BGE 102 V 103 | |||
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23. Urteil vom 4. Juni 1976 i.S. Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber gegen Jaggi und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 8 AHVG. | |
Sachverhalt | |
A.- Mit öffentlicher Urkunde vom 21. Februar 1975 hat André Jaggi seine Einzelfirma A. Jaggi-Maurer "rückwirkend auf den 1. Januar 1975" in die Aktiengesellschaft Jaggi Treuhand umgewandelt. Die Anmeldung beim Handelsregisteramt Bern erfolgte am 25. Februar 1975. Die Eintragung im Handelsregister datiert vom 4. Juni 1975 und wurde am 16. Juni 1975 im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert.
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Mit Verfügung vom 30. Juni 1975 teilte die Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber André Jaggi mit, dass sie ihn bis zum 31. Mai 1975 noch als Selbständigerwerbenden erfasse und er demnach gemäss Verfügung vom 20. September 1974 noch persönliche Beiträge von Fr... schulde. Hingegen gelte er "seit dem Tag des HR-Eintrages - also dem 4. bzw. 1. Juni 1975 - als Unselbständigerwerbender".
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B.- Beschwerdeweise machte André Jaggi gegenüber dem Versicherungsgericht des Kantons Bern geltend, die kantonale Steuerverwaltung habe den Beginn der Steuerpflicht der rückwirkend gegründeten Aktiengesellschaften auf den 1. Januar 1975 festgesetzt unter der Voraussetzung, dass die Anmeldung beim zuständigen Handelsregisteramt vor dem 28. Februar 1975 erfolgt sei. Diese Bedingung habe er erfüllt. Demnach beantrage er, seine Pflicht zur Bezahlung persönlicher Beiträge sei auf den 31. Dezember 1974 zu terminieren.
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Die Vorinstanz hiess die Beschwerde am 6. August 1975 in dem Sinn teilweise gut, dass sie die Beitragspflicht des André Jaggi aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf den 24. Februar 1975 enden liess. Sie stützte sich dabei auf die Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts, wonach bei der Umwandlung von Einzelfirmen in Aktiengesellschaften der bisherige Geschäftsinhaber bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister als Selbständigerwerbender veranlagt werden muss, selbst wenn rückwirkende Übernahme vereinbart worden ist. Eine Gesellschaft gelte in dem Zeitpunkt als im Handelsregister eingetragen und damit als entstanden, da die Anmeldung ins Tagebuch eingeschrieben worden sei. Das kantonale Versicherungsgericht habe daher am 22. Januar 1975 die Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts in dem Sinn präzisiert, dass für die Dauer der Beitragspflicht eines Selbständigerwerbenden, der seine Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hat, das Datum der Einschreibung der Gesellschaft im Tagebuch des Handelsregisters massgebend sei. Im Fall Jaggi sei diese Eintragung am 25. Februar 1975 erfolgt.
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C.- Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die persönliche Beitragspflicht des André Jaggi sei auf den 31. Mai 1975 zu beenden, weil die Eintragung der Aktiengesellschaft im Handelsregister vom 4. Juni 1975 datiere. André Jaggi beanstandet in seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, dass die Vorinstanz sich nicht an das von ihr selber zitierte Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 1. Mai 1974 i.S. Schneider (ZAK 1974 S. 477) gehalten habe. Zudem werde diese Rechtsprechung in der Praxis ohnehin teilweise missachtet. Es sollte ein neuer, praxisnaher Entscheid gefällt werden. Eine gerechte Lösung bestände darin, dass die persönliche Beitragspflicht auf den Beginn der Steuerpflicht der neu gegründeten Aktiengesellschaft terminiert werde. Einen bestimmten Antrag stellt der Beschwerdegegner nicht.
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Das Bundesamt für Sozialversicherung bemerkt in seiner Vernehmlassung, massgebender Zeitpunkt für die Beendigung der Beitragspflicht aus selbständiger Erwerbstätigkeit sei bei der Umwandlung einer Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft das Datum der Einschreibung der Anmeldung im Tagebuch. Von diesem Tag an sei die neu gegründete Aktiengesellschaft als Arbeitgeberin zu erfassen. Der Antrag des Bundesamtes lautet auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
1. Ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt als Erwerbseinkommen aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist, beurteilt sich im Rahmen der gesetzlichen Ordnung (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV) regelmässig nach der äusseren Erscheinungsform wirtschaftlicher Sachverhalte und nicht nach allfällig davon abweichenden internen Vereinbarungen der Beitragspflichtigen. Daher hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden, dass bei der Umwandlung von Einzelfirmen in Aktiengesellschaften der bisherige Geschäftsinhaber bis zu dem Zeitpunkt als Selbständigerwerbender zu veranlagen ist, da die Aktiengesellschaft im Handelsregister eingetragen wird. Die Vereinbarung rückwirkender Übernahme der Aktiven und Passiven von der bisherigen Einzelfirma ist dabei unerheblich, wie es auch auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht der neuen Aktiengesellschaft nicht ankommt. Für die Besteuerung des Erwerbseinkommens kommt nämlich - anders als in der AHV - der Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit keine materiellrechtliche Bedeutung zu (EVGE 1966 S. 163 und 1950 S. 96, ZAK 1974 S. 477 und 1970 S. 70). Das Gericht stützt seine Praxis auf die obligationenrechtliche Regelung, wonach die Aktiengesellschaft das Recht der Persönlichkeit erst mit der Eintragung ins Handelsregister erlangt (Art. 643 Abs. 1 OR). Vor diesem Zeitpunkt ist es ihr verwehrt, in eigenem Namen Rechtsgeschäfte zu tätigen. Vereinbarungen der an der Gründung einer Aktiengesellschaft beteiligten Personen bezüglich des Übergangs von Aktiven und Passiven einer Einzelfirma kommt daher während der Übergangszeit bis zur Eintragung im Handelsregister nur interne Bedeutung zu. Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, entfaltet die Einzelfirma ihre externen Rechtswirkungen weiter. Dementsprechend bleibt auch der beitragsrechtliche Status des Inhabers einer Einzelfirma so lange unverändert, als die Aktiengesellschaft das Recht der Persönlichkeit noch nicht erlangt hat.
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Hieran ändert nichts, dass der bisherige Geschäftsinhaber in der Übergangszeit unter Umständen eine andere Stellung innerhalb der Firma einnimmt, beispielsweise indem er in ein Anstellungsverhältnis gegenüber der noch nicht im Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaft tritt. Es gilt nämlich zu vermeiden, dass der ordentliche Beitragsbezug nach freiem Parteiwillen auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden kann.
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Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht keine Veranlassung. Dass sie anscheinend nicht von allen Ausgleichskassen befolgt wird, ist an sich kein Grund, sie der steuerlichen Praxis anzugleichen.
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2. Fragen kann man sich lediglich, ob die Handelsregistereintragung wie allgemein gegenüber Dritten so auch gegenüber den AHV-Organen, welche die beitragsrechtliche Veranlagung vorzunehmen haben, erst von dem Zeitpunkt hinweg wirksam sein soll, da sie im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert ist (vgl. Art. 932 Abs. 2 OR). In diesem Sinn entschied das Gericht in EVGE 1966 S. 166. Zutreffend weist das Bundesamt heute darauf hin, dass diese Praxis die Gefahr rechtsungleicher Behandlung der Versicherten in sich birgt, indem der beitragsrechtlich massgebende Zeitpunkt für den Wechsel von selbständiger zu unselbständiger Erwerbstätigkeit allein davon abhängt, welche Zeit zwischen dem Registereintrag und der Publikation verstreicht. Daher rechtfertigt es sich, den Wechsel des beitragsrechtlichen Status nicht vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der Aktiengesellschaft abhängig zu machen, sondern auf das Datum des Handelsregistereintrages eintreten zu lassen. Stichtag für den Beginn der Beitragspflicht aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ist also der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister. Dieser ist identisch mit der Einschreibung ins Tagebuch (Art. 932 Abs. 1 OR; vgl. dazu ZAK 1975 S. 416). Liesse man die Änderung des Beitragsstatuts auf einen frühern Zeitpunkt eintreten, so würde man einer Aktiengesellschaft öffentlichrechtliche Rückwirkungen beimessen für eine Zeit, da sie noch gar keine juristische Persönlichkeit besass. In diesem Sinn ist die bisherige Rechtsprechung zu ändern.
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Die Ausgleichskasse wird nun die vom Beschwerdegegner bis zum 3. Juni 1975 aus selbständiger Erwerbstätigkeit geschuldeten persönlichen Beiträge neu berechnen und darüber eine Verfügung erlassen.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 6. August 1975 und die Kassenverfügung vom 30. Juni 1975 aufgehoben mit der Feststellung, dass der Beschwerdegegner bis zum 3. Juni 1975 mit der AHV-Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber als Selbständigerwerbender abzurechnen hat.
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