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Informationen zum Dokument  BGE 107 V 225  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Streitig ist, inwieweit die Krankenkasse Helvetia aufgrund  ...
2. a) Bei der Beurteilung der vorliegenden Streitfrage ist davon  ...
3. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Einwend ...
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52. Urteil vom 1. Oktober 1981 i.S. Voldum gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
 
 
Regeste
 
Art. 3 Abs. 3 KUVG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 107 V, 225 (225)A.- Christian Voldum fuhr am 7. Juli 1979 mit dem Motorrad bei einem Überholmanöver in einen entgegenkommenden Personenwagen. Er erlitt dabei eine offene Oberschenkelfraktur links und war deshalb bis zum 30. November 1979 in der Chirurgischen Universitätsklinik Zürich hospitalisiert. Die Spitalkosten beliefen sich auf insgesamt Fr. 75'718.60. Die Continentale Allgemeine Versicherungs-AG (im folgenden Continentale) übernahm hievon aus der obligatorischen Motorrad-Unfallversicherung den Betrag von Fr. 54'826.90 gemäss folgender Abrechnung:
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Rechnungsbetrag Fr. 75'718.60
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Verpflegungskostenabzug
3
(1/4 der Taxe für Pflegekosten) Fr. 7'185.--
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-------------
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Fr. 68'533.60
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20% Kürzung wegen Selbstverschuldens Fr. 13'706.70
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BGE 107 V, 225 (226)Fr. 54'826.90 Christian Voldum meldete den Unfall auch der Schweizerischen Krankenkasse Helvetia, bei welcher er u.a. eine Zusatzversicherung für Motorfahrzeuglenker abgeschlossen hatte, und verlangte die Übernahme der von der Continentale nicht vergüteten Kosten. Mit Verfügung vom 16. Januar 1980 anerkannte die Kasse ihre Leistungspflicht für den Verpflegungskostenabzug und das versicherte Taggeld unter Berücksichtigung einer Kürzung wegen grober Fahrlässigkeit von 20%; dagegen lehnte sie es ab, die von der Continentale wegen Leistungskürzung nicht übernommenen Heilanstaltskosten im Betrage von Fr. 13'706.70 zu erstatten.
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B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde mit der Feststellung ab, dass die Krankenkasse wegen Selbstverschuldens unbestrittenermassen nur zu 80% leistungspflichtig gewesen wäre und von den Spitalkosten von Fr. 75'718.60 somit lediglich Fr. 60'574.90 hätte übernehmen müssen. Nachdem der Drittversicherer Fr. 54'826.90 bezahlt habe, verbleibe eine Leistungspflicht der Kasse in der Höhe von Fr. 5'748.--. Mit der Übernahme von 80% des Verpflegungskostenabzuges von Fr. 7'185.-- sei die Kasse ihrer Leistungspflicht voll nachgekommen (Entscheid vom 29. April 1980).
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Christian Voldum beantragen, die Krankenkasse sei zu verpflichten, die von der Continentale infolge Selbstverschuldens nicht übernommenen Heilungskosten im Umfange von 80% zu erstatten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei nicht massgebend, welche Leistungen die Kasse ohne vorleistungspflichtigen Drittversicherer hätte erbringen müssen; entscheidend sei vielmehr, dass der Drittversicherer den Schaden nicht voll gedeckt habe. Das Prinzip der Subsidiarität verleihe dem subsidiär haftenden Versicherer nicht das Recht, Einreden des primär Leistungspflichtigen gegenüber den Ansprüchen des Versicherten zu erheben. Die Kassenstatuten sähen keinen Ausschluss des durch die Kürzung infolge Selbstverschuldens vom Primärversicherer nicht gedeckten Kostenanteils vor. Nach dem Vertrauensprinzip müsse die Bestimmung, wonach die Kasse den nicht anderweitig gedeckten Kostenanteil übernehme, auf den entstandenen Schaden und nicht auf eine dem Selbstverschulden adäquate Schadenersatzbemessung bezogen werden. Dass die Kasse für den nicht anderweitig gedeckten Schaden die statutarischen Leistungen zu erbringen habe, entspreche der im Quotenvorrecht des Geschädigten BGE 107 V, 225 (227)zum Ausdruck kommenden Tendenz, die Schadensdeckung auch bei Selbstverschulden zu Lasten der Kollektivität vorzunehmen.
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Die Krankenkasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
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"Die Kosten für ärztliche Behandlung, Arznei und für den Spitalaufenthalt werden von der SKKH nur dann übernommen, wenn das Mitglied gegenüber einem anderweitigen Versicherungsinstitut auch ohne Bestehen der Kassenmitgliedschaft bei der SKKH keinen Versicherungsanspruch besitzt. Deckt die anderweitige Versicherung auch ohne diese Voraussetzung nicht die vollen Arzt-, Arznei- oder Spitalkosten, übernimmt die SKKH im Umfange der statutarischen Leistungen den nicht anderweitig gedeckten Kostenanteil (vorbehalten bleibt Art. 46 Ziff. 5)."
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b) Die genannte Statutenbestimmung enthält keine Einschränkung in dem Sinne, dass die Übernahme der von Drittversicherern infolge Selbstverschuldens nicht gedeckten Kosten ausgeschlossen wäre. Der Beschwerdeführer schliesst hieraus, dass die Krankenkasse an den von der Continentale wegen Leistungskürzung zufolge Selbstverschuldens nicht übernommenen Kostenanteil die statutarischen Leistungen zu erbringen habe. Die Krankenkasse vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die von der Continentale nicht übernommenen Kosten keine "anderweitig nicht gedeckten Kosten" im Sinne der Statutenbestimmung darstellten, weil die Continentale bei ordnungsgemässem Verhalten des Versicherten die entstandenen Heilungskosten voll bezahlt hätte. Das Bundesamt für Sozialversicherung will unter den "anderweitig nicht gedeckten Kosten" nur solche Kosten verstehen, "die von einem Drittversicherer bei normalen Verhältnissen, d.h. ohne dass - BGE 107 V, 225 (228)beispielsweise - eine Leistungskürzung zur Diskussion steht, nicht übernommen werden, nicht aber solche Kosten, die wegen einer infolge grobfahrlässiger Herbeiführung des Unfalls angeordneten Leistungskürzung nicht gedeckt werden".
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Wie das Eidg. Versicherungsgericht in Zusammenhang mit solchen Bestimmungen wiederholt festgestellt hat, dürfen die Krankenkassen ihre Leistungen für selbstverschuldete Unfälle nicht generell von der Leistungspflicht ausschliessen. Sie können die Leistungen jedoch im Einzelfall als Sanktion für schweres Verschulden verweigern oder kürzen, sofern und soweit sich eine solche Massnahme mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbaren lässt. Da es sich hiebei um einen allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts handelt, bedarf es keiner besondern statutarischen Grundlage (BGE 98 V 147).
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b) Demzufolge ist vorab zu prüfen, ob die Weigerung der Kasse zur Übernahme des vom Drittversicherer infolge Selbstverschuldens nicht gedeckten Kostenanteils gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst. Dabei kann unbestrittenermassen davon ausgegangen werden, dass eine Kürzung der Versicherungsleistungen von 20% dem Selbstverschulden angemessen ist. Damit steht fest, dass der Beschwerdeführer eine Leistungskürzung im Betrage von Fr. 15'143.70 (20% von Fr. 75'718.60) hätte hinnehmen müssen, wenn er allein bei der Krankenkasse versichert gewesen wäre. Dementsprechend hätte die Kasse Fr. 60'574.90 der gesamten Heilungskosten übernommen, wenn kein Drittversicherer vorleistungspflichtig gewesen wäre. Nachdem die Continentale Fr. 54'826.90 bezahlt und die Krankenkasse 80% des Verpflegungskostenabzugs von Fr. 7'185.--, somit Fr. 5'748.-- vergütet hat, wurde der Beschwerdeführer genau gleich entschädigt, wie wenn die Kasse ihre statutarischen Leistungen als allein Leistungspflichtige erbracht hätte. Mit der Weigerung, die von der Continentale nicht gedeckten Kosten zu übernehmen, hat die Kasse lediglich diejenige Sanktion verfügt, welche bei alleiniger Leistungspflicht der Kasse ohne weiteres angemessen gewesen BGE 107 V, 225 (229)wäre. Die streitige Verfügung verstösst daher nicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip.
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3. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen vermögen zu keinem andern Ergebnis zu führen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann Art. 48 Ziff. 3 Abs. 2 der Statuten nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Kasse bei gleichzeitigem Bestehen einer Drittversicherung weitergehende Leistungen zu erbringen hätte. Die Bestimmung statuiert eine subsidiäre Leistungspflicht gegenüber Drittversicherern und ändert am statutarischen Leistungsumfang grundsätzlich nichts. Sie gibt insbesondere im Falle der Leistungskürzung wegen Selbstverschuldens keinen Anspruch auf Leistungen, welche über das hinausgehen, was dem Mitglied ordentlicherweise aufgrund von Gesetz und Statuten zusteht (vgl. auch PFLUGER, Jurist. Kartothek der Krankenversicherung, VI b 51). In der Statutenbestimmung wird denn auch ausdrücklich festgestellt, dass die nicht anderweitig gedeckten Kosten "im Umfange der statutarischen Leistungen" übernommen werden. Dieser Hinweis kann nur dahingehend verstanden werden, dass eine Leistungskürzung wegen Selbstverschuldens auch im Rahmen der subsidiären Leistungspflicht der Kasse vom Versicherten zu vertreten ist. Wie Kasse und Bundesamt für Sozialversicherung zu Recht bemerken, würde die gegenteilige Auffassung zu stossenden Ungleichheiten führen, die sich mit dem Grundsatz der Gegenseitigkeit (Art. 3 Abs. 3 KUVG) nicht vereinbaren liessen. Hieran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Quotenvorrecht der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) nichts zu ändern. Das Quotenvorrecht gilt in Zusammenhang mit dem Regressrecht der SUVA gegenüber einem Haftpflichtversicherer; im vorliegenden Fall sind aber weder Leistungen eines Haftpflichtversicherers beteiligt noch steht der Krankenkasse überhaupt ein Regressrecht zu, wie es Art. 100 KUVG für die SUVA vorsieht (vgl. MAURER, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1 S. 395 ff.; MAURER, Kumulation und Subrogation in der Sozial- und Privatversicherung, S. 18 ff.).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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