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21. Urteil vom 6. März 1985 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Burkia und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 41bis AHVV: Erhebung von Verzugszinsen. Die Gewährung eines Zahlungsaufschubs nach Art. 38bis AHVV hat keinen Einfluss auf Zinspflicht und Zinsenlauf (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Nach einlässlicher Abklärung der Einkommensverhältnisse lehnte die Ausgleichskasse eine Beitragsherabsetzung mit Verfügung vom 26. Mai 1981 erneut ab. Dagegen bewilligte sie die Bezahlung der ausstehenden Beiträge in sechs Monatsraten (Juni bis November 1981). Nach Entrichtung der letzten Rate (30. November 1981) ![]() | 2 |
B.- Gegen diese Verfügung reichte der Versicherte Beschwerde ein. Mit Entscheid vom 3. November 1982 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde gut und hob die Kassenverfügung vom 5. März 1982 auf. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, mit der Bewilligung der ratenweisen Zahlung habe die Ausgleichskasse eine Sonderregelung getroffen, welche den üblichen Beitragsbezugsmodalitäten, zu welchen auch die Verzugszinsregelung gehöre, vorgehe; demzufolge entfalle eine Verzugszinspflicht. Davon abgesehen könnten Verzugszinsen nach 1981 ohnehin nicht mehr erhoben werden, weil die Vollstreckungsverjährung für die Beiträge als Hauptschuld gemäss Art. 16 Abs. 2 AHVG Ende 1981 eingetreten wäre; vorliegend habe aber die Ausgleichskasse ihre Verzugszinsverfügung erst im März 1982 und mithin verspätet erlassen.
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C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, dass der kantonale Entscheid aufzuheben und die Kassenverfügung wiederherzustellen sei. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
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Der Versicherte schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Mit dem am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG erhielt der Bundesrat die Kompetenz, u.a. Vorschriften über die Erhebung von Verzugszinsen beim Bezug von Beiträgen zu erlassen. Davon hat er in Art 41bis AHVV Gebrauch gemacht. Nach dessen Abs. 1 sind Verzugszinsen zu entrichten, wenn die Ausgleichskasse die Beiträge in Betreibung setzt oder wenn über den Beitragspflichtigen der Konkurs eröffnet wird; in den übrigen Fällen, namentlich wenn die Ausgleichskasse eine ausserordentliche Zahlungsfrist setzt oder Beiträge nachfordert, ![]() | 7 |
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b) Allerdings vertritt die Vorinstanz die Auffassung, Beitragsherabsetzung und Zahlungsaufschub seien besondere gesetzliche Institute, welche dem Versicherten auf Gesuch hin von den üblichen Bezugsregeln abweichende Erleichterungen gewährten. Solche Sonderabmachungen würden insbesondere auch den Verzugszinsregeln ![]() | 10 |
Dem hält das BSV entgegen, dass - bei gleicher gesetzlicher Grundlage (Art. 14 Abs. 4 lit. a und e AHVG) - sowohl der Zahlungsaufschub als auch die Verzugszinsen in der AHV-Verordnung geregelt seien. Diese habe das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Institute zu ordnen und enthalte diesbezüglich nichts, was beim Zahlungsaufschub auf eine Ausnahme von der Verzugszinspflicht schliessen lasse. Im übrigen müsse auch hier der allgemeine Grundsatz gelten, wonach der Verzugszins ein Ausgleich dafür sei, dass der Schuldner bei verspäteter Zahlung einen Zinsvorteil geniessen könne, während der Gläubiger einen Zinsnachteil erleide. Der Verzicht auf Verzugszinsen liefe auf eine Herabsetzung hinaus, obwohl eine solche mit dem Zahlungsaufschub, der an weniger strenge Voraussetzungen geknüpft sei als die Herabsetzung gemäss Art. 11 Abs. 1 AHVG, gerade vermieden werden solle.
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c) Im Ergebnis ist dem BSV zuzustimmen. Art. 41bis AHVV zählt in Abs. 1 verschiedene Fallgruppen auf, bei denen die Verzugszinspflicht besteht. Ausdrücklich ist dabei erwähnt, dass Verzugszinsen auch dann zu entrichten sind, wenn die Ausgleichskasse eine ausserordentliche Zahlungsfrist setzt. Dazu gehört beispielsweise die Gewährung eines Zahlungsaufschubs gemäss Art. 38bis AHVV, welcher u.a. die Verpflichtung zu regelmässigen Abschlagszahlungen und die Festsetzung entsprechender Verfalltermine umfasst. Somit kann in solchen Fällen die Verzugszinspflicht nicht verneint werden. Gegen die vorinstanzliche Rechtsauffassung spricht überdies, dass Verzugszinsen auch dann geschuldet sind, wenn der Zahlungsaufschub nicht auf dem materiellen Recht beruht, sondern prozessrechtlich bedingt ist. So hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden, dass es auf die Verzugszinspflicht keinen Einfluss hat, wenn der Versicherte eine Beitragsverfügung anficht und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt (BGE 109 V 7 Erw. 4a; in ZAK 1984 S. 190 nicht veröffentlichte Erw. 3b des Urteils V. vom 23. Dezember 1983).
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In Übereinstimmung mit dem BSV und im Gegensatz zur Vorinstanz spielt es keine Rolle, dass die Ausgleichskasse den Beschwerdegegner bei der Gewährung des Zahlungsaufschubs im Mai 1981 nicht auf die Verzugszinspflicht aufmerksam machte. Abgesehen vom Sonderfall des Art. 41bis Abs. 2 AHVV (hiezu BGE 109 V 8 Erw. 4b; ZAK 1984 S. 490 Erw. 4a), sind die Ausgleichskassen von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, allgemein oder bei Erlass ![]() | 13 |
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Demgegenüber erachtet das BSV als entscheidend, dass die Beitragsforderung vorliegend nicht untergegangen sei, sondern dass der Beschwerdegegner die Schuld rechtzeitig vollständig beglichen habe. Demzufolge müsse das Schicksal der Verzugszinsen eigenständig beurteilt werden, was sich im übrigen auch deshalb aufdränge, weil die Verzugszinsen erst nach vollständiger Tilgung der Beitragsschuld hätten berechnet werden können. Sodann könne es bei den Verzugszinsen gar nicht um eine zeitliche Begrenzung des Rechts zur Vollstreckung gehen, da die Zinsen erst einmal festgesetzt werden müssten. Bei der Beantwortung der in Gesetz und Verordnung nicht geregelten Frage, innert welcher Frist Verzugszinsen durch Verfügung geltend zu machen seien, dränge sich die analogieweise Anwendung von Art. 16 Abs. 1 AHVG auf, wonach Beiträge nicht mehr eingefordert werden können, wenn sie nicht innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches sie geschuldet sind, durch Verfügung geltend gemacht werden. Diese Frist sei mit der Verfügung vom 5. März 1982 eingehalten worden, und die Verzugszinsforderung bestehe somit zu Recht.
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b) Mit seinen Darlegungen weist das BSV zutreffend darauf hin, dass bei den Vorschriften des AHVG, welche die Begrenzung ![]() ![]() | 16 |
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Begrenzung der Geltendmachung nicht vermischt werden darf mit derjenigen der nachfolgenden Vollstreckung. Insbesondere darf eine die fristgerechte Geltendmachung regelnde Vorschrift nicht auch auf die Begrenzung der Vollstreckung angewendet werden. Entsprechendes muss auch gelten, wenn es sich - wie hier - umgekehrt verhält, wobei im vorliegenden Fall hinzukommt, dass es um zwei verschiedene Dinge geht, nämlich zum einen um die Vollstreckung der Beitragsforderung und zum andern um die Geltendmachung von Verzugszinsen.
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c) Die Vorinstanz stellt an sich zu Recht fest, dass die Beitragsforderung Ende 1981 erloschen wäre, da die Nachzahlungsverfügung vom 2. Dezember 1977 im folgenden Jahr in Rechtskraft erwachsen war (rechtskräftiger Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 29. November 1978) und hernach ab 1. Januar 1979 die dreijährige Frist gemäss Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AHVG lief. Sie erfuhr weder eine Verlängerung, noch ruhte sie (vgl. Art. 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AHVG). Mangels Neuerungswirkung hatte auch die Gewährung des Zahlungsaufschubs keinen Einfluss auf den Fristenlauf (ZAK 1982 S. 117 Erw. 2). Aus dem Umstand, dass die Frist Ende 1981 abgelaufen wäre, kann aber für den vorliegenden Fall nichts gewonnen werden. Wohl trifft es - auch nach Auffassung des BSV - zu, dass keine Verzugszinsen mehr geltend gemacht werden können, wenn und insoweit eine Beitragsforderung gemäss Art. 16 Abs. 2 AHVG erloschen ist; insofern ist somit die Lage die gleiche wie im Verhältnis von Art. 16 Abs. 1 zu Abs. 2 AHVG: wenn Beiträge nicht rechtzeitig geltend gemacht werden, kann sich die Frage einer Vollstreckung bzw. Verrechnung nicht mehr stellen (EVGE 1957 S. 46 f.; ZAK 1964 S. 85 Erw. 2 in fine). Entscheidend im vorliegenden Fall ist aber, dass der Beschwerdegegner seine Beitragsschuld rechtzeitig und vollständig getilgt hat. Die - deshalb bloss theoretische - Begrenzung der Vollstreckung gemäss Art. 16 Abs. 2 AHVG kann darum hier keine Rolle spielen. Hinzu kommt, dass es vorliegend nicht um die Vollstreckung einer ![]() | 18 |
d) Kann der Ausgleichskasse nach dem Gesagten Art. 16 Abs. 2 AHVG nicht entgegengehalten werden, so fragt sich weiter, innert welcher Frist das Recht der Ausgleichskasse erlischt, Verzugszinsen verfügungsweise geltend zu machen bzw. eine rechtzeitig erhobene Verzugszinsforderung zu vollstrecken. Dabei ist klar, dass sich im einen wie im andern Fall eine zeitliche Begrenzung aufdrängt, muss doch auch bei Verzugszinsen vom Grundsatz ausgegangen werden, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit Ruhe im Verhältnis zwischen Versicherung und Versichertem eintreten soll (vgl. BGE 100 V 157 Erw. 3c, BGE 97 V 148).
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Das BSV erachtet eine sinngemässe Anwendung von Art. 16 Abs. 1 AHVG als geboten. Demnach wären Verzugszinsen innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie geschuldet sind, durch Verfügung geltend zu machen, ansonsten die Verwirkung einträte. Diese Lösung ist jedenfalls dann gangbar und wirft keine besonderen Schwierigkeiten auf, wenn es um einen Fall von Art. 41bis Abs. 2 AHVV geht, d.h. um bereits aufgelaufene Verzugszinsen, über die zusammen mit der Beitragsnachzahlung verfügt werden kann und auch muss (BGE 109 V 8 Erw. 4b). Hingegen erscheint eine solchermassen sinngemässe Anwendung als problematisch, wenn Verzugszinsen erst nach Erlass der Nachzahlungsverfügung (Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV) laufen oder wenn bereits ab Ende der Zahlungsperiode bzw. des Kalenderjahres laufende Verzugszinsen (Art. 41bis Abs. 3 lit. a und b AHVV) über eine allfällige Nachzahlungsverfügung gemäss Art. 41bis Abs. 2 AHVV hinaus weiterhin anfallen, weil die Beiträge nicht innert der viermonatigen Schonfrist bezahlt werden (vgl. BGE 109 V 8 unten). Denn eine endgültige Berechnung der Verzugszinsen ist in diesen Fällen erst nach der Begleichung der Beitragsschuld möglich. In diesem Zeitpunkt kann aber die fünfjährige Frist für die Geltendmachung der Verzugszinsen längst abgelaufen sein, wenn sie - bei sinngemässer Anwendung von Art. 16 Abs. 1 AHVG - eben schon mit Ablauf des Kalenderjahres, für das diese Zinsen geschuldet sind, ihren Anfang nimmt. Insbesondere bei langwierigen Beitragsstreitigkeiten könnte sich die Situation ergeben, dass - wenn die Beitragsverfügung schliesslich rechtskräftig geworden ist - zwar die Frist gemäss Art. 16 Abs. 2 AHVG für die Beitragsvollstreckung noch läuft, dass für die Geltendmachung der auf diesen Beiträgen geschuldeten Verzugszinsen aber bereits die Verwirkung ![]() | 20 |
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Der Beschwerdegegner schuldet daher der Ausgleichskasse noch Fr. ...
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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