![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
6. Urteil vom 20. März 1980 i.S. Huser gegen Krankenkasse des Personals des Bundes und der schweizerischen Transportanstalten und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Art. 3 Abs. 3 KUVG. |
- Leistungskürzungen im Bereiche der sozialen Krankenversicherung wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Schadens durch den Versicherten sind grundsätzlich unbefristet zu verfügen. Sinngemässe Anwendung der Rechtspraxis zu Art. 7 IVG (Erw. 4). |
Art. 128 OG. Voraussetzungen, unter denen eine Streitfrage, die nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung war, aus prozessökonomischen Gründen in die Überprüfung einbezogen werden kann (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Am 21. September 1978 Verfügte die Krankenkasse des Personals des Bundes und der schweizerischen Transportanstalten (KPT), dass sie die im Kantonsspital Zürich entstandenen Heilungskosten von Fr. 7'165.10 wegen groben Selbstverschuldens des Versicherten nur zu 80% übernehme.
| 2 |
B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27. Dezember 1978 ab, indem es ebenfalls auf schweres Selbstverschulden des Versicherten erkannte.
| 3 |
C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Vater des Versicherten, die KPT sei zu Verpflichten, die Kosten aus dem Unfall ohne Leistungskürzung zu übernehmen, so die Rechnung des Kantonsspitals Zürich von Fr. 7'165.10 in vollem Umfang, ebenso die weiteren aufgelaufenen (ca. Fr. 650.--) und künftig noch entstehenden Heilungskosten. Sollte die Leistungskürzung geschützt werden, so sei diese zumindest zeitlich zu limitieren.
| 4 |
Die KPT und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
| 5 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
6 | |
![]() | 7 |
b) Der Begriff des schweren Selbstverschuldens gemäss den Statuten der KPT deckt sich im vorliegenden Zusammenhang mit dem der groben Fahrlässigkeit. Grobfahrlässig handelt nach der Rechtsprechung im Gebiet der Sozialversicherung wer unter Verletzung elementarer Vorsichtsgebote das unbeachtet lässt, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter denselben Umständen hätte einleuchten müssen (BGE 104 V 1, BGE 102 V 23).
| 8 |
9 | |
![]() | 10 |
Bei einem Fünfzehnjährigen im dritten Sekundarschuljahr, also mit verhältnismässig fortgeschrittenem Schulwissen auch bezüglich physikalischer Vorgänge, darf angenommen werden, er kenne die spezifischen Wirkungen von Waffen und Munition, nämlich die Fähigkeit, zu zerstören und zu verletzen. Dies erlaubt den Schluss, dass sich der Beschwerdeführer nach seinem Intelligenz- und Bildungsstand der Gefährlichkeit unsachgemässer Manipulation mit Munition zumutbarerweise hätte bewusst sein können und offenbar auch war. Indem er nämlich die Hülse, als er sie erhitzte, von sich weggewendet hielt, bekundete er, dass er in seinem Experiment ein Gefahrenmoment erblickte. Dem Verhalten nach erwartete er eine explosionsartige Reaktion als gewiss oder möglich. Die freiwerdende Energie übertraf indessen seine Erwartung, was offenbar auf das Fehlen näherer technischer Kenntnisse über Funktion und Reaktionsweise der verschiedenen Patronenteile zurückzuführen ist. Diese Unkenntnis vermag den Beschwerdeführer jedoch nicht zu entlasten. Angesichts der generellen Gefahrenträchtigkeit von Munition und der dadurch gebotenen elementaren Vorsicht hätte er vielmehr seiner Wissenslücke Rechnung tragen und sein Experiment als gefährliches Spiel mit dem Unbekannten betrachten müssen. Dieses Mass an Einsicht und sorgfaltsgerechtem Verhalten durfte auch vom Beschwerdeführer erwartet werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Kasse und die Vorinstanz trotz der Jugendlichkeit des Beschwerdeführers die grobe Fahrlässigkeit bejaht haben. Auch gegen das Mass der Leistungskürzung ist nichts einzuwenden.
| 11 |
3. a) Nach der bundesrechtlichen Ordnung kann der Sozialversicherungsrichter nur solche Rechtsverhältnisse überprüfen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich, d.h. in Form einer Verfügung Stellung genommen hat. Das Eidg. Versicherungsgericht hat jedoch schon ![]() | 12 |
b) Ausschliesslicher Gegenstand der Kassenverfügung vom 21. September 1978 war die Kürzung der Kassenleistungen für die im Kantonsspital Zürich entstandenen Kosten im Rechnungsbetrage von Fr. 7'165.10. Die Frage der zeitlichen Begrenzung der Sanktion wurde nicht aufgeworfen. Anfechtungsobjekt im vorliegenden Verfahren bildet deshalb grundsätzlich die Leistungskürzung bei den im Kantonsspital Zürich entstandenen Kosten. Um die Frage der zeitlichen Limitierung der Sanktion, wie es der Beschwerdeführer für den Fall der Bestätigung der Leistungskürzung verlangt hatte, entscheiden zu können, ist somit zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzung aus dem engen Sachzusammenhang der neuen Streitfrage mit dem Gegenstand der Verfügung gewonnen werden kann.
| 13 |
Es ist durchaus möglich, dass der Beschwerdeführer in naher oder ferner Zukunft wegen der Unfallverletzung weitere ärztliche Hilfe beanspruchen muss. Es wird sich damit jedes Mal erneut die Frage der Leistungskürzung stellen. Es besteht daher zwischen dem Gegenstand der Verfügung und der grundsätzlichen Frage nach der Dauer der verhängten Sanktion ein so enger Sachzusammenhang, dass von Tatbestandsgemeinschaft gesprochen werden kann. Die Beschwerdegegnerin hat sich überdies in der Beschwerdeantwort zur Frage der zeitlichen Begrenzung der Sanktion - wenn auch sehr summarisch - geäussert. Ihre Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass sie eine zeitliche Limitierung der Sanktion ablehnt. Da mit der grundsätzlichen Entscheidung in dieser Frage weitere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien bezüglich der streitigen Sanktion vermieden werden können, liegt es im Interesse der Prozessökonomie, auf den Antrag des Beschwerdeführers einzutreten.
| 14 |
4. a) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte sich mit der Frage der Dauer einer wegen grober Fahrlässigkeit verhängten Leistungskürzung im Rahmen der Krankenversicherung noch ![]() | 15 |
Allerdings sind im IV-Recht zeitlich begrenzte Kürzungen nicht schlechthin ausgeschlossen (EVGE 1962 S. 307, 1967 S. 98). Art. 7 IVG sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Eine befristete Kürzung im Rahmen von Art. 7 IVG ist allerdings nur ausnahmsweise und nur dann zulässig, wenn schon bei der Rentenfestsetzung wahrscheinlich ist, dass das grobfahrlässige Verhalten des Versicherten als Ursache seiner Invalidität nach Ablauf einer annähernd bestimmbaren Zeit nicht mehr erheblich sein wird, weil andere Faktoren in den Vordergrund treten (BGE 104 V 1).
| 16 |
b) Gleiches gilt für den Bereich der Krankenversicherung. Daher sind die im Rahmen der Invalidenversicherung entwickelten Grundsätze auf die Krankenversicherung ohne weiteres übertragbar. Eine Leistungskürzung in der Krankenversicherung wegen schweren Selbstverschuldens hat demnach so lange zu dauern, als die Kausalität des Verschuldens nachwirkt. Gleich wie in der Invalidenversicherung lässt sich auch in der Krankenversicherung in der Regel nicht mit genügender Gewissheit abschätzen, wie hoch der Schaden ausfällt, den die Versicherung zu tragen haben wird. So kann eine vermeintlich geheilte Krankheit oder Unfallverletzung noch nach Jahren ![]() | 17 |
Wie der Beschwerdeführer einräumt, ist nicht ausgeschlossen, dass die unfallbedingte Verletzung auch später noch ärztliche Behandlung erfordern könnte. Nach dem Gesagten ist daher die Voraussetzung für eine zeitliche Begrenzung der Leistungskürzung nicht gegeben.
| 18 |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
| 19 |
20 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |