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42. Urteil vom 8. Oktober 1976 i.S. Hürlimann gegen Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes und Kantonale Rekurskommission Basel für die Ausgleichskassen | |
Regeste |
Art. 11 IVG und 2 Abs. 5 IVV. | |
Sachverhalt | |
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Am 17. Juli 1974 verfügte die Ausgleichskasse die Übernahme der Kosten eines Aufenthaltes im Paraplegikerzentrum zum Blasentraining für den Zeitraum 29. April bis 9. Mai 1974. Mit Schreiben vom 11. Juni 1975 schilderte der Versicherte der Invalidenversicherungs-Kommission den Verlauf der seines Erachtens als Folge einer Blasendruckmessung im Dezember 1974 aufgetretenen Harnweginfektion. Dem Sinne nach ersuchte er um medizinische Massnahmen zu deren Behandlung. Die Ausgleichskasse verfügte indessen am 6. August 1975, dass das Blasentraining und die Medikamente der Behandlung des Leidens an sich dienten und daher nicht der Invalidenversicherung belastet werden könnten.
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B.- Der Versicherte zog diese Verfügung beschwerdeweise an die kantonale Rekurskommission Basel für die Ausgleichskassen weiter, indem er geltend machte, die Blasendruckmessung, die zur Infektion geführt habe, sei im Zusammenhang mit der von der Invalidenversicherungs-Kommission bewilligten medizinischen Eingliederungsmassnahme durchgeführt worden.
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Die Vorinstanz hat die Beschwerde am 30. Oktober 1975 abgewiesen mit der Begründung: Vom Mai bis Mitte Dezember 1974 sei der Versicherte beschwerdefrei gewesen. Die Infektion, für die er Leistungen verlange, sei im besten ![]() | 4 |
C.- Der Versicherte führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Ersatz der Heilungskosten gemäss Art. 11 Abs. 1 IVG.
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Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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2. a) Nach Art. 11 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten für Krankheiten und Unfälle, die durch Eingliederungsmassnahmen verursacht werden. Zu diesen Eingliederungsmassnahmen gehören u.a. jene medizinischen Vorkehren, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren (Art. 12 Abs. 1 IVG). Art. 2 Abs. 5 IVV enthält eine Ausnahme zu diesem Grundsatz in dem Sinne, dass bei Anstaltspflege die Versicherung für die Zeit, während welcher der Aufenthalt vorwiegend der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen dient, auch Vorkehren übernehmen muss, die der Behandlung des Leidens an sich dienen, selber also keine Eingliederungsmassnahmen ![]() | 8 |
b) Anderseits ist zu beachten, dass die Invalidenversicherung nach Art. 11 Abs. 1 IVG selbst dann für die durch Eingliederungsmassnahmen verursachten Krankheiten und Unfälle haftet, wenn jene Vorkehren zu Unrecht als Eingliederungsmassnahmen qualifiziert und zugesprochen worden sind (BGE 102 V 172, 99 V 212, EVGE 1968 S. 199, 1965 S. 77, 1962 S. 48; ZAK 1972 S. 674, 1971 S. 369, 1968 S. 688; unveröffentlichtes Urteil vom 28. Juli 1975 i.S. Genilloud). Würde jedoch eine Vorkehr richtigerweise als Behandlung des Leidens an sich qualifiziert und gestützt auf Art. 2 Abs. 5 IVV zu Recht gewährt, so wäre die Haftung der Invalidenversicherung bei wörtlicher Anwendung von Art. 11 Abs. 1 IVG - nach den Darlegungen im vorliegenden Absatz - für eine durch jene Vorkehr verursachte Gesundheitsschädigung nicht gegeben. Diese Betrachtungsweise lässt sich mit der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 11 Abs. 1 IVG aber nicht vereinbaren, dies vor allem auch aus den folgenden Überlegungen.
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Unter Umständen wünscht ein Versicherter medizinische Massnahmen gemäss Art. 12 IVG gar nicht und unterzieht er sich ihnen nur im Hinblick auf die versicherungsmässigen Sanktionen, die das Gesetz jenem Invaliden androht, welcher die Eingliederung erschwert oder gar verunmöglicht (vgl. Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 1 IVG). Ferner ist zu beachten, dass der Verursachung von Krankheiten und Unfällen durch Eingliederungsmassnahmen nicht nur objektive Gegebenheiten, sondern zusätzlich ein Verschulden von Invalidenversicherungs-Organen bzw. Invalidenversicherungs-Durchführungsstellen zugrunde liegen kann. Würde die oben dargelegte Praxis zu Art. 11 Abs. 1 IVG aufgegeben, so entständen in den Fällen der Beteiligung eines Verschuldens von Invalidenversicherungs-Organen bzw. Invalidenversicherungs-Durchführungsstellen ![]() | 10 |
Diese Überlegungen rechtfertigen es, die in Art. 11 Abs. 1 IVG statuierte Haftung der Invalidenversicherung auch auf den Ersatz von Heilungskosten für Krankheiten und Unfälle auszudehnen, welche durch eine gemäss Art. 2 Abs. 5 IVV von der Invalidenversicherung zu übernehmende Behandlung des Leidens an sich verursacht werden.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid der Rekurskommission Basel für die Ausgleichskassen vom 30. Oktober 1975 und die Kassenverfügung vom 6. August 1975 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes zurückgewiesen wird, damit diese, nach erfolgter Aktenergänzung gemäss den Erwägungen, über den Anspruch des Versicherten neu verfüge.
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