BGE 107 V 54 | |||
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10. Auszug aus dem Urteil vom 9. Januar 1981 i.S. Gemeindekrankenkasse Kirchberg gegen Sennhauser und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG und Art. 23 Abs. 1 Vo III. |
- Die Differenzierung zwischen Akutspitälern, Chronischkrankenhäusern und Pflegeheimen mit spitalmässiger Einrichtung ist eine Tarifsache und berührt den Heilanstaltsbegriff als solchen nicht. |
Art. 215 Abs. 3 AHVV. Die Zusprechung von Baubeiträgen an ein Pflegeheim hat keine präjudizielle Bedeutung für die Beurteilung durch den Richter, ob ein Pflegeheim den Begriff der Heilanstalt erfüllt. | |
Aus den Erwägungen: | |
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Als Heilanstalten im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG gelten gemäss Art. 23 Abs. 1 Verordnung III Anstalten oder Abteilungen von solchen, die der Behandlung von Kranken unter ärztlicher Leitung dienen. Nach der Rechtsprechung betrifft das Erfordernis der ärztlichen Leitung nicht die Anstalt als solche, sondern die dort erbrachte ärztliche Behandlung, die nicht unbedingt durch fest angestellte Anstaltsärzte vorgenommen werden muss. Dass die Heilanstalt eine allgemeine Abteilung besitzt, ist nicht erforderlich. Unerlässlich ist hingegen, dass sie über genügend und fachgemäss ausgebildetes Krankenpflegepersonal sowie über medizinische Einrichtungen verfügt, die den ärztlichen bzw. therapeutischen Anforderungen genügen, welche die besondere Zwecksetzung der Anstalt stellt (vgl. BGE 100 V 73 Erw. 1, BGE 99 V 72 Erw. 2, BGE 96 V 11 Erw. 3a; RSKV 1979 Nr. 391 S. 273, 1978 Nr. 312 S. 22, 1977 Nr. 298 S. 167). Wenn eine Anstalt neben Patienten, die auf ärztliche Anordnung hin gepflegt werden, auch - eventuell sogar zur Hauptsache - Personen aufnimmt, die sich dort bloss zur Erholung oder Wiedergenesung aufhalten, ist dies für sich allein genommen kein Grund zur Annahme, es handle sich nicht um eine Heilanstalt (BGE 99 V 72 Erw. 2; RSKV 1977 Nr. 298 S. 167). An dieser Rechtsprechung ist gemäss einem Beschluss des Gesamtgerichts festzuhalten.
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2. a) Im Urteil vom 4. August 1978 hat das Eidg. Versicherungsgericht ausgeführt, dass das Alters- und Pflegeheim Ebnat-Kappel mit Dr. med. H. über einen Heimarzt verfügt, dem die ärztliche und administrative Leitung obliegt und der auch die ärztliche Behandlung der Insassen leitet. Die im Anschluss an die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz durchgeführten Abklärungen ergaben, dass das Pflegeheim die erforderlichen medizinischen Einrichtungen zur akut und chronisch geriatrischen Betreuung besitzt; insbesondere ist es für Notfallsituationen ausgerüstet, und es können auch verschiedene diagnostische Leistungen (wie EKG, Transaminase- und Blutzuckerbestimmungen, Blutbilder und Nierenfunktionsprüfungen) erbracht werden; des weitern wurde festgestellt, dass im 50 Betten umfassenden Pflegeheim drei Krankenschwestern und sieben Krankenpflegerinnen tätig sind und dass es eine Schulstation der Pflegerinnenschule Toggenburg-Linth ist. Somit verfügt das Pflegeheim sowohl über die erforderlichen medizinischen Einrichtungen als auch über genügend und fachgemäss ausgebildetes Krankenpflegepersonal, weshalb die Vorinstanz den Heilanstaltscharakter zu Recht bejahte.
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b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist die Kasse darauf hin, das Pflegeheim dürfe nicht mit dem Spital Wattwil verglichen werden, da dieses ein Akutspital sei, welches personell und einrichtungsmässig über ganz andere Behandlungsmöglichkeiten verfüge als ein Pflegeheim. Zudem legte Dr. med. H. in seinem Schreiben vom 25. September 1978 dar, das Pflegeheim habe keine Intensivstation; überdies macht er im Schreiben vom 7. August 1979 geltend, im Pflegeheim gehe es nicht um die Heilung der Patienten, sondern um die Pflege und Betreuung unheilbar Chronischkranker, weshalb nicht von einer Heilanstalt gesprochen werden könne. Zu diesen Einwendungen ist zunächst zu bemerken, dass es für das Bejahen bzw. Verneinen des Heilanstaltsbegriffes nicht auf das Vorhandensein oder Fehlen einer Intensivstation ankommt; nach dem in Erwägung 1 Gesagten ist vielmehr wesentlich, ob die Anstalt u.a. über die im Hinblick auf ihre besondere Zwecksetzung erforderlichen medizinischen Einrichtungen verfügt. Des weitern ist es unerheblich, ob das Heilen oder das Pflegen im Vordergrund steht; denn im Einzelfall dürfte es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, zwischen Heilen und Pflegen klar abzugrenzen; ein derartiges Kriterium wäre daher unpraktikabel. Nicht massgebend für den Heilanstaltscharakter ist ferner auch die Unterscheidung zwischen Akutspitälern, Chronischkrankenhäusern und Pflegeheimen mit spitalmässiger Ausrüstung, wie sie mitunter in Krankenkassenstatuten zum Ausdruck kommt. Die differenzierte Behandlung der verschiedenen Anstalten durch die Krankenkassen ist eine Frage der tariflichen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Heilanstalten; den Begriff der Heilanstalt als solchen vermag sie jedoch nicht zu beeinflussen.
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Schliesslich macht die Kasse in formeller Hinsicht noch geltend, das Bundesamt für Sozialversicherung habe im Zusammenhang mit der Gewährung von Baubeiträgen an das Alters- und Pflegeheim Ebnat-Kappel festgestellt, das Pflegeheim sei keine Heilanstalt; andernfalls hätten solche Beiträge nicht bewilligt werden dürfen, da gemäss Art. 215 Abs. 3 AHVV Anstalten, die nach eidgenössischer oder kantonaler Gesetzgebung als Heilanstalten gelten, nicht beitragsberechtigt sind. In der Tat geht aus den Akten des Bundesamtes hervor, dass dem Pflegeheim mit Verfügung vom 23. Dezember 1977 Baubeiträge zugesprochen wurden. Die damit verbundene Feststellung, es handle sich nicht um eine Heilanstalt, vermag jedoch die Beurteilung durch den Richter, der in einem Streitfall zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse zum Entscheid über den Charakter einer Anstalt aufgerufen ist, nicht zu präjudizieren.
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Somit ist festzuhalten, dass die gegen die Annahme des Heilanstaltscharakters erhobenen Einwendungen nicht geeignet sind, zu einem andern Ergebnis zu führen.
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Beim Übertritt vom Spital Wattwil ins Pflegeheim lautete die Diagnose des Dr. med. H. auf Zustand nach apoplektischem Insult (Schlaganfall) mit Halbseitenlähmung und teilweiser Lähmung der Schluckmuskulatur, Schädigung des Sprachzentrums sowie Urin- und Stuhlinkontinenz. Gemäss Schreiben des Dr. med. H. vom 25. September 1978 benötigte der Versicherte wegen Komplikationsgefahren eine ständige ärztliche Überwachung. Auch das Spital Wattwil hob angesichts des Gesundheitszustandes die Notwendigkeit einer Betreuung unter spitalmässigen Bedingungen hervor. Die Bejahung der Heilanstaltsbedürftigkeit durch die Vorinstanz lässt sich daher nicht beanstanden.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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