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13. Urteil vom 13. April 1978 i. S. W. gegen Ausgleichskasse des Kantons Aargau und Obergericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Anspruch auf Kinderrente während der Ausbildung (Art. 22ter Abs. 1 und Art. 25 Abs. 2 AHVG). |
- Ausbildungscharakter eines Abendkurses. Ist dem Besucher eines Abendkurses zuzumuten, gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine Kinderrente ausschliessen würde (Erw. 4)? | |
Sachverhalt | |
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Am 13. Mai 1975 teilte Dr. W. der Ausgleichskasse des Kantons Aargau mit, sein Sohn werde am 10. Juni 1975 in einen dreimonatigen Vorkurs der kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene eintreten und, sofern er die Voraussetzungen erfülle, im Herbst an dieser Schule studieren. Darauf zahlte die Ausgleichskasse die Kinderrente weiter aus, verlangte aber von Dr. W. am 19. September 1975 einen Ausweis über die bevorstehende Aufnahme des in Aussicht gestellten Studiums.
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Vom 14. Juni 1976 hinweg folgte Adrian wiederum dem Vorkurs (Abendschule) an der kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene. Die Ausgleichskasse sistierte jedoch ab Juli 1976 die Kinderrente und machte Dr. W. mit Schreiben vom 6. Juli 1976 darauf aufmerksam, dass der Besuch von Abendschulen nicht unter den AHV-rechtlichen Begriff der Ausbildung falle und sie die Kinderrente für die Zeiten vom 1. Mai 1974 bis 30. November 1975 sowie vom 1. Mai bis 30. Juni 1976 unter Umständen zurückfordern müsse. Hierauf gab Dr. W. der Ausgleichskasse am 12./20. Juli 1976 erstmals bekannt, dass sein Sohn sich schon während der Lehre auf die eidgenössische Matura vorbereitet habe, um nachher ein Studium aufzunehmen. Er sei bei der Lehrabschlussprüfung durchgefallen, habe diese ein Jahr später wiederholt und am 15. April 1975 bestanden und somit während des Jahres 1975 zu Hause den Lehrstoff der Drogistenschule wiederholen müssen.
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Er habe ihm mit dem Verzicht darauf, von ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu fordern, die Chancen für ein akademisches Studium erleichtern wollen, obschon der Sohn nach seiner Meinung für dessen Bewältigung keine spezielle Eignung besitze. Auf diese Auskünfte hin hob die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 22. Juli 1976 die Kinderrente rückwirkend ab 30. April 1976 bzw. 30. April 1975 auf mit der Begründung, die Ausbildung sei am 15. April 1975 (Lehrabschlussprüfung) zu Ende gegangen. Der zuviel bezogene Rentenbetrag sei zurückzuerstatten. Die Kasse fügte bei, für die Zeit des Auslandaufenthalts vom 1. Dezember 1975 bis 30. April 1976 habe Anspruch auf die Kinderrente bestanden.
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B.- Gegen die Verfügung vom 22. Juli 1976 reichte Dr. W. Beschwerde ein mit dem Begehren, die Rückforderung sei aufzuheben und die Kinderrente sei ab 30. April 1976 weiter auszurichten.
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Das Obergericht des Kantons Aargau vertrat die Auffassung, Adrian habe sich vom 15. April 1975 bis November 1975 und ab Mitte April 1976 nicht systematisch auf die ![]() | 7 |
C.- Dr. W. erneuert mit der gegen diesen Entscheid erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde sein vorinstanzlich gestelltes Begehren.
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Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung pflichten den Darlegungen im angefochtenen Entscheid bei und beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Adrian W. absolvierte bis zum 21. April 1974 die Drogistenlehre. Vom Oktober 1971 bis Juli 1974 bezog er von der Akademikergemeinschaft 42 Monatspensen, bearbeitete aber lediglich deren vier; nach Juli 1974 bestand keinerlei Kontakt mehr zur Akademikergemeinschaft (Auskunft der Akademikergemeinschaft gegenüber der Ausgleichskasse vom 1. Juli 1976). Vom Juli 1974 bis November 1974 absolvierte Adrian die Rekrutenschule. Am 15. April 1975 bestand er die Lehrabschlussprüfung, und vom 10. Juni bis 4. Oktober 1975 besuchte er erstmals den Vorkurs der kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene. Vom 15. November 1975 bis April 1976 weilte er zum Besuch des Französischkurses der Alliance française in Paris, und am 14. Juni 1976 begann er zum zweiten Mal den Vorkurs der kantonalen Maturitätsschule, den er in der Folge bestand, so dass er im Herbst 1976 in die eigentliche Maturitätsschule (Tagesschule) aufgenommen werden konnte.
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Eine andere Frage ist es, ob Adrian sich im Vorkurs systematisch auf die Maturitätsschule bzw. auf einen künftigen Beruf vorbereitet, mit andern Worten, ob er mit dem notwendigen und ihm zumutbaren Einsatz und Willen sich im Vorkurs dieser systematischen Vorbereitung gewidmet hat. Die Vorinstanz verneint dies deshalb, weil Adrian wegen mangelnder Leistung nicht schon im Herbst 1975, sondern erst ein Jahr später in die Maturitätsschule aufgenommen ![]() | 15 |
Gewiss genügt es für die systematische Berufsvorbereitung nicht, dass eine Person rein formell die dafür nötigen Schulen und Praktika absolviert. Die systematische Vorbereitung im Sinne der Rechtsprechung verlangt darüber hinaus, dass die betreffende Person die Ausbildung mit dem ihr objektiv zumutbaren Einsatz betreibt, um sie innert nützlicher Frist erfolgreich hinter sich zu bringen. Benötigt sie aber eine überdurchschnittlich lange Ausbildungszeit oder kommt es gar zu einem Misserfolg, so darf aus diesen Umständen allein nicht geschlossen werden, die betreffende Person habe sich in der Ausbildung zu wenig eingesetzt. Denn Misserfolg und lange Ausbildungszeit können auch auf mangelnder Begabung beruhen und schliessen alsdann einen hinreichenden Einsatz in der Ausbildung nicht aus. Sie können aber Indizien für die Einsatzbereitschaft sein, die indessen zusammen mit dem gesamten übrigen Sachverhalt gewürdigt werden müssen.
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Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die um ein Jahr verspätete Aufnahme in die Maturitätsschule auf mangelnden Einsatz des Adrian im Vorbereitungskurs 1975 zurückzuführen wäre. Nach den glaubwürdigen Darlegungen des Beschwerdeführers hat sein Sohn deshalb nicht schon im Herbst 1975 in die Maturitätsschule übertreten können, weil seine Sprachkenntnisse damals nicht genügten, ein Mangel, der durch den Französischkurs vom Frühjahr 1976 offenbar behoben wurde, so dass die Aufnahme in die Maturitätsschule im Herbst 1976 möglich geworden ist. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Adrian schon die Lehrabschlussprüfung erst beim zweiten Anlauf bestanden hat und dass der Beschwerdeführer selber die Auffassung vertrat, sein Sohn sei für das Studium nicht besonders geeignet. Alle diese Umstände weisen eher darauf hin, dass nicht so sehr fehlender Fleiss als vielmehr mangelnde Begabung den verspäteten Eintritt in die Maturitätsschule verursacht hat. Darum könnte die Kinderrente allein deshalb, weil Adrian den Vorkurs wegen ungenügender Leistung einmal wiederholen musste, nicht verweigert werden.
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4. Der Kinderrentenanspruch setzt nach der Rechtsprechung aber nicht nur die systematische Vorbereitung auf die ![]() | 18 |
Der Sinn der Abendschulen besteht in erster Linie darin, Erwerbstätigen Gelegenheit zu geben, sich ohne oder mindestens ohne vollständige Aufgabe ihrer Tätigkeit beruflich zu bilden. Für eine Person, die - wie Adrian - überhaupt noch nie erwerbstätig gewesen ist, stellt sich angesichts der oben dargelegten Rechtsprechung zum Kinderrentenanspruch die Frage, ob ihr zugemutet werden muss, während der Dauer der Abendschule eine Tätigkeit aufzunehmen, die ihr erlauben würde, ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen zu erzielen. Alsdann wäre nämlich klargestellt, dass die Zeit der Abendkurse trotz deren Ausbildungscharakter nicht als Ausbildungszeit im Sinne der Rechtsprechung gelten könnte. So weit geht im vorliegenden Fall sogar die Ausgleichskasse nicht. Diese mutet Adrian lediglich die Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung zu, wie ihrem Schreiben vom 6. Juli 1976 an den Beschwerdeführer und ihrer vorinstanzlichen Beschwerdeantwort zu entnehmen ist. Dabei übersieht sie aber, dass Adrian bei Aufnahme einer halbtägigen Erwerbstätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach keinen rentenausschliessenden Verdienst erzielen würde. Indessen kann die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit im vorliegenden Fall aus den nachstehenden Überlegungen offen bleiben.
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In dem in ZAK 1967 S. 550 publizierten Urteil hat das Eidg. Versicherungsgericht die Ausbildung als nicht rechtserheblich unterbrochen erachtet, weil zwischen Matura und Hochschulstudium volle zwei Semester lagen, während denen der Sohn teils obligatorischen Militärdienst leistete, teils deshalb zwischen zwei Militärdiensten die Hochschule nicht besuchte, weil der Militärdienst ihm den Besuch während des ganzen Semesters ohnehin nicht erlaubt hätte. Dabei liess das Gericht dahingestellt, ob in der Zwischenzeit möglicherweise eine bescheidene Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist. In analoger Weise rechtfertigt es sich heute, die relativ kurze Zeitspanne zwischen der Lehrabschlussprüfung im April 1975 ![]() | 20 |
Der Anspruch auf Kinderrente bestand somit auch während der Monate Mai bis November 1975 und wiederum ab Mai 1976, weshalb die am 22. Juli 1976 verfügte Rentenaufhebung und Rentenrückforderung aufzuheben sind.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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