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57. Urteil vom 12. November 1982 i.S. Schweizerische Grütli gegen L. und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 1 Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 5 KUVG. | |
Sachverhalt | |
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B.- In der gegen diese Verfügung erhobenen Beschwerde liess die Versicherte die Rechtmässigkeit der Halbierung des Spitalgeldes gemäss Art. 32 Abs. 3 lit. c des Leistungsreglements in Frage stellen und die Ausrichtung der Kassenleistungen auch für die Urlaubstage beantragen. Am 28. August 1980 entschied das Versicherungsgericht des Kantons Bern, die Gewährung des nur halben versicherten Spitalgeldes ![]() | 2 |
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt die Kasse die Aufhebung des kantonalen Urteils und die Bestätigung der Verfügung vom 21. März 1978. In der Begründung führt sie im wesentlichen aus, dass eine Leistungsdifferenzierung nach der Eigenart der Behandlung und der Hospitalisation grundsätzlich zulässig sein müsse, da die Krankenpflege in psychiatrischen Kliniken weniger aufwendig als in andern (Akut-)Spitälern und die vertraglichen Pauschalen dementsprechend niedriger seien. Hinsichtlich der Entschädigungspflicht für die Urlaubstage stellte sie sich auf den Standpunkt, dass sich diese nach dem Vertrag richte, der vom Kantonalverband Bernischer Krankenkassen und der Krankenkasse für den Kanton Bern mit verschiedenen psychiatrischen Kliniken abgeschlossen worden sei; demnach bestehe im vorliegenden Fall für die Urlaubstage keine Leistungspflicht. Die Versicherte lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf einen Antrag.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 2 KUVG richten sich die Krankenkassen nach ihrem Gutfinden ein, soweit das Gesetz keine entgegenstehenden ![]() | 5 |
Aufgrund der mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 KUVG gewährleisteten Autonomie sind die Krankenkassen in der statutarischen oder reglementarischen Ausgestaltung dieser Zusatzversicherungen zur Grundversicherung grundsätzlich frei. Diese Gestaltungsfreiheit ist indessen nicht unbeschränkt. Die Kassen haben sowohl bei der Reglementierung dieser sozialversicherungsrechtlichen Zusatzversicherungen als auch bei der Rechtsanwendung im Einzelfall die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu beachten, wie sie sich aus dem allgemeinen Bundessozialversicherungsrecht und dem übrigen Verwaltungsrecht sowie der Bundesverfassung ergeben. Insbesondere haben sie sich an die wesentlichen Grundsätze der sozialen Krankenversicherung zu halten, wie z.B. an den Grundsatz der Gegenseitigkeit (vgl. BGE 106 V 178 f. Erw. 3 mit Hinweisen = RSKV 1981 Nr. 437 S. 31, RSKV 1970 Nr. 82 S. 217).
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3. a) Der Grundsatz der Gegenseitigkeit besagt, dass zwischen Beiträgen einerseits und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen muss. Weiter beinhaltet er, dass allen Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen Vorteile zu gewähren sind. Diese sind gemäss der Höhe der Beiträge differenzierbar. Der Grundsatz der Gegenseitigkeit verbietet damit, dass ein Versicherter in den Genuss von Vorteilen kommt, welche die betreffende Kasse nicht auch ihren andern Mitgliedern gewährt, die sich in vergleichbarer Lage befinden (BGE 106 V 178 Erw. 3, BGE 105 V 280 f. Erw. 3b, BGE 97 V 68 f.; EVGE 1968 S. 164 und 1967 S. 11; RSKV 1973 Nr. 177 S. 149 und 1971 Nr. 87 S. 21; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band II, S. 284 f.; derselbe in der Schweizerischen Zeitschrift für Sozialversicherung, 1972 S. 199). Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Halbierung des Spitalgeldes bei Aufenthalt in einer psychiatrischen ![]() | 7 |
b) Zu prüfen bleibt somit, ob die Kasse die in einer psychiatrischen Klinik hospitalisierten (akutkranken) Versicherten leistungsmässig anders behandeln darf als Mitglieder in einem nichtpsychiatrischen Spital für Akutkranke (vgl. Art. 32 Abs. 3 lit. a und lit. c des Leistungsreglements) bzw. ob es ihr gestattet ist, die Leistungen aus ihrer Spitalzusatzversicherung nach der Art des Spitals, der Behandlung oder der Erkrankung zu differenzieren.
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Die Hospitalisationskosten in nichtpsychiatrischen Heilanstalten liegen - allenfalls von Spitälern oder Abteilungen für Chronischkranke und Geriatriepatienten abgesehen - praktisch durchwegs über denjenigen gleichrangiger psychiatrischer Kliniken. Daher werden in den Verträgen zwischen Krankenkassen und Heilanstalten die beiden Arten von Spitälern regelmässig gesondert behandelt und entsprechend der Kostenstruktur unterschiedliche Entschädigungen vereinbart. Die Vorinstanz hält zutreffend fest, dass diese vertraglichen Differenzierungen nicht gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit verstossen. Diese Verträge enthalten allerdings praktisch ohne Ausnahme nur eine Taxordnung für die allgemeine Abteilung der Vertragsspitäler. Begibt sich dagegen der Versicherte in eine Privatabteilung einer öffentlichen Heilanstalt oder in eine Privatklinik, so ist das betreffende Spital im Rahmen allfälliger kantonaler oder kommunaler Bestimmungen oder eines privatklinikinternen Reglements zu freier Rechnungsstellung berechtigt. Damit entstehen Kosten, welche über diejenigen für einen Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Vertragsspitals hinausgehen und die in der Regel durch eine Spitalzusatzversicherung abgedeckt werden können, wie das auch mit der vorliegend in Frage stehenden Zusatzversicherung möglich ist.
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In diesem Zusammenhang erweist sich die unterschiedliche Kostenstruktur der erwähnten beiden Arten von Heilanstalten genauso als bedeutsam wie hinsichtlich einer vertraglichen Taxordnung für die allgemeine Abteilung der Vertragsspitäler. Doch können die Kassen in diesem Falle sowohl auf die Wahl eines ![]() | 10 |
c) Allerdings könnte die aus der Gewährung des vollen versicherten Spitalgeldes resultierende Besserstellung des Psychiatriepatienten in bezug auf die Möglichkeiten bei der Wahl des Spitals oder der Spitalklasse mehr oder weniger ausgeprägt sein, mit andern Worten, diese Vorteile in unterschiedlichem Grade ermöglichen. So liessen sich etwa die Mehrkosten aus der Wahl einer besseren Heilanstaltsklasse, als sich ein Kassenmitglied von ![]() | 11 |
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Leistungen aus der Taggeldversicherung - insbesondere aufgrund einer Kollektivversicherung wie in BGE 101 V 77 - sind im wesentlichen zum Ersatz für entgangenes Erwerbseinkommen bestimmt und sollen daher bei gleicher Verdiensteinbusse im Rahmen des versicherten Tagesansatzes gleich hoch ausfallen, so dass ![]() | 13 |
b) Die Vorinstanz hat die Unzulässigkeit der Halbierung des versicherten Spitalgeldes schliesslich noch damit begründet, dass es dabei lediglich um eine Sparmassnahme zur Gewährleistung einer ausgeglichenen Kassenrechnung gehe und einzig Gründe der Wirtschaftlichkeit wegleitend gewesen seien, was im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstosse. Die Erwägungen hievor haben indes gezeigt, dass die fragliche Regelung keine willkürliche Benachteiligung des Psychiatriepatienten darstellt und dass weder unter diesem Blickwinkel noch unter dem der risikogerechten Prämie eine Verletzung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit vorliegt. Daher ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Kasse mit der streitigen Leistungsdifferenzierung allenfalls auch die Erhaltung eines gesunden finanziellen Kassenhaushalts bezweckte, indem sie - im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien der sozialen Krankenversicherung - Leistungsbeschränkungen einführte und damit möglicherweise auch auf die Tarife oder die Art der Rechnungsstellung durch die Nichtvertragsspitäler einen gewissen Einfluss nimmt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern hiebei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt sein könnte.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin verhält es sich auch nicht so, dass Art. 32 Abs. 3 lit. c des Leistungsreglements nur zum Tragen kommt, wenn sich ein Versicherter in eine vertraglich nicht gebundene Heilanstalt begibt. Die fragliche Bestimmung gilt allgemein. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Leistungen aus der Spitalzusatzversicherung besser gestellt gewesen wäre, wenn sie sich in einer psychiatrischen Vertragsheilanstalt hätte behandeln lassen.
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Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass diesfalls die vertragliche Urlaubsregelung auch hinsichtlich der hier streitigen 7 Urlaubstage ![]() | 18 |
b) Auch mit Bezug auf die Spitalgeldversicherung ist die Berechnung der Kasse richtig. Nach Art. 32 Abs. 1 des Leistungsreglements richtet die Kasse aus dieser Versicherung ein tägliches Spitalgeld aus. Das der Beschwerdegegnerin auszuzahlende Betreffnis ergibt sich somit aus der Multiplikation der anspruchsberechtigenden Spitalaufenthaltstage mit dem versicherten Tagesansatz. Die tarifvertragliche Urlaubsregelung ist auch für den Bereich der Spitalgeldversicherung massgeblich, so dass sich die anrechenbaren Spitaltage hier ebenfalls auf 34 belaufen und die Kasse demnach für die streitigen 7 Urlaubstage auch aus der Zusatzversicherung nicht leistungspflichtig ist.
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Zu Unrecht hat die Vorinstanz im vorliegenden Fall eine Leistungspflicht aus Art. 34 des Leistungsreglements abgeleitet. Diese Bestimmung umschreibt lediglich, welche Kosten in die Berechnung einer allfälligen Überversicherung mit einzubeziehen sind. Anhaltspunkte für eine Überentschädigung sind hier nicht gegeben. Nach den Akten werden die aus der Krankenpflegeversicherung und der Spitalzusatzversicherung zu erbringenden Leistungen vollumfänglich benötigt, um die Hospitalisierungskosten während den anspruchsberechtigenden 34 Spitaltagen zu begleichen. Es verbleibt somit kein Restguthaben, mit welchem die Beschwerdegegnerin die Reservationskosten des Spitals während der fraglichen Urlaubstage kompensieren könnte.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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