![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
56. Urteil vom 3. Dezember 1976 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Gächter und Obergericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen. |
- Die unterschiedliche Regelung der Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen einerseits und von Fachschulabsolventen andererseits verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht (Erw. 2b). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Die Kasse wies das Gesuch am 31. Januar 1976 ab mit der Begründung, Lehrlinge könnten sich innerhalb der letzten sechs Monate der Lehre jederzeit anmelden; nach diesem Zeitpunkt könnten sie sich nur noch versichern, sofern sie mindestens 150 Arbeitstage als Arbeitnehmer nachweisen könnten.
| 2 |
B.- Das Obergericht des Kantons Aargau hiess eine hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Mai 1976 gut und verhielt die Kasse, den Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. Januar 1976 als Mitglied aufzunehmen. Die Auffassung, wonach sich Lehrlinge nach Abschluss der Lehre nur noch versichern könnten, sofern sie während mindestens 150 Tagen nach Abschluss der Lehre als Arbeitnehmer tätig gewesen seien, finde im Wortlaut der Verordnung keine Stütze. Die Verordnungsbestimmung (Art. 3 Abs. 2 AlVV) sei bisher auch nicht in diesem Sinne verstanden worden. Seit Inkrafttreten der Verordnungsnovelle vom 19. November 1975 lasse sich der gleichlautende Art. 3 Abs. 1 AlVV in Verbindung mit andern auf den 1. Dezember 1975 geänderten Verordnungsbestimmungen zwar in dem von der Kasse und dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit vertretenen Sinne auslegen. Die Bestimmung könne jedoch nicht rückwirkend Anwendung finden auf Lehrlinge, die ihre Lehre vor dem 1. Dezember 1975 abgeschlossen hätten. Der Beschwerdeführer sei daher ungeachtet der neuen Bedeutung von Art. 3 Abs. 1 AlVV mit Rücksicht auf seine Erwerbstätigkeit während der Lehre als versicherungsfähig zu betrachten.
| 3 |
C.- Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf ![]() | 4 |
Der Beschwerdegegner hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen.
| 5 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
6 | |
Art. 13 Abs. 2 AlVG sieht Sonderregelungen der Versicherungsfähigkeit für Personen vor, bei denen besondere Verhältnisse bestehen. So sind Lehrlinge, die in einem Lehrverhältnis im Sinne der Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung stehen, frühestens sechs Monate vor Beendigung der Lehrzeit versicherungsfähig (Art. 3 Abs. 1 AlVV, entsprechend Art. 3 Abs. 2 des vor dem 1. Dezember 1975 gültigen Wortlautes der Verordnung).
| 7 |
b) Nach dieser Regelung sind Lehrlinge während der Dauer des Lehrverhältnisses versicherungsfähig, obgleich sie mangels Erwerbs- und Vermittlungsfähigkeit die allgemeinen Voraussetzungen gemäss Art. 13 Abs. 1 AlVG und Art. 1 Abs. 1 AlVV nicht erfüllen. Damit sie die ordentliche Wartefrist von bisher sechs Monaten gemäss Art. 25 Abs. 1 AlVG ![]() | 8 |
9 | |
![]() | 10 |
Die für Lehrlinge einerseits und Fachschulabsolventen bzw. Schulentlassene anderseits getroffenen Regelungen sind nun nicht dermassen voneinander abweichend, dass sie im Hinblick auf die bestehenden tatsächlichen Verschiedenheiten als sachlich ungerechtfertigt erscheinen würden. Zwar decken sich die Regelungen über die Versicherungsfähigkeit und Anspruchsberechtigung der in Rede stehenden Personengruppen nicht, doch sind sie materiell insgesamt gleichwertig. Dem Umstand, dass die in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung genannten Personen sich im Gegensatz zu den Lehrlingen auch in einem Zeitpunkt versichern können, da sie bereits arbeitslos sind - sofern die Anmeldung innerhalb der vorausgesetzten 3 Monate erfolgt -, steht gegenüber, dass Lehrlinge - sofern sie sich rechtzeitig versichern - unmittelbar nach Abschluss der Lehrzeit anspruchsberechtigt sind; zudem werden Fachschulabsolventen und Schulentlassene frühestens auf den der Anmeldung folgenden Monatsbeginn in die Versicherung ![]() | 11 |
c) Im Kreisschreiben Nr. 22 vom 25. November 1975 betreffend die Änderung der Verordnung zum Arbeitslosenversicherungsgesetz führt das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit in Bestätigung der bisherigen Praxis aus, Lehrlinge, die sich nicht bis zum letzten Tag der Lehre bei einer Kasse angemeldet hätten, könnten sich nur noch versichern, sofern sie während mindestens 150 Tagen nach Abschluss der Lehre als Arbeitnehmer tätig gewesen seien (Rz. 2.1.1. des Kreisschreibens). Die Vorinstanz räumt ein, Art. 3 Abs. 1 AlVV könne trotz des gegenüber dem früheren Art. 3 Abs. 2 AlVV unveränderten Wortlautes seit Inkrafttreten der neuen Verordnungsbestimmung am 1. Dezember 1975 in diesem Sinne ausgelegt werden. Sie macht indessen geltend, dies ergebe sich durch Auslegung im Vergleich mit andern auf den 1. Dezember 1975 geänderten Verordnungsbestimmungen (insbesondere Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und Art. 13 Abs. 2 AlVV sowie Abschnitt II Ziff. 1 der Verordnungsänderung vom 19. November 1975) und es lasse sich eine rückwirkende Anwendung auf Personen, die ihre Lehre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen hätten, nicht rechtfertigen.
| 12 |
Nach dem Gesagten ergibt sich der Umstand, dass Personen, die sich erst nach Abschluss der Lehrzeit bei einer Arbeitslosenversicherungskasse anmelden, den Nachweis von 150 Arbeitstagen zu erbringen haben, unmittelbar aus dem Gesetzes- bzw. Verordnungsrecht, wie es bereits vor Inkrafttreten der Verordnungsänderung vom 19. November 1975 Geltung hatte. Danach ist die Sonderregelung hinsichtlich der Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen auf die Dauer der Lehrzeit beschränkt, und es können die sich aus Art. 3 AlVV ergebenden Rechte nur von denjenigen Personen beansprucht ![]() | 13 |
14 | |
Mit der Verordnungsänderung vom 19. November 1975 hat der Gesetzgeber das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ermächtigt, bei andauernder erheblicher Arbeitslosigkeit anzuordnen, dass höchstens 50 Werktage, an denen die um Aufnahme in eine Kasse ersuchende Person nachweisbar arbeitslos war, Arbeitstagen gleichgesetzt werden (Art. 1 Abs. 7 AlVV). Von dieser Befugnis hat das Bundesamt mit Wirkung auf den 1. Dezember 1975 Gebrauch gemacht (Kreisschreiben Nr. 22 vom 25. November 1975, Ziff. 1.3.2.). Auch unter Berücksichtigung des neuen Rechts erfüllt der Beschwerdegegner die Voraussetzungen der Versicherungsfähigkeit jedoch nicht. Es muss daher mit der Kassenverfügung vom 31. Januar 1976 sein Bewenden haben.
| 15 |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
| 16 |
17 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |