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3. Urteil vom 22. Februar 1984 i.S. Ausgleichskasse VATI gegen Bürgergemeinde der Stadt Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 47 Abs. 1 AHVG, Art. 76 und 78 AHVV. |
- Rückerstattungspflicht eines solchen Drittempfängers (Erw. 2). |
- Zu Unrecht erfolgte Auszahlung von zwei einfachen Kinderrenten anstelle einer Doppelkinderrente: Die Fürsorgebehörde, welcher die mit der nachzuzahlenden Doppelkinderrente zu verrechnende einfache Kinderrente ausbezahlt wurde, ist nicht rückerstattungspflichtig für die der Versicherten (von einer andern Ausgleichskasse) ausgerichtete zweite einfache Kinderrente (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Die Bürgergemeinde der Stadt Luzern unterstützte Irma E. und deren Kinder in der Zeit vom 1. April 1980 bis 31. Oktober 1981 durch Unterstützungsbeiträge und Alimentenbevorschussung im Betrage von Fr. 10'317.--. Im September 1981 erfuhr die Bürgergemeinde, dass die Ausgleichskasse des Kantons Graubünden beabsichtigte, der geschiedenen Frau Kinderrenten zuzusprechen. Sie gab der Kasse hierauf bekannt, dass Irma E. ihr die Ansprüche u.a. auf rückwirkend zugesprochene Sozialleistungen abgetreten habe, und verlangte die Überweisung des Betrages von Fr. 10'317.-- zur Deckung ihrer Vorschussleistungen. Die Ausgleichskasse des Kantons Graubünden entsprach diesem Begehren und überwies der Bürgergemeinde von den rückwirkend zugesprochenen Kinderrenten von insgesamt Fr. 14'364.-- den Betrag von Fr. 10'317.-- (Verfügung vom 22. Oktober 1981).
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Am 11. Mai 1982 wurde die Ausgleichskasse VATI von der Zentralen Ausgleichsstelle darauf aufmerksam gemacht, dass die Kinderrenten doppelt zur Ausrichtung gelangten. Die Kasse teilte Irma E. in der Folge mit, dass sie in der Zeit vom 1. April 1980 bis 31. Mai 1982 zu Unrecht Kinderrenten im Betrage von Fr. 17'172.-- bezogen habe und dass sie nach Verrechnung der von der Ausgleichskasse des Kantons Graubünden auszurichtenden Doppelkinderrenten einen Betrag von Fr. 12'828.-- zurückzuerstatten habe (Verfügung vom 1. Juni 1982). Als Irma E. ein Erlassgesuch einreichte, verlangte die Ausgleichskasse VATI mit Verfügung vom 21. Juli 1982 von der Bürgergemeinde Luzern die Rückerstattung des von der Ausgleichskasse des Kantons Graubünden überwiesenen Betrages von Fr. 10'317.--.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern stellte mit Entscheid vom 30. November 1982 fest, dass Irma E. ihre Rentenansprüche kraft Gesetzes nicht rechtskräftig habe abtreten können, so dass der "Abtretungserklärung" vom 29. August 1980 lediglich die Bedeutung einer Inkassovollmacht beigemessen werden könne. Rückerstattungspflichtig seien auch Drittpersonen und Behörden, welchen die Rente gemäss Art. 76 Abs. 1 AHVV ausbezahlt werde, nicht dagegen Inkassostellen. Weil die Bürgergemeinde die Renten als blosse Inkassostelle entgegengenommen habe, sei sie nicht rückerstattungspflichtig, so dass die Verfügung vom 21. Juli 1982 aufzuheben sei.
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C.- Die Ausgleichskasse VATI erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Sie macht geltend, die Überweisung der Rentennachzahlung an die Bürgergemeinde sei erfolgt, weil diese aufgrund ihrer Unterhaltsleistungen Anspruch auf die Nachzahlung erhoben habe. Von der Funktion her könne eine Fürsorgestelle, welche Unterstützungsbeiträge leiste, nicht mit einer Inkassostelle (z.B. einer Bank) verglichen werden. Als Rentenempfängerin sei die Bürgergemeinde in vollem Umfange rückerstattungspflichtig.
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Die Bürgergemeinde stellt demgegenüber fest, sie habe keinen Einfluss auf das Rentenverhältnis gehabt; auch habe Irma E. sie freiwillig mit dem Inkasso rückwirkend eingehender Sozialleistungen beauftragt; es sei ferner nicht so, dass ihr die Renten überwiesen worden seien, weil deren zweckgemässe Verwendung nicht gewährleistet gewesen sei.
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Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt die Auffassung, dass die Bürgergemeinde aufgrund ihrer Vorschussleistungen nicht als blosse Inkassostelle zu betrachten und daher als Rentenempfängerin gemäss Art. 78 AHVV rückerstattungspflichtig sei.
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Die beigeladene Irma E. hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen.
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Diese Regeln gelten gemäss Art. 50 IVG und Art. 84 IVV auch in der Invalidenversicherung.
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b) Praxisgemäss ist eine Drittauszahlung unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zugelassen, wenn die Bedingungen des Art. 76 Abs. 1 AHVV nicht erfüllt sind. So können Nachzahlungen von Renten und Hilflosenentschädigungen auf Gesuch hin privaten oder öffentlichen Fürsorgestellen ausbezahlt werden, welche entsprechende Vorschussleistungen erbracht haben (EVGE 1965 S. 138). Nach den Verwaltungsweisungen setzen solche Drittauszahlungen voraus, dass die Vorschussleistungen tatsächlich erbracht worden sind und der Leistungsberechtigte oder sein gesetzlicher Vertreter der Drittauszahlung schriftlich zugestimmt hat (Rz. 1100.2 der Wegleitung über die Renten (RWL), gültig ab 1. Januar 1980).
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Im vorliegenden Fall geht es um Rentennachzahlungen, welche die Ausgleichskasse des Kantons Graubünden der Bürgergemeinde Luzern im Hinblick auf geleistete Unterhaltsbeiträge und Alimentenbevorschussungen ausbezahlt hat. Mit "Auftrag und Vollmacht mit Abtretungserklärung" vom 29. August 1980 hatte die Rentenberechtigte die Bürgergemeinde u.a. zur Verrechnung der Vorschussleistungen mit rückwirkend eingehenden Sozialleistungen ![]() | 13 |
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Art. 47 Abs. 1 AHVG gilt nach Art. 49 IVG auch in der Invalidenversicherung, soweit der zur Wiedererwägung führende Fehler - wie im vorliegenden Fall - einen AHV-analogen und nicht einen spezifisch invalidenversicherungsrechtlichen Gesichtspunkt betrifft (BGE 107 V 36, BGE 105 V 170 und 175).
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b) Art. 78 AHVV erklärt nur die gemäss Art. 76 Abs. 1 AHVV von der Ausgleichskasse bezeichneten Drittempfänger als rückerstattungspflichtig. Der Vorinstanz ist indessen darin beizupflichten, dass eine Rückerstattungspflicht grundsätzlich auch für Personen und Behörden besteht, welche praxisgemäss die Leistungen als Drittempfänger entgegengenommen haben, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 76 AHVV erfüllt waren. Dies gilt auch für die nach der Verwaltungspraxis (Rz. 1090 ff. RWL) vom (vermeintlich) Berechtigten selber bezeichneten Drittempfänger; diese haben sich ![]() | 16 |
Die Bürgergemeinde Luzern hat der Versicherten aufgrund des Reglementes über Bevorschussung und Inkasso von Unterhaltsleistungen für unmündige Kinder vom 26. Juni 1979 Vorschussleistungen erbracht und dadurch den mit den nachgezahlten Kinderrenten angestrebten Unterhaltszweck vorläufig sichergestellt. Die Leistungen erfolgten unter dem Vorbehalt der Verrechnung mit rückwirkend zur Ausrichtung gelangenden Sozialleistungen, womit sich die Versicherte ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Die Bürgergemeinde kann unter diesen Umständen nicht als blosse Inkasso- oder Zahlstelle betrachtet werden, welche die Rente für die Versicherte in deren Auftrag entgegengenommen hat. Sie ist nach dem Gesagten vielmehr als Drittempfängerin der Rente im Sinne von Art. 76 AHVV und der zugehörigen Rechtsprechung zu qualifizieren, weshalb sie für zu Unrecht ausgerichtete Renten grundsätzlich rückerstattungspflichtig ist.
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3. Im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren machte die Bürgergemeinde geltend, sie sei schon deshalb nicht rückerstattungspflichtig, weil ihr von der Ausgleichskasse VATI keine Rentenzahlungen überwiesen worden seien, so dass auch keine Rückerstattungspflicht gegenüber dieser Kasse bestehe. Diesbezüglich ist davon auszugehen, dass die einfachen Kinderrenten beider Ausgleichskassen für die Zeit ab 1. April 1980 zu Unrecht ausgerichtet worden sind. Die Ausgleichskasse des Kantons Graubünden konnte indessen keine Rückforderung geltend machen, sondern hatte eine Nachzahlung für Doppelkinderrenten (unter Verrechnung der einfachen Kinderrenten) zu erbringen. Dagegen hatte die Ausgleichskasse VATI die zu Unrecht ausgerichteten einfachen Kinderrenten zurückzufordern. Empfängerin dieser Renten war aber nicht die Bürgergemeinde, sondern die Versicherte gewesen, ![]() | 18 |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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