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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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1. Auszug aus dem Urteil vom 11. April 1984 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Friederich und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 AHVG. |
Die Naturalleistungen sowie das allfällige Taschengeld stellen somit massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG dar (Bestätigung der Rechtsprechung). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Bern hiess die von Kurt Friederich dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 26. Mai 1982 gut, hob die angefochtene Verfügung auf und überwies die Akten der Verwaltung zur näheren Abklärung der Beitragspflicht der als Nichterwerbstätige qualifizierten Adelheid A.
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C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Wiederherstellung der Kassenverfügung. Während sich Kurt Friederich nicht hat vernehmen lassen, schliesst die als Mitinteressierte zur Stellungnahme eingeladene Adelheid Friederich-A. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Nach bisheriger Rechtsprechung gelten Unterhaltsleistungen, die ein Mann der mit ihm in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Frau für deren Haushaltführung gewährt, beitragsrechtlich als massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die in einer solchen Gemeinschaft lebende Frau im Gegensatz zur Ehefrau nach Gesetz nicht verpflichtet ist, den Haushalt zu führen, und dass auch dem Mann aus dem blossen Zusammenleben keine gesetzlichen Pflichten gegenüber der Frau, namentlich keine Unterhaltspflichten erwachsen. Die Art der von der Frau ausgeübten ![]() | 5 |
Das BSV schliesst sich in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde dieser Rechtsprechung an und macht überdies geltend, eine andere Praxis würde insofern heikle Abgrenzungsfragen aufwerfen, als im Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine eheähnliche Gemeinschaft und damit Nichterwerbstätigkeit der Frau oder aber ein Anstellungsverhältnis und mithin unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. Auch könne nicht geleugnet werden, dass die Frau, welche anderweitig kein Erwerbseinkommen erzielt und über kein Vermögen verfügt, in finanzieller Hinsicht tatsächlich von ihrem Partner abhängig sei. Ausserdem habe sich die Rechtslage bezüglich der eheähnlichen Gemeinschaft seit 1950, als die erwähnte Praxis begründet worden sei (vgl. ZAK 1951 S. 34), bis heute nicht geändert, weshalb der vom Gesetzgeber gewollten unterschiedlichen Behandlung solcher Verhältnisse einerseits und der Ehe anderseits Rechnung getragen werden müsse.
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c) Demgegenüber betrachtet die Vorinstanz die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebende Frau beitragsrechtlich als Nichterwerbstätige. Sie geht im wesentlichen davon aus, dass die eheähnliche Gemeinschaft heute nicht mehr als sittenwidrig gelte und dass demzufolge diesbezügliche Strafbestimmungen aufgehoben worden seien oder kaum mehr beachtet würden. Sodann hätten sich die Gerichte schon oft in erb- und vertragsrechtlichen Fragen mit eheähnlichen Verhältnissen befassen müssen, und insofern habe "das faktisch und soziologisch längst schon etablierte Institut immer mehr eine auch rechtliche Anerkennung erfahren". Diese Tatsache sei auch sozialversicherungsrechtlich zu berücksichtigen. Ferner könne eine eheähnliche Gemeinschaft nicht als Arbeitsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn angesehen ![]() | 7 |
d) Im Rahmen der AHV-rechtlichen Beitragspflicht könnte man sich schliesslich auch noch fragen, ob die Haushaltführung der in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Frau als selbständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren sei, dies in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine eheähnliche Gemeinschaft unter Umständen unter dem Gesichtspunkt einer einfachen Gesellschaft im Sinne von Art. 530 ff. OR zu beurteilen ist. Nach dieser Rechtsprechung muss allerdings in jedem einzelnen Fall näher geprüft werden, ob und inwieweit die konkreten Umstände die Anwendung der Regeln über die einfache Gesellschaft erlauben, wobei von der Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln nur dort gesprochen werden kann, wo und insoweit bei den in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Partnern der Wille besteht, die eigene Rechtsstellung einem gemeinsamen Zweck unterzuordnen, um auf diese Weise einen Beitrag an die Gemeinschaft zu leisten. Auf die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den in einem solchen Verhältnis lebenden Beteiligten ist aber nach dieser Rechtsprechung Gesellschaftsrecht stets nur insoweit anwendbar, als ein Bezug zur Gemeinschaft gegeben ist (BGE 108 II 208 Erw. 4a).
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e) Wie aus der Darstellung der verschiedenen Ausgangspunkte ersichtlich ist, lassen sich für alle drei Varianten beachtliche Argumente anführen, wobei allerdings keine davon eine in jeder Hinsicht befriedigende Lösung bildet. Bei dieser Sach- und Rechtslage fragt es sich, ob hinreichender Anlass besteht, von der bisherigen konstanten Praxis abzugehen (BGE 108 V 17 Erw. 3b mit Hinweis).
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4. a) Die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts geht davon aus, dass die zivilrechtliche Gesetzgebung weder den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft kennt noch spezifische Regeln zu diesem Sachverhalt enthält. Mit der Vorinstanz ist zwar bezüglich solcher Verhältnisse ein gesellschaftlicher Wandel in der ethisch-moralischen Wertung festzustellen, weshalb die diesbezüglichen Strafbestimmungen in den meisten Kantonen aufgehoben wurden oder in der Praxis kaum mehr Anwendung finden. In rechtlicher Hinsicht kann jedoch der vorinstanzlichen Auffassung nicht beigepflichtet werden, wonach jenes "faktisch und soziologisch ![]() | 10 |
b) Zum Argument der Vorinstanz, eine eheähnliche Gemeinschaft könne nicht als Arbeitsverhältnis angesehen werden, da dieses ein Unterordnungsverhältnis mit entsprechender Weisungsbefugnis des Arbeitgebers voraussetze, ist zu bemerken, dass nach der bisherigen Praxis aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht kein (fiktiver) Arbeitsvertrag angenommen wurde, sondern es wurde nur - in Ermangelung einer besseren Lösung - die vom Mann seiner Partnerin gewährte Naturalleistung einem Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Dabei trat das Kriterium der Subordination, welches für den Arbeitsvertrag an sich typisch ist, in den Hintergrund (vgl. dazu STEPHAN THURNHERR, Die eheähnliche Gemeinschaft im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1982, S. 36 ff.).
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Es ist sodann zu beachten, dass es bei der Abgrenzung der spezifischen AHV-rechtlichen Begriffe der Erwerbstätigen (mit den Unterkategorien der Unselbständigerwerbenden und der Selbständigerwerbenden) einerseits und der Nichterwerbstätigen anderseits praxisgemäss nicht auf die zivilrechtliche Natur eines Vertragsverhältnisses, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt; die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen unter Umständen Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ausschlaggebend jedoch sind sie nicht (vgl. BGE 98 V 19 Erw. 2, BGE 97 V 137 Erw. 2; s. auch BGE BGE 104 V 126 f. und BGE 101 V 253 f.).
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Daran vermag der verfassungsmässige Grundsatz über die Gleichstellung der Frau mit dem Mann nichts zu ändern, wäre doch nicht anders zu entscheiden, wenn in einer eheähnlichen Gemeinschaft der Mann den Haushalt führte und die Frau ausserhäuslich erwerbstätig wäre.
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Im übrigen würde eine geänderte Rechtsprechung zu praktischen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Nichterwerbstätigkeit der Partnerin zur (unselbständigen) Erwerbstätigkeit der Haushälterin führen, wobei sich die Verwaltung bei ihren Abklärungen der Natur der Sache nach wohl regelmässig auf die Darstellung der Beteiligten verlassen müsste. Der Gesichtspunkt der Praktikabilität im Einzelfall spricht somit ebenfalls gegen die Annahme von Nichterwerbstätigkeit.
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c) Was schliesslich die Frage anbetrifft, ob die in der eheähnlichen Gemeinschaft den Haushalt führende Frau als Selbständigerwerbende zu betrachten sei, muss festgestellt werden, dass sich auch hier kaum überwindbare Abgrenzungsschwierigkeiten ergäben, sofern man überhaupt annehmen wollte, der gesellschaftliche Zweck der Haushaltführung als solcher könne ein erwerblicher sein.
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d) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass kein hinreichender Anlass besteht, von der konstanten Praxis abzugehen, wonach die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebende Frau, die den gemeinsamen Haushalt führt und dafür von ihrem Partner Naturalleistungen (in Form von Kost und Logis) und allenfalls zusätzlich ein Taschengeld erhält, hinsichtlich dieser Tätigkeit beitragsrechtlich als Unselbständigerwerbende zu erfassen ist. Die Verwaltung hat die streitigen Unterhaltsleistungen somit zu Recht als massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG qualifiziert.
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