![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
37. Urteil vom 19. August 1985 i.S. B. gegen Ausgleichskasse der schweizerischen Maschinen- und Metallindustrie und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Art. 7 Abs. 1 IVG: Kürzung der Invalidenrente bei Alkohol- und Tabakmissbrauch. |
- Voraussetzung des grobfahrlässigen Verhaltens des Versicherten (Erw. 2c und 4). |
- Grundsätze für die Festsetzung der Rentenkürzung, wenn die invalidisierende Krankheit teils auf das grobfahrlässige Verhalten des Versicherten, teils auf unverschuldete pathogene Faktoren zurückzuführen ist (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
B.- Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die gegen die verfügte Kürzung von 10% erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. November 1983 ab.
| 2 |
C.- B. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei die vorinstanzlich bestätigte Kürzung der Invalidenrente aufzuheben; eventuell sei die Sache an die Verwaltung zur Vornahme weiterer Abklärungen zurückzuweisen.
| 3 |
Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
| 4 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
5 | |
6 | |
Mit der Leistungskürzung gemäss Art. 7 Abs. 1 IVG soll verhütet werden, dass die Invalidenversicherung über Gebühr mit Schäden belastet wird, welche die Betroffenen hätten vermeiden können, wenn sie die ihnen zumutbare Sorgfalt angewandt hätten. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass die Versicherten die gesetzliche ![]() | 7 |
b) Voraussetzung der Verweigerung, der Kürzung oder des Entzugs von Geldleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 IVG ist, dass zwischen dem Verhalten des Versicherten und dem Eintritt oder der Verschlimmerung der Invalidität ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht.
| 8 |
Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhanges sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise eingetreten gedacht werden kann (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Band I, S. 71 f.; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band I, S. 338; BREM, Natürlicher und naturgesetzlicher Kausalzusammenhang im Haftpflichtrecht, in: ZSR NF 102/1983 I S. 311). Haftungsbegründend im Sinne des adäquaten Kausalzusammenhanges sind demgegenüber nur jene Ursachen, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung geeignet sind, den eingetretenen Erfolg zu bewirken, so dass der Eintritt dieses Erfolges als durch die fragliche Ursache begünstigt erscheint (OFTINGER, a.a.O., S. 72 f.), eine Umschreibung, welche nach ständiger Rechtsprechung auch im Sozialversicherungsrecht gilt (BGE 109 V 152 Erw. 3a, BGE 107 V 176 f. mit Hinweisen).
| 9 |
Für die Feststellung natürlicher Kausalzusammenhänge im Bereich der Medizin ist die Verwaltung bzw. der Richter bisweilen auf Angaben ärztlicher Experten angewiesen. Dabei weicht der Richter nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung eines medizinischen Gutachters ab, dessen Aufgabe es gerade ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen (in diesem Sinne - hinsichtlich der Diagnostizierung einer Krankheit - BGE 107 V 174 Erw. 3). Die Beweiswürdigung und damit die Beantwortung der Frage, ob aufgrund der Angaben des Experten der natürliche Kausalzusammenhang mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 105 V 229 Erw. 3a) ausgewiesen ist, obliegt der Verwaltung bzw. dem Richter. Im weitern ist es eine von der Verwaltung bzw. im Beschwerdefall vom Richter zu beurteilende Rechtsfrage, ob der eingetretene Erfolg im Sinne der Lehre von der adäquaten Kausalität dem Verhalten des Versicherten ![]() | 10 |
c) Grobfahrlässig handelt nach der Rechtsprechung, wer jene elementaren Vorsichtsgebote unbeachtet lässt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen befolgt hätte, um eine nach dem natürlichen Lauf der Dinge voraussehbare Schädigung zu vermeiden (BGE 109 V 151 Erw. 1, BGE 106 V 24 Erw. 1b, BGE 105 V 123 Erw. 2b und 214 Erw. 1).
| 11 |
Bei Alkoholmissbrauch ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn der Versicherte bei der ihm angesichts seines Bildungsgrades zumutbaren pflichtgemässen Sorgfalt rechtzeitig hätte erkennen können, dass jahrelanger Missbrauch alkoholischer Getränke die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung in sich birgt, und wenn er imstande gewesen wäre, entsprechend dieser Einsicht sich des übermässigen Alkoholkonsums zu enthalten (BGE 104 V 1 Erw. 2a mit Hinweisen).
| 12 |
Diese Grundsätze gelten ebenfalls im Zusammenhang mit dem Tabakmissbrauch (BGE 104 V 1 Erw. 2a in fine; ZAK 1983 S. 119 Erw. 1a, je mit Hinweisen).
| 13 |
Die Beurteilung, ob Grobfahrlässigkeit vorliegt, obliegt als Rechtsfrage ebenfalls der Verwaltung bzw. im Beschwerdefall dem Richter, und nicht dem Arzt.
| 14 |
15 | |
b) Unter Berufung auf MAURER (Fragwürdige Kürzungen der Invalidenrente wegen grober Fahrlässigkeit, in: SZS 1984 S. 65 ff.) wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, vorliegend sei der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Alkohol- bzw. Tabakkonsum und dem invalidisierenden Gesundheitszustand (Status nach Laryngektomie wegen Kehlkopfkarzinoms) nicht erstellt; insbesondere sage der Bericht des Kantonsspitals ![]() | 16 |
Es ist einzuräumen, dass beim Alkohol- und noch vermehrt beim Tabakmissbrauch die Feststellung des natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen dem Fehlverhalten und der invalidisierenden gesundheitlichen Schädigung bisweilen Schwierigkeiten bereitet. Die meisten der in Frage kommenden Krankheiten - insbesondere auch Karzinome - können erfahrungsgemäss auch ohne solches Fehlverhalten eintreten; umgekehrt führt oft selbst exzessiver Tabakmissbrauch zu keinen gesundheitsschädigenden Folgen. Fraglich ist also, ob dort, wo erfahrungsgemäss Alkohol- oder Tabakmissbrauch bestimmte Erkrankungen zu bewirken vermag, im Einzelfall zusätzlich der strikte Nachweis geleistet werden muss, dass der Schaden nicht auch ohne das Fehlverhalten schicksalsmässig eingetreten wäre. In diesem Zusammenhang ist auf STEINBRECHER/SOLMS (Herausgeber von Sucht und Missbrauch, 2. Aufl., S. IV/167) zu verweisen, wo ausgeführt wird:
| 17 |
"Überblickt man die vorstehend geschilderten Befunde, die bei Sucht und Missbrauch an verschiedenen Organsystemen festgestellt werden können, so ergibt sich vor allem unter dem Gesichtspunkt der statistischen Sicherung die Tatsache, dass eine Reihe schwerster, morphologisch fassbarer Schädigungen bekannt ist, die bei Sucht und Missbrauch auftreten können. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese Veränderungen aber nicht streng spezifisch und erlauben oft keinen sicheren Rückschluss auf den vorausgegangenen Missbrauch. In den einzelnen Abschnitten wurde ausgeführt, dass auch der Wirkungsmechanismus des exogen zugeführten Giftes im einzelnen meist noch nicht geklärt ist. Wahrscheinlich spielen sehr oft Faktorenkoppelungen eine entscheidende Rolle. Hierbei sind vor allem Konstitution, Ernährungsfaktoren und zusätzliche Entzündungsprozesse zu nennen. Die Exposition allein genügt nicht immer, um einen oft lebensbedrohenden und irreversiblen, morphologisch fassbaren Schaden zu setzen.
| 18 |
![]() | 19 |
Die verfügbaren medizinischen Publikationen über die Auswirkungen des Rauchens (vgl. besonders LEU/SCHAUB, Der Einfluss des Rauchens auf die Mortalität und die Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1983 S. 3 ff.) enthalten, worauf MAURER hinweist (SZS 1984 S. 93 ff.), lediglich korrelative Angaben, die nur mittelbar eine - vorsichtige - Interpretation der kausalen Sachzusammenhänge gestatten. Weil somit eine strikte naturwissenschaftliche Beweisführung, dass ohne den Missbrauch kein Schaden eingetreten wäre, derzeit praktisch unmöglich ist, muss hier - wie in den anderen Bereichen der Sozialversicherung - der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügen. Damit wird, entgegen der Auffassung MAURERS, das Erfordernis des natürlichen Kausalzusammenhanges im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 IVG keineswegs preisgegeben. Denn ausschlaggebend ist, dass von Gesetzes wegen allein schon die blosse Verschlimmerung (Art. 7 Abs. 1 IVG) der Invalidität zur Kürzung (oder sogar zum gänzlichen Entzug) der Geldleistungen führt, ein Gesichtspunkt, der von MAURER wenn nicht übersehen, so doch vernachlässigt wird (vgl. besonders SZS 1984 S. 90 Ziff. IV/1). Selbst in Fällen, in denen die natürliche Kausalität für den Ausbruch einer Krankheit nicht mit genügender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, wird durch das gesundheitsschädliche Verhalten der Verlauf der Krankheit doch mindestens gefördert oder beschleunigt, so dass wenigstens in diesem Rahmen die natürliche Kausalität gegeben ist.
| 20 |
c) Was den Alkoholkonsum im vorliegenden Fall anbelangt, erwog das kantonale Gericht, es sei "medizinisch nicht belegt und wohl auch nicht anzunehmen", dass die Kehlkopferkrankung ![]() | 21 |
"Der Äthylalkohol selbst stellt kein eigentliches Karzinogen dar, er scheint jedoch die Potenz anderer Karzinogene, wie z.B. die aromatischen Kohlenwasserstoffe des Tabakrauchs, erheblich zu verstärken."
| 22 |
Im vorliegenden Fall darf aber davon ausgegangen werden, dass der angegebene Rotweinkonsum zum Essen von einem halben Liter täglich noch nicht als Alkoholmissbrauch zu qualifizieren ist, der die Krebsanfälligkeit erheblich zu fördern vermochte. Aus diesem Grunde ist die natürliche Kausalität des Alkoholkonsums vorliegend zu verneinen.
| 23 |
d) Was das Rauchen betrifft, nahm das kantonale Gericht unter Hinweis auf einen ähnlich gelagerten, durch die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich beurteilten Fall an, selbst der medizinische Laie sehe ein, dass zwischen dem eindeutig übermässigen Nikotingenuss und der Krebserkrankung des Kehlkopfes ein kausaler Zusammenhang bestehe. Das BSV hält dem entgegen, nach Ansicht seines ärztlichen Dienstes lasse sich "im vorliegenden Fall kein genügend enger Kausalzusammenhang zwischen den Rauchgewohnheiten des Versicherten und dem aufgetretenen Kehlkopfkrebs nachweisen"; das Bundesamt verweist dabei auf ZÖLLNER, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, 3. Aufl., S. 294, wo es heisst: "Ob Tabak eine ursächliche Rolle spielt, ist nicht sicher, wahrscheinlich ist er nicht der einzige."
| 24 |
Eine Durchsicht der einschlägigen medizinischen Publikationen führt indessen zu einem anderen Ergebnis. Zwar sagt RÜEDI (in: Handbuch der inneren Medizin, 4. Aufl., Band IV/2) ebenfalls, die Ursachen der gutartigen und bösartigen Geschwulstbildungen im Kehlkopf seien unbekannt (S. 2 unten); er fährt aber fort, dass Larynxtumoren, allerdings viel seltener, auch ohne Alkohol- oder Tabakabusus auftreten könnten (a.a.O., S. 3 oben). Und vorgängig schreibt er, dass Tabakrauch den Kehlkopfkrebs durch die örtliche Einwirkung von aromatischen Ölen fördere; schon kleinste, chronisch einwirkende Schädigungen könnten an und für sich gewisse krankhafte Veränderungen des Kehlkopfes bewirken (a.a.O., S. 2). Auch GROSSENBACHER erklärt in seiner aus neuester Zeit stammenden Abhandlung (a.a.O., S. 126): "Ein Zusammenhang zwischen Rauchen und Karzinomentstehung ist für das Karzinom im Larynx, im Oropharynx, im Hypopharynx sowie der ![]() | 25 |
e) Vorliegend trifft es zu, dass sich die von der Invalidenversicherungs-Kommission eingeholten Atteste nur indirekt zur Kausalität äussern. Der Bericht des Kantonsspitals vom 15. April 1982 erwähnt nur im Anschluss an die Diagnose "Äthylabusus, Nikotinabusus". Im Bericht vom 2. Februar 1983 der Klinik heisst es lediglich: "Trotz eingehender Aufklärung über die Risikofaktoren für seine Krankheit trinkt der Patient nach wie vor nach eigenen Angaben im Minimum 1/2 Liter Rotwein pro Tag und raucht drei Stumpen pro Tag, was nur als Uneinsichtigkeit gewertet werden kann." Dennoch ist aufgrund der in Erwägung 3d hievor wiedergegebenen medizinischen Angaben vorliegend der Schluss zu ziehen, dass der als Tabakmissbrauch zu bezeichnende jahrzehntelange, massive Konsum von 20-40 Zigaretten täglich das Kehlkopfkarzinom wenn auch eventuell nicht ausschliesslich verursacht, so doch mindestens erheblich gefördert hat. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass der Beschwerdeführer selbst nach der ersten Stimmbandoperation im Jahre 1978 den Tabakgenuss nicht aufgab, womit er die Krankheitsentwicklung bis zur Entfernung des Kehlkopfes (Juli 1981) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch zusätzlich förderte. Das gleiche gilt in bezug auf den Konsum von zwei bis drei Stumpen täglich seit der Laryngektomie; ![]() | 26 |
27 | |
Werden die von MAURER erwähnten Stellen aus dem Bericht der Expertenkommission vom 30. November 1956 (S. 47) und der bundesrätlichen Botschaft vom 24. Oktober 1958 (BBl 1958 II 1164) im Gesamtzusammenhang des Textes gewürdigt, so ergibt sich daraus keineswegs, dass der Gesetzgeber in Art. 7 Abs. 1 IVG einen qualifizierten Begriff der Grobfahrlässigkeit habe einführen wollen. Abgesehen hievon wäre darauf hinzuweisen, dass die von MAURER angenommene Absicht der gesetzgebenden Organe im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat. Dadurch, dass Art. 7 Abs. 1 IVG als Kann-Vorschrift formuliert ist, wird - entgegen der Auffassung von MAURER (SZS 1984 S. 90 lit. cc) - den Invalidenversicherungs-Kommissionen kein Entschliessungsermessen, sondern lediglich die Kompetenz im Sinne einer Berechtigung und Verpflichtung eingeräumt, die Kürzung zu verfügen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Unter diesen Umständen könnte den Materialien selbst dann, wenn sie im Sinne der von Maurer vertretenen Auffassung zu verstehen wären, im Rahmen der Auslegung keine entscheidende Bedeutung ![]() | 28 |
Vielmehr ist dem Begriff der Grobfahrlässigkeit nach Art. 7 Abs. 1 IVG - im Sinne einer einheitlichen Gesetzesauslegung - jene Bedeutung beizumessen, wie sie sonst im Sozialversicherungsrecht massgeblich ist. Auf diesen wichtigen Gesichtspunkt einer harmonisierenden Gesetzesauslegung hat MAURER in anderem Zusammenhang verschiedentlich hingewiesen (vgl. z.B. MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band I, S. 222; derselbe, Rechtsfortbildung durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung in der Schweiz, in: SZS 1972 S. 196). Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Zusammenhang von diesem Prinzip abzuweichen. In diesem Sinne sieht übrigens auch Art. 25 Abs. 1 des Entwurfes zu einem Allgemeinen Teil der Sozialversicherung einen einheitlichen Begriff der Grobfahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Herbeiführung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens vor (Bericht S. 68 Beiheft zu SZS 1984). Aus diesen Gründen ist an der Umschreibung des Begriffs der Grobfahrlässigkeit auch im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 IVG gemäss Erw. 2c hievor festzuhalten.
| 29 |
b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die gesundheitlichen Gefährdungen eines jahrzehntelangen, massiven Tabakmissbrauchs im Ausmass von 20 bis 40 Stück Zigaretten im Tag bekannt waren. Dazu kommen die durch den Bericht des Kantonsspitals vom 2. Februar 1983 belegten ausdrücklichen, unbeachtet gebliebenen ärztlichen Warnungen im Verlaufe des Krankheitsgeschehens. Dabei ist nicht von Belang, ob sich der Beschwerdeführer die richtigen Vorstellungen von der genauen Art des Gesundheitsrisikos bzw. von der Lokalisation einer möglichen Krebserkrankung in einem bestimmten Organ machte. Ferner fehlen im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass eine Nikotinsucht im Sinne einer unüberwindbaren psychischen Abhängigkeit mit Krankheitswert (BGE 102 V 165) entweder schon von Anfang an bestand oder aber im Verlaufe der Entwicklung eintrat. In der Medizin wird denn auch die Überwindbarkeit des Tabakmissbrauches bejaht (vgl. statt vieler SCHÄR, Leitfaden der Sozial- und Präventivmedizin, 3. Aufl., S. 183 ff.).
| 30 |
31 | |
32 | |
a) Die grobfahrlässige Herbeiführung oder Verschlimmerung der Invalidität zieht grundsätzlich nicht den gänzlichen Entzug der Geldleistungen, sondern bloss deren angemessene Kürzung nach sich. Der Kürzungssatz bestimmt sich ausschliesslich nach dem Verschulden des Versicherten (BGE 104 V 2 Erw. 2b, BGE 97 V 229 Erw. 1b; vgl. auch BGE 106 V 23 Erw. 1a mit Hinweisen).
| 33 |
Praxisgemäss lässt sich unter der Voraussetzung, dass die Invalidität einzig durch den Alkoholismus verursacht worden ist und der Versicherte den Alkoholismus voll zu verantworten hat, eine Kürzung von höchstens 50% rechtfertigen. Ist an der Invalidität ein zusätzlicher Gesundheitsschaden beteiligt, so ist das Verhältnis der die Invalidität bewirkenden Faktoren zueinander abzuklären und der Alkoholmissbrauch als Kausalitätsfaktor bei der Bemessung der Kürzung anteilsmässig festzusetzen (BGE 104 V 2 Erw. 2b, BGE 97 V 230 Erw. 1c).
| 34 |
b) Im vorliegenden Fall beruht die invalidisierende Krankheit teils auf dem Tabakmissbrauch, teils auf unverschuldeten pathogenen Faktoren. Das Verschulden ist deshalb nur im Rahmen jenes Sachverhaltsanteiles zu berücksichtigen, in dem es sich ausgewirkt hat. Bei der Festlegung dieses auf das grobfahrlässige Verhalten zurückzuführenden Kausalfaktors wäre deshalb bei methodisch exaktem Vorgehen zuerst der Invaliditätsgrad als solcher (Gesamtinvalidität) zu ermitteln. Danach wäre der Kausalitätsanteil auszuscheiden, der auf dem grobfahrlässigen Verhalten beruht. Sodann müsste die Schwere dieses Selbstverschuldens festgestellt werden, die ihrerseits für die Bestimmung des Kürzungssatzes ausschlaggebend ist. Nach Massgabe des auf Grobfahrlässigkeit beruhenden Kausalanteils einerseits und der Schwere dieses Verschuldens (Kürzungssatz) anderseits wäre schliesslich die effektive Kürzung der Invalidenrente zu errechnen.
| 35 |
Die Anwendung einer solchen arithmetisch exakten Berechnungsmethode vermöchte indessen noch keineswegs zu gewährleisten, dass das Ergebnis der Kürzung stimmt, weil das Resultat in erster Linie von den Vorgaben, d.h. vom selbstverschuldeten Kausalanteil einerseits und von der für den Kürzungssatz massgebenden ![]() | 36 |
c) Im vorliegenden Fall fehlen nähere medizinische Angaben über den Kausalanteil, der dem betriebenen Tabakmissbrauch zukommt. Es steht lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Tabakmissbrauch im Sinne eines Teilfaktors zumindest die Krankheitsentwicklung erheblich gefördert hat. Der vom Beschwerdeführer zu verantwortende natürliche Kausalanteil, der vollumfänglich auch als adäquater Kausalanteil zu qualifizieren ist, könnte durch weitere medizinische Abklärungen kaum exakter bestimmt werden, weshalb eine Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur Aktenergänzung keinen Sinn hat. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles ist es nicht zu beanstanden, dass Verwaltung und Vorinstanz ermessensweise die Kürzung der Rentenleistungen auf 10% festgesetzt haben.
| 37 |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
| 38 |
39 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |