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41. Urteil vom 25. September 1984 i.S. Jecklin gegen Ausgleichskasse "Musik und Radio" und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 41ter AHVV: Ausrichtung von Vergütungszinsen. |
- Art. 41ter Abs. 3 AHVV ist gesetzes- und verfassungswidrig, insoweit er die Beiträge Selbständigerwerbender betrifft (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Nach Eingang der Steuermeldung und gestützt darauf setzte die Ausgleichskasse die Beiträge im November 1980 definitiv fest und erstattete am 1. Dezember 1980 die zuviel entrichteten Beiträge von Fr. ... zurück. Das Begehren Peter Jecklins um Zusprechung von Vergütungszinsen wurde hingegen mit Verfügung vom 24. Juli 1981 abgelehnt, da auf zuviel bezahlten persönlichen Beiträgen keine Vergütungszinspflicht vorgesehen sei.
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B.- Gegen diese Verfügung reichte Peter Jecklin Beschwerde ein mit dem Begehren, es seien ihm auf den zuviel bezahlten Beiträgen ab 16. März bzw. ab 28. August 1979 Vergütungszinsen auszurichten.
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Mit Entscheid vom 13. April 1982 wies die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich die Beschwerde unter Hinweis auf Art. 41ter Abs. 3 AHVV ab.
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Peter Jecklin das im kantonalen Verfahren gestellte Begehren, wobei er in der Begründung im wesentlichen die Rechtmässigkeit der einschlägigen Vorschriften in der bundesrätlichen Verordnung und den bundesamtlichen Weisungen anzweifelt sowie eine Ungleichbehandlung der Selbständigerwerbenden und einen Verstoss gegen Treu und Glauben geltend macht.
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Die Ausgleichskasse enthält sich eines konkreten Antrags zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf deren Abweisung schliesst.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Mit dem am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG (9. AHV-Revision; Gesetzesnovelle vom 24. Juni 1977) erhielt der Bundesrat die Kompetenz, Vorschriften über die Erhebung von Verzugszinsen und die Ausrichtung von Vergütungszinsen beim Bezug von Beiträgen zu erlassen. Der Bundesrat hat gestützt hierauf in Art. 41ter AHVV näher umschrieben, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung zur ![]() | 8 |
Abs. 1:
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Vergütungszinsen von 0,5 Prozent im Monat werden ausgerichtet von bezahlten, aber nicht geschuldeten Beiträgen von mindestens 3'000 Franken, welche die Ausgleichskasse zurückerstattet.
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Abs. 2:
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Vergütungszinsen werden ausgerichtet vom Ablauf des Kalenderjahres an, in dem die nicht geschuldeten Beiträge bezahlt wurden.
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Abs. 3:
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Keine Vergütungszinsen werden ausgerichtet, wenn der Selbständigerwerbende, dessen Beiträge im ausserordentlichen Verfahren festgesetzt wurden, oder wenn der Arbeitgeber, der die Beiträge gemäss Artikel 34 Absatz 3 entrichtet, zuviel Beiträge bezahlt hat.
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a) Die Verordnungsnovelle vom 5. April 1978 enthält eine ausdrückliche Übergangsbestimmung nur hinsichtlich der Verzugszinsen (lit. a). Die aufgeworfene Frage ist deshalb nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten. Dabei hat der Richter zu prüfen, welche übergangsrechtliche Ordnung geboten ist, wobei er die nach Treu und Glauben berechtigte Erwartung der Normadressaten zu berücksichtigen hat. Von Bedeutung sind namentlich die Regeln über die Rückwirkung von Erlassen (BGE 107 Ib 203, BGE 99 V 203).
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In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts Geltung haben (ZAK 1983 S. 239 Erw. 2b). Neues Recht wirkt somit auf früher abgeschlossen eingetretene Sachverhalte nicht zurück, schliesst dies aber auch nicht aus (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 95). Nach der Rechtsprechung ist eine gesetzliche Ordnung dann rückwirkend, wenn sie auf Sachverhalte angewendet wird, die sich abschliessend vor Inkrafttreten des neuen Rechts ![]() | 17 |
b) Der Beschwerdeführer übte die selbständige Erwerbstätigkeit, welche die Beitragspflicht für das Jahr 1978 von Gesetzes wegen (Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 AHVG; ZAK 1984 S. 388 Erw. 3a) zur Folge hatte, vor Inkrafttreten des Art. 41ter AHVV aus. Ebenfalls vorher erzielte er das Erwerbseinkommen, das für die Ermittlung der Beitragshöhe letztlich massgebend war (Durchschnitt der Jahre 1975/76; vgl. Art. 22 Abs. 1 und 2 AHVV). Dass diese Tatsachen vor dem 1. Januar 1979 eintraten, spielt aber entgegen der Auffassung der Ausgleichskasse keine Rolle, geht es hier doch nicht um die Beitragspflicht als solche, sondern allein um die Frage des Vergütungszinses.
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Der Sachverhalt, der die Rechtsfolge in Gestalt von Vergütungszinsen bei einem monatlichen Zinssatz von 0,5 Prozent nach sich zieht, besteht in Art. 41ter Abs. 1 und 2 AHVV darin, dass der Versicherte Beiträge bezahlt hat (1), dass diese Beiträge sich später in einem bestimmten Mindestumfang (Fr. 3'000.--) als nicht geschuldet erweisen (2), dass die zuviel bezahlten Beiträge zurückerstattet werden (3) und dass die Rückerstattung erst nach Ablauf des Kalenderjahres erfolgt, in dem die Beiträge bezahlt wurden (4). Alle diese Merkmale verwirklichten sich beim Beschwerdeführer erst nach dem 1. Januar 1979, weshalb sich die Rückwirkungsfrage gar nicht stellt: Die Zahlung für das Beitragsjahr 1978 erfolgte am 16. März 1979; im November 1980 ergab sich, dass nur der Mindestbeitrag geschuldet ist, worauf die Ausgleichskasse die zuviel bezahlten Beiträge am 1. Dezember 1980 zurückerstattete. Einer Anwendung der Vergütungszinsregelung auf die für 1978 entrichteten Beiträge steht somit nichts entgegen.
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a) Nach der Rechtsprechung kann das Bundesgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Es unterwirft dieser Kontrolle insbesondere die auf eine gesetzliche Delegation gestützten (unselbständigen) Verordnungen des Bundesrates. Es prüft hiebei, ob solche Verordnungen sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Soweit das Gesetz ihn nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnungen. Die Ausführungsverordnung muss sich somit innerhalb der vom Gesetz gewollten Ordnung halten.
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Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, ist dieser Spielraum für das Bundesgericht nach Art. 113 Abs. 3 /Art. 114 Abs. 3 BV verbindlich. Deshalb muss sich das Bundesgericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem ![]() | 23 |
b) Mit Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG hat der Gesetzgeber dem Bundesrat die Befugnis zum Erlass von Vorschriften über "die Erhebung von Verzugszinsen und die Ausrichtung von Vergütungszinsen" übertragen. Die Delegationsnorm enthält keine besonderen Einschränkungen hinsichtlich der Rechtssetzungsbefugnis, weshalb dem Bundesrat ein weitgehendes gesetzgeberisches Ermessen eingeräumt ist (BGE 107 V 204 Erw. 3a). Aus der bundesrätlichen Botschaft zur 9. AHV-Revision vom 7. Juli 1976 (BBl 1976 III 1 ff.) ergibt sich, dass ursprünglich bloss eine Kann-Vorschrift vorgesehen war (Art. 14 Abs. 5 des Entwurfs; BBl 1976 III 95). Die nationalrätliche Kommission schlug indessen eine eigentliche Verpflichtung zu Verzugs- und Vergütungszinsen vor, worauf schliesslich Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG in der geltenden Fassung ins Gesetz eingefügt wurde (Protokoll der nationalrätlichen Kommission vom 14. Februar 1977 S. 29 f.; Amtl. Bull. 1977 N 307). Damit kommt die zweifache Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, einerseits eine grundsätzlich allgemeine Verzugs- und Vergütungszinspflicht einzuführen, anderseits den Bundesrat zum Erlass einer entsprechenden Regelung zu verpflichten.
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aa) Nach Auffassung des Beschwerdeführers steht Art. 41ter Abs. 3 AHVV damit in Widerspruch, weil er Vergütungszinsen auf Beiträgen Selbständigerwerbender praktisch ausschliesse. In diesem Zusammenhang drängen sich einige verfahrensmässige ![]() | 25 |
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c) In seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nimmt das BSV einlässlich dazu Stellung, ob Art. 41ter Abs. 3 AHVV vor Art. 4 BV standhält. Im wesentlichen bringt es vor, es lasse sich beim ausserordentlichen Verfahren nach Art. 24 AHVV kaum vermeiden, dass zuviel oder zuwenig Beiträge gefordert werden. Weil darum nach Eingang der Steuermeldung ein Ausgleich zugunsten oder zuungunsten des Versicherten stattzufinden habe, müssten bei einer umfassenden Zinsenregelung regelmässig Vergütungszinsen ausgerichtet oder Verzugszinsen verlangt werden. Davon habe der Bundesrat jedoch absehen wollen, zum einen aus administrativen Erwägungen, zum andern im Hinblick auf den bloss vorläufigen Charakter der nach Art. 24 AHVV festgesetzten Beiträge. Dieser Verzicht betreffe im übrigen nicht nur die Vergütungs-, sondern auch die Verzugszinsen. Sodann habe es der Versicherte in der Hand, gegen seiner Meinung nach zu hohe vorläufige Zahlungen den Beschwerdeweg zu beschreiten.
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Mit dieser Argumentation übersieht das BSV, dass zum ausserordentlichen Verfahren, auf das Art. 41ter Abs. 3 AHVV Bezug ![]() | 28 |
Zwar ist der Hinweis des BSV richtig, dass bei einem Ausgleich zugunsten der Ausgleichskasse nach vorausgegangenem ausserordentlichen Verfahren Verzugszinsen erst für die Zeit nach dem Erlass der betreffenden Nachzahlungsverfügung möglich sind (Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV; dazu BGE 107 V 129). Indessen ist der Umstand, dass hier der - wirtschaftlich stärkere - Sozialversicherungsträger gegenüber dem - wirtschaftlich schwächeren - Versicherten aus welchem Anlass auch immer auf Verzugszinsen verzichtet, keine überzeugende Begründung dafür, es bei den Vergütungszinsen "analog" zu halten. Für den im konkreten Einzelfall rückerstattungsberechtigten Versicherten ist es nämlich keine Kompensation, wenn in andern Fällen nachzahlungsverpflichtete Versicherte von Verzugszinsen befreit sind. Administrative Überlegungen können dem nicht entgegengehalten werden. Der Gesetzgeber war sich der Tatsache sehr wohl bewusst, dass die Verzugs- und Vergütungszinsregelung administrative Umtriebe ![]() | 29 |
Auch der vom BSV angeführte bloss vorläufige Charakter der im ausserordentlichen Verfahren ermittelten Beiträge ist keine Rechtfertigung für eine sowohl dem Sinne des Gesetzes als auch dem verfassungsrechtlichen Willkürverbot widersprechende Ausnahmeregelung. Wohl werden solche Beiträge der Höhe nach lediglich "vorläufig" ermittelt. Die Beitragsverfügung, welche gegebenenfalls zu erlassen ist (BGE 107 V 131 Erw. 4a; ZAK 1978 S. 308) und im Falle des Beschwerdeführers offenbar auch erlassen wurde, ist aber eine ganz normale Verfügung, die - unter dem alleinigen Vorbehalt eines Ausgleichs aufgrund der späteren Steuermeldung - die gleichen Rechtswirkungen (insbesondere hinsichtlich Rechtskraft und Vollstreckbarkeit) entfaltet wie eine im ordentlichen Beitragsfestsetzungsverfahren getroffene Verfügung (BGE 109 V 73 Erw. 2b; ZAK 1982 S. 187). Der Hinweis des BSV ist sodann auch deshalb nicht stichhaltig, weil die nach dem Gesagten rechtsverbindlich getätigten Zahlungen unter Umständen zu recht hohen Rückerstattungen führen können, wie gerade der vorliegende Fall aufzeigt. Dass ein Versicherter an sich die Möglichkeit hat, gegen allzu hohe vorläufige Zahlungen sich auf dem Beschwerdeweg zur Wehr zu setzen, ist ebenfalls kein Anlass, auf Beitragsrückerstattungen der hier streitigen Art Vergütungszinsen generell vorzuenthalten. Das diesbezügliche Vorbringen des BSV liefe letztlich darauf hinaus, den Versicherten, der verfügungsgemäss Beiträge in - wie sich dann im nachhinein ergibt - zu hohem Umfange entrichtet, für die seinerzeit unterlassene Beschwerde gewissermassen zu bestrafen.
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d) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 41ter Abs. 3 AHVV, insoweit er die Beiträge Selbständigerwerbender betrifft, vor Gesetz und Verfassung nicht standhält und darum nicht anwendbar ist. Wie es sich mit der in der gleichen Vorschrift getroffenen Ausnahmeregelung hinsichtlich der paritätischen Beiträge der Arbeitgeber verhält, kann - weil hier nicht streitig - offenbleiben.
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Steht aber Art. 41ter Abs. 3 AHVV nicht entgegen, so hat der Beschwerdeführer grundsätzlich Anspruch auf Vergütungszinsen auf den für die Beitragsjahre 1978/79 zurückerstatteten Beiträgen. Der Mindestbetrag gemäss Art. 41ter Abs. 1 AHVV ist klarerweise erfüllt; ganz abgesehen davon liesse sich dieser Grenzbetrag aber ohnehin deshalb nicht in Zweifel ziehen, weil er und der daraus ![]() | 32 |
Weil die Beiträge 1979 bezahlt wurden (16. März bzw. 28. August 1979) und die Rückerstattung am 1. Dezember 1980 erfolgte, hat der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. November 1980 Anspruch auf Vergütungszinsen. Es ist Aufgabe der Ausgleichskasse, darüber noch zu verfügen, weshalb die Sache an sie zurückgewiesen wird.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 13. April 1982 und die Kassenverfügung vom 24. Juli 1981 aufgehoben, und es wird die Sache zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Ausgleichskasse "Musik und Radio" zurückgewiesen mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis 30. November 1980 Anspruch auf Vergütungszinsen hat.
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