![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
20. Urteil vom 1. Mai 1985 i.S. Schneider gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 1 AHVG, Art. 17 AHVV. Beitragsrechtliche Qualifikation von Einkommen aus der Vermietung möblierter und unmöblierter Wohnungen (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2-5). |
- wenn zwei verschiedene Behörden widersprüchliche Verfügungen treffen (Erw. 6); |
- wenn die Behörde aufgrund geänderten Rechts anders entscheidet, als sie dies früher bezüglich desselben Verfügungsobjekts nach altem Recht getan hatte (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
2 | |
B.- Der Versicherte liess gegen alle drei Verfügungen bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Beschwerde einreichen mit dem Hauptantrag, die Verwaltungsakte seien aufzuheben, weil die Einkünfte aus der Vermietung der Wohnungen Kapitalertrag und nicht Erwerbseinkommen seien. Eventualiter seien die Beiträge nur auf jenen Einkommen zu erheben, die aus der Vermietung der möblierten Wohnungen stammten.
| 3 |
Die Rekurskommission wies die Beschwerden ab mit der Begründung, der Versicherte verwalte mit der Wohnungsvermietung "nicht speziell eigenes Vermögen, sondern erzielt zur Hauptsache den Erwerb aus geschickt angelegtem Fremdkapital". Praxisgemäss müssten deshalb die Einkünfte aus der Vermietung sowohl der möblierten als auch der nicht möblierten Wohnungen als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit behandelt werden (Entscheid vom 22. Mai 1984).
| 4 |
C.- Der Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid und die drei Kassenverfügungen seien aufzuheben. Im wesentlichen wird geltend gemacht, er erbringe den Mietern keine Dienstleistungen. Seine berufliche Tätigkeit stehe in keinem Zusammenhang mit der Wohnungsvermietung. Die Liegenschaftsverwaltung gehe deshalb nicht über den Rahmen privater Vermögensverwaltung hinaus, so dass die Erträgnisse AHV-rechtlich Kapitalertrag und nicht Erwerbseinkommen seien. Auf alle Fälle seien die Beitragsverfügungen schon deshalb rechtswidrig, weil damit entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben Beiträge für frühere Jahre erhoben würden, in denen er noch nichts davon gewusst habe, dass die Liegenschaftserträge als Erwerbseinkommen zu gelten hätten.
| 5 |
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
| 6 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
7 | |
8 | |
![]() ![]() | 9 |
b) Im Urteil Bänziger vom 31. Mai 1967 (EVGE 1967 S. 83) sah sich das Eidg. Versicherungsgericht veranlasst, von dem zuletzt genannten Grundsatz der einheitlichen Erfassung gemischt genutzter Liegenschaften wieder abzuweichen. Es berief sich auf BGE 92 I 49, wo das Bundesgericht in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung (BGE 82 I 178) für die wehrsteuerrechtlichen Belange erklärt hat, eine sachgemässe Besteuerung sei in der Regel nur dann gewährleistet, wenn der Wert gemischt genutzter Liegenschaften nach dem Verhältnis, in dem die private und die geschäftliche Zweckbestimmung zueinander stehen, zerlegt und einzig der daraus sich ergebende geschäftliche Teilwert in die Steuerberechnung einbezogen werde. Die ungeteilte Zuweisung zum Geschäfts- oder zum Privatvermögen komme nur in Betracht, wenn die private Zweckbestimmung im Verhältnis zur geschäftlichen oder umgekehrt diese im Verhältnis zu jener völlig belanglos wäre. Da die Grundsätze des Wehrsteuerrechts auf AHV-rechtlichem Gebiet bei der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu beachten sind, hat sich das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil Bänziger dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen.
| 10 |
Im unveröffentlichten Urteil Eicher vom 3. Juli 1967 führte das Eidg. Versicherungsgericht zudem aus: Selbst wenn die Mieter der fünf möblierten Einzelzimmer für Wäsche, Reinigung und Mobiliarverschleiss selber aufkommen müssten und der Vermieter nicht gezwungen wäre, das Mobiliar häufig zu kontrollieren, so würde sich dessen Tätigkeit von der Vermietung unmöblierter Räume eines Renditenwohnhauses nicht wesentlich unterscheiden. Im Urteil Eicher wurden die im Urteil Jegge zusammengefassten Grundsätze also noch dahin ergänzt, dass sogar bei der Vermietung möblierter Räumlichkeiten noch geprüft werden muss, ob im konkreten Fall ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Vermietung unmöblierter Räume besteht.
| 11 |
Im Urteil Eicher nahm das Gericht auch zur Frage Stellung, welche Bedeutung dem in einer Liegenschaft investierten Fremdkapital ![]() | 12 |
Die oben dargelegten Grundsätze wurden durch die unveröffentlichten Urteile Egli vom 19. September 1980 und Vallaster vom 3. Dezember 1982 sowie durch BGE 110 V 83 im wesentlichen bestätigt. Überdies hat das Eidg. Versicherungsgericht im zuletzt genannten Urteil darauf hingewiesen, dass die Kapitalinvestition für die Vermietung möblierter Wohnungen mit Unkosten verbunden und dass vom Bruttoeinkommen ein Abzug für die Amortisation des Mobiliars vorzunehmen ist (S. 88).
| 13 |
14 | |
15 | |
16 | |
Für die Annahme von Erwerbseinkommen spricht im vorliegenden Fall auch nicht etwa die Tatsache, dass das in der Liegenschaft investierte Eigenkapital im Jahre 1980 lediglich 3,89% ausmachte und 1981 sogar auf 0% zurückgegangen war. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine von den Eltern geerbte Liegenschaft handelt, in der anfänglich immerhin noch ein gewisses Eigenkapital investiert war, das in der Steuermeldung beispielsweise für die 19. Wehrsteuerperiode noch auf Fr. 56'000.-- beziffert und dann später aus irgendwelchen Gründen - nach den Angaben des Beschwerdeführers wegen Auszahlung der Miterben und wegen dringend notwendiger Renovationen - aufgezehrt wurde. Es handelt sich also nicht um ein zum vornherein mit Fremdkapital finanziertes und zu eigentlichen Erwerbs- bzw. Spekulationszwecken erworbenes Mehrfamilienhaus. Daher kann der Investition von Fremdkapital beitragsrechtlich keine derart grosse Bedeutung beigemessen werden, dass aus diesem Grunde die gleichartigen Mietzinseinnahmen, die früher bei noch vorhandenem Eigenkapital beitragsfreies Kapitaleinkommen waren, später in irgendeinem Zeitpunkt infolge Schwindens des Eigenkapitals als Erwerbseinkommen zu qualifizieren wären.
| 17 |
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher insofern als - offensichtlich - begründet, als die Mietzinseinnahmen aus den unmöblierten Wohnungen der Beitragspflicht unterstellt wurden.
| 18 |
5. Der Beschwerdeführer macht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, er habe die Praxis, "gemäss welcher der Betrieb eines Apartmenthauses oder die Vermietung von möblierten Zimmern als Erwerbstätigkeit qualifiziert wird", nicht in Frage gestellt. Gegenüber der Rekurskommission habe er "jedoch die Auffassung vertreten, dass in seinem Falle nach den konkreten Umständen die Voraussetzungen für die Annahme einer gewerbsmässigen ![]() | 19 |
Sollten diese Behauptungen zutreffen, so läge ein dem Fall Eicher analoger Sachverhalt vor, der auch eine entsprechende beitragsrechtliche Behandlung erfahren müsste. Wie es sich effektiv damit verhält, bedarf indessen noch der ergänzenden Abklärung durch die Ausgleichskasse.
| 20 |
21 | |
Dieses Argument des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist aber nur dann stichhaltig, wenn diese Verhaltensweisen von ein und derselben Behörde ausgehen. GRISEL führt dazu aus: "La contradiction doit procéder d'une seule autorité. Les décisions de deux autorités ne violent pas plus le droit à la protection de la bonne foi que le droit à l'égalité" (Traité de droit administratif, S. 395, vgl. auch S. 362 f.).
| 22 |
Im übrigen hat das Eidg. Versicherungsgericht schon in EVGE 1965 S. 66 f. (Urteil Jegge) erklärt, "dass 'Erwerbseinkommen' und 'Erwerbstätigkeit' Begriffe des AHV-Rechtes sind, für deren Umschreibung die privat- und steuerrechtliche Betrachtungsweise nicht ohne weiteres massgebend sein kann (EVGE 1959 S. 43 Erw. 3)".
| 23 |
![]() | 24 |
Diese Argumentation ist insofern unklar, als nicht ersichtlich ist, ob die beanstandete "Änderung in der Qualifikation des Liegenschaftsertrages" in der Abweichung der AHV-rechtlichen von der steuerrechtlichen Beurteilung erblickt wird oder ob der Beschwerdeführer sagen will, die Ausgleichskasse sei von ihrer eigenen Beurteilung in früheren Beitragsperioden abgewichen. Indessen erweist sie sich auf jeden Fall als unerheblich. Der allfällige Vorwurf der Abweichung von der steuerrechtlichen Betrachtungsweise ist - wie in Erw. 6 bereits dargelegt - unbehelflich. Sollte der Beschwerdeführer aber eine Abweichung von der AHV-rechtlichen Beurteilung des wesensgleichen Sachverhalts gegenüber früheren Beitragsperioden geltend machen wollen, so gilt es zunächst zu beachten, dass eine Verfügung nur jenen Rechtszustand wiedergibt, der im Zeitpunkt ihres Erlasses Gültigkeit hat. Wenn eine Behörde in Ausübung der ihr obliegenden Pflicht zur Durchsetzung des öffentlichen Rechts gestützt auf geänderte Gesetzesbestimmungen oder auf eine Änderung der Rechtsprechung bei der rechtlichen Beurteilung des seinem Wesen nach gleichen Verfügungsobjektes für einen späteren Zeitraum als für denjenigen, über den sie früher verfügt hat, dieses neue Recht anwendet, so verstösst sie dadurch nicht gegen den Vertrauensgrundsatz. Der rechtanwendenden Behörde kann die Änderung einer Praxis ebensowenig versagt sein wie dem Gesetzgeber die Änderung eines Gesetzes. Treu und Glauben sind grundsätzlich keine Schranke der Praxisänderung ![]() | 25 |
26 | |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
| 27 |
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 22. Mai 1984 sowie die Kassenverfügungen vom 17. Mai 1983 und 15. Juni 1983 aufgehoben werden, und es wird: a) festgestellt, dass auf den Einnahmen aus der Vermietung der unmöblierten Wohnungen keine Sozialversicherungsbeiträge geschuldet sind; b) im übrigen die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit diese, nach erfolgter Aktenergänzung im Sinne der Erwägungen, über die Pflicht zur Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf den Einkünften aus der Vermietung der möblierten Wohnungen neu verfüge.
| 28 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |