1973).
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt Margrit B. die Anträge, das Urteil und die Verfügung des Verwaltungsgerichts Luzern vom 20. September bzw. 29. Oktober 1973 seien aufzuheben. Es sei ihr vom 9. November 1972 bis 19. Februar 1973 eine ganze Invalidenrente, eventuell das Taggeld gemäss der Verfügung vom 31. Januar 1973 zuzusprechen. Ferner habe die Invalidenversicherung die nicht gedeckten Kosten für die Familienhelferin zu übernehmen.
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Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
1. Auf den mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten Antrag, die Invalidenversicherung habe die nicht gedeckten Kosten für die Familienhelferin zu vergüten, kann mangels gesetzlicher Grundlage nicht eingetreten werden.
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Streitig ist somit lediglich die Frage, ob die Beschwerdeführerin das Taggeld für die Zeit vom 13. November bis 4. Dezember 1972 und vom 22. Januar bis 19. Februar 1973 beanspruchen kann.
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Nach der Rechtsprechung geht der Taggeldanspruch im Prinzip nicht nur dann der Rente vor, wenn noch keine solche zu laufen begonnen hat, sondern er unterbricht auch den bereits entstandenen Rentenanspruch (EVGE 1965 S. 47; ZAK 1968 S. 471). Dies gilt grundsätzlich auch bei allen akzessorischen Vorkehren zur Eingliederung (z.B. bei Abklärungsmassnahmen), die mit einem Taggeldanspruch verbunden sind (EVGE 1968 S. 213); so auch bei der Abklärung der Rentenberechtigung (Art. 17 IVV; Kreisschreiben über die Taggelder, Rz. 26).
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Immerhin erleidet der Grundsatz, dass das Taggeld der Rente vorgeht, Ausnahmen; so vor allem dann, wenn die Eingliederung nur zu sporadischen Taggeldansprüchen führt oder wenn das Taggeld kleiner ist als die Rente, was bei Nichterwerbstätigen nicht ausgeschlossen ist (EVGE 1965 S. 51; Kreisschreiben über die Taggelder, Rz. 37). Nach der Verwaltungspraxis, in die einzugreifen kein Anlass besteht, gilt eine Massnahme in der Regel dann als kurzfristig, wenn sie 30 Tage nicht überschreitet (Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit, Rz. 283). Eine Massnahme zur Abklärung der Rentenberechtigung wird selten 30 Tage dauern und führt somit nur ausnahmsweise zu einer Unterbrechung des Rentenanspruchs. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei Weitergewährung der Rente kein Taggeldanspruch entstehen könnte. Die Durchführung von Eingliederungs- und Abklärungsmassnahmen kann nämlich den Versicherten an der Arbeit hindern und so zu einem Verdienstausfall führen, der durch die Invalidenrente, namentlich im Falle der Ausrichtung einer halben Rente, nicht gedeckt ist. Daher hat ein Versicherter, dem während der Eingliederung ausnahmsweise, insbesondere während einer Badekur oder einer Prothesenschulung die Rente weitergewährt wird, nach Art. 21 Abs. 4 IVV Anspruch auf das Taggeld, wenn er unmittelbar vor der Eingliederung erwerbstätig war. Grundlage für die Bemessung des Taggeldes ist das letzte vor der Eingliederung erzielte Erwerbseinkommen.
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Diese in bezug auf den Versicherten, dessen Invalidität durch die Erwerbsunfähigkeit bestimmt wird (Art. 4 Abs. 1 und 28 Abs. 2 IVG), ausgewogene Bestimmung regelt jedoch den Fall des Versicherten nicht, dessen Invalidität durch die Unmöglichkeit, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, umschrieben wird (Art. 5 Abs. 1 IVG, Art. 27 IVV). Die Verwaltungspraxis betrachtet Art. 21 Abs. 4 IVV offenbar als abschliessend und folgert daraus, dass derjenige Versicherte die gleichzeitige Ausrichtung von Taggeld und Rente nicht beanspruchen könne, der unmittelbar vor der Eingliederung nicht erwerbstätig war (Kreisschreiben über die Taggelder, Rz. 39; Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit, Rz. 283).
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Indessen stellt das IVG für eine bestimmte Kategorie von Versicherten, namentlich für die Hausfrauen, die Unmöglichkeit, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, der Erwerbsunfähigkeit gleich. Die Hausfrau, welche wegen einer gewissen Behinderung, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, eine Rente bezieht und die ihre verbliebene Arbeitsfähigkeit im Haushalt einsetzt, kann daher durch die von der Versicherung angeordneten Eingliederungsmassnahmen gehindert werden, diese Tätigkeit auszuüben. Sie erleidet dadurch einen Verlust, welcher der Verdiensteinbusse eines Erwerbstätigen durchaus gleichzusetzen ist. Dies muss zum mindesten dort gelten, wo die Unmöglichkeit, die verbliebene Arbeitsfähigkeit einzusetzen, die Versicherte zwingt, zur Besorgung des Haushalts Dritte beizuziehen. In solchen Fällen ist neben der laufenden Rente ein Taggeldanspruch zuzuerkennen, obschon die Rentenbezügerin nicht im eigentlichen Sinne erwerbstätig war.
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Bei der Bemessung des Taggeldes ist zu berücksichtigen, dass mit der Rente der Teil der Tätigkeit entschädigt wird, der wegen der Invalidität nicht mehr ausgeübt werden kann, und mit dem vollen Taggeld die Gesamtheit der Hausfrauentätigkeit. Folglich muss die durch die Eingliederungs- oder Abklärungsmassnahmen verursachte Unmöglichkeit, die verbliebene Arbeitsfähigkeit auszunützen, gedeckt werden durch ein Taggeld, dessen Höhe der Differenz zwischen der ausgerichteten Rente und dem vollen Taggeld entspricht, welches unter gleichen Umständen eine Versicherte beanspruchen kann, die keine Rente bezieht.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 20. September 1973 sowie die angefochtene Kassenverfügung vom 24. Juli 1973 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Sinne der Erwägungen Anspruch auf ein Taggeld hat. Die Sache wird an die Ausgleichskasse des Kantons Luzern zu neuer Verfügung über das Taggeld sowie zur Abrechnung zurückgewiesen.
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