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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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54. Auszug aus dem Urteil vom 11. Dezember 1984 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Speck und Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich | |
Regeste |
Art. 36 Abs. 1 AVIG, Art. 58 Abs. 4 AVIV: Kurzarbeitsentschädigung. |
Art. 58 Abs. 4 AVIV ist gesetzmässig. | |
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Art. 36 Abs. 2 AVIG bestimmt, welche Angaben der Arbeitgeber in der Voranmeldung zu machen hat, u.a. die Zahl der von ![]() | 2 |
Hält die kantonale Amtsstelle eine oder mehrere Anspruchsvoraussetzungen für nicht erfüllt, erhebt sie durch Verfügung Einspruch gegen die Auszahlung der Entschädigung (Art. 36 Abs. 4 AVIG).
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Dass es sich im weiteren beim erwähnten Art. 36 AVIG lediglich um eine Ordnungsvorschrift handle, ergebe sich auch aus dem Aufbau des dritten Kapitels des dritten Titels des Gesetzes und insbesondere aus den Randtiteln zu den einzelnen Artikeln. Auch aus Art. 36 Abs. 3 AVIG gehe klar hervor, dass die Anspruchsvoraussetzungen in Art. 31 Abs. 1 AVIG abschliessend geregelt seien. Der Zweck der Voranmeldung bestehe darin, dass das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit prüfen könne, ob alle Voraussetzungen nach dieser Bestimmung erfüllt seien. Die Voranmeldung der Kurzarbeit diene vor allem den Arbeitgebern, da ihnen vor der beabsichtigten Einführung der Kurzarbeit bekanntgegeben werden sollte, ob ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung überhaupt besteht, damit im Fall eines negativen Entscheides entsprechende Dispositionen und Umstellungen im Betrieb getroffen werden könnten. Melde ein Arbeitgeber seine Absicht, Kurzarbeit ![]() | 5 |
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a) Zunächst ist - entgegen der Auffassung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) - indessen festzuhalten, dass sich der zwingende Charakter des Meldeverfahrens und die dabei zu beachtende Meldefrist im Sinne einer Verwirkungsfrist nicht schon daraus ergibt, dass die Voranmeldung in einem Rechtssatz auf Gesetzesstufe geregelt ist (vgl. EVGE 1968 S. 52 Erw. 1 zu Art. 85 Abs. 2 lit. g AHVG). Ebensowenig lässt sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ableiten, dass Art. 36 Abs. 1 AVIG keine Ordnungsvorschrift darstelle.
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b) Entgegen der Meinung der Vorinstanz kann sodann aus der in Art. 31 Abs. 1 AVIG enthaltenen Aufzählung der Anspruchsvoraussetzungen nicht geschlossen werden, dass die Anspruchsberechtigung nicht wegen verspäteter Meldung verneint werden dürfe, weil "auf diese Weise eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung eingeführt" würde. Denn mit dieser Auffassung würden Fristenordnungen generell unterlaufen. Die Vorinstanz übersieht den Unterschied zwischen materiellen Anspruchsvoraussetzungen und formellen Erfordernissen, wozu auch die Fristen gehören. Insoweit die Rekurskommission mit jener Begründung Art. 58 Abs. 4 AVIV als gesetzwidrig qualifiziert, kann ihr nicht gefolgt werden.
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c) Mit der Ordnung von Art. 36 AVIG wollte der Gesetzgeber nicht ein Bewilligungsverfahren für jeden Einzelfall einführen (vgl. Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 595). Es genügt denn auch, dass der Arbeitgeber in der Voranmeldung die Notwendigkeit der Kurzarbeit begründet und glaubhaft macht, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Damit ist jedoch die Pflicht des Arbeitgebers verbunden, die Kurzarbeit anzumelden. Der Zweck der Voranmeldung besteht mithin darin, dass die kantonale Amtsstelle prüfen kann, ob die Notwendigkeit der Kurzarbeit begründet ist und ob die Anspruchsvoraussetzungen glaubhaft gemacht sind. Den kantonalen Amtsstellen ist dabei genügend Zeit einzuräumen (Amtl. Bull. 1981 N 835 f.; ein Antrag auf Verlängerung der Anmeldefrist von 10 auf 30 Tage wurde zwar als wünschenswert bezeichnet, indessen vom Nationalrat abgelehnt). Nachträgliche Meldungen sollen ausgeschlossen werden ![]() | 9 |
d) Das BIGA macht in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde im weiteren geltend, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit noch während rund vier Monaten nach deren Beginn anmelden könnte (vgl. Art. 38 Abs. 1 AVIG), wenn die Voranmeldefrist als Ordnungsfrist behandelt würde. Unter diesen Umständen wäre der Gesetzesvollzug durch die kantonale Amtsstelle in Frage gestellt. Sie könnte während dieser Zeit weder eine Zwischenbeschäftigung zuweisen (Art. 41 AVIG) noch weitergehende Kontrollen zur Vermeidung von Missbräuchen anordnen (Art. 40 Abs. 2 AVIG). Auch könnte nicht mehr sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten gemäss Art. 37 AVIG nachkommt. Schliesslich wäre es sogar denkbar, dass Betriebsabteilungen nicht nach der tatsächlichen Betriebsorganisation, sondern nach der versicherungstechnisch günstigsten Lösung gemeldet würden (Art. 32 Abs. 4 AVIG in Verbindung mit Art. 52 AVIV). Wie die Vorinstanz feststelle, habe der Arbeitgeber ein Interesse an der Voranmeldung von Kurzarbeit und der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen vor deren Beginn, weil er im Falle eines negativen Entscheides noch rechtzeitig entsprechende Dispositionen und Umstellungen im Betrieb treffen könne. In ähnlicher Weise sei auch der Arbeitnehmer daran interessiert, dass die Zustimmung oder der Einspruch der kantonalen Amtsstelle vor Beginn der Kurzarbeit bekannt sei. Der Arbeitnehmer sei in der Regel mit der Einführung der Kurzarbeit nur einverstanden (vgl. Art. 33 Abs. 1 lit. d AVIG), wenn die Arbeitslosenversicherung Kurzarbeitsentschädigung entrichte. Er müsse bei einem Einspruch gegen die Auszahlung der Entschädigung rechtzeitig in die Lage versetzt werden, seine Dispositionen (Kündigung, fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses usw.) je nach der finanziellen Situation des Arbeitgebers zu treffen.
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Diese Argumentation überzeugt. Mit Recht schliesst das BIGA daher auf eine Verwirkungsfrist, zumal nicht einzusehen ist, weshalb dem Bundesrat laut Art. 36 Abs. 1 AVIG die Kompetenz ![]() | 11 |
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Der Umstand, dass die Verletzung der Voranmeldepflicht unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Rechts erfolgte, gilt nicht als entschuldbarer Grund im Sinne von Art. 58 Abs. 4 AVIV. Sodann kann nach einem allgemeinen Grundsatz niemand Vorteile aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis ableiten (BGE 98 V 258, ZAK 1977 S. 263 Erw. 3). Somit erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BIGA als begründet.
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