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49. Urteil vom 14. Dezember 1987 i.S. I. gegen Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 3 Abs. 3 KUVG: Grundsatz der Gegenseitigkeit. Eine Statutenbestimmung, welche die vor ihrem Inkrafttreten wiedereingetretenen Mitglieder gegenüber den erst nach diesem Zeitpunkt wiedereintretenden Mitgliedern in bezug auf die Zuteilung zu einer Eintrittsaltersgruppe benachteiligt, verstösst gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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Im Januar 1985 ersuchte Marlis I. die Kasse um Abklärung der Frage, ob sie unter Anrechnung der früher zurückgelegten Beitragsjahre in die Altersgruppe A (Eintrittsalter vom 21. bis zum vollendeten 30. Altersjahr) versetzt werden könne. Am 11. Februar 1985 stellte sie einen entsprechenden Antrag. Mit Verfügung vom 22. Februar 1985 lehnte die Kasse dieses Gesuch ab und stellte fest, dass Marlis I. "bei ihrem Wiedereintritt in die Kasse am 1. Juli 1976 zu Recht der Altersgruppe B (vom 31. bis zum vollendeten 40. Altersjahr) zugeteilt worden" sei. Zur Begründung führte sie aus, dass die Statutenänderung erst ab dem 1. Januar 1977 in Kraft getreten sei, weshalb sie nur für Wiedereintritte, die nach diesem Datum erfolgten, gelte. Selbst wenn die Statutenänderung rückwirkend anwendbar sein sollte, könnte sich Marlis I. nicht darauf berufen, da sie seit 1977 die nach der früher geltenden Regelung festgesetzten Beiträge bezahlt und es damit versäumt habe, der Kasse innert angemessener Frist kundzutun, dass sie mit dieser Einteilung nicht einverstanden sei.
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B.- Die Versicherte führte hiegegen Beschwerde mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, sie in die Beitrittsaltersgruppe A umzuteilen und ihr die seit 1. Januar 1977 zuviel bezahlten Beiträge zurückzuerstatten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern kam im wesentlichen zum Schluss, Marlis I. habe es bis zu einer Unterredung mit einem Kassenvertreter Ende 1984 widerspruchslos hingenommen, dass sie nach Inkrafttreten der Statutenrevision nicht in die Altersgruppe A umgeteilt worden sei. Erst nach Ablauf von über acht Jahren habe sie eine Abklärung der Altersgruppeneinteilung veranlasst. Diese Zeitspanne liege nicht mehr im Rahmen einer den Umständen angemessenen Überlegungs- und Prüfungsfrist, innert welcher ein Versicherter das Vorgehen der Verwaltung anfechten könne. Es müsse daher angenommen werden, dass Marlis I. die Einteilung in die Altersgruppe B gebilligt habe. Mit dieser Begründung wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde am 1. April 1986 ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Marlis I. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Nach Art. 6bis Abs. 2 KUVG sind die Kassen berechtigt, die Mitgliederbeiträge nach Eintrittsalter, Geschlecht und örtlich bedingten Kostenunterschieden abzustufen. Der auf 1. Januar 1977 in Kraft getretene neue Art. 73 Ziff. 6 der Statuten der Beschwerdegegnerin bestimmt, dass das erwachsene Mitglied während der ganzen Dauer der Mitgliedschaft, sofern diese nicht unterbrochen wurde, die der Einteilung nach Altersgruppen entsprechenden Beiträge zu entrichten hat. Bei Wiedereintritt werden in der Krankenpflege- und Krankengeldversicherung frühere Mitgliedschaftsjahre der Erwachsenenaltersgruppen angerechnet. Diese neue Regelung enthält in zeitlicher Hinsicht keine Schranken. Es fehlt auch eine Übergangsbestimmung. Eine gesetzeskonforme Auslegung führt jedoch zum Schluss, dass die auf 1. Januar 1977 geänderte Regelung nur dahingehend verstanden werden kann, dass sie sich auch auf Versicherte bezieht, die vor deren Inkrafttreten wieder der Kasse beigetreten sind. Die gegenteilige, von der Beschwerdegegnerin vertretene Auffassung, wonach die neue Bestimmung nur Versicherten, die nach dem 1. Januar 1977 wieder beigetreten sind, zugute kommen soll, verletzt das Prinzip der Gegenseitigkeit, nach welchem die anerkannten Krankenkassen laut Art. 3 Abs. 3 KUVG die Krankenversicherung zu betreiben haben. Nach diesem Grundsatz muss zwischen den Beiträgen einerseits und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen. Weiter besagt er, dass Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen Vorteile zu gewähren sind (BGE 112 V 287 Erw. 3 mit Hinweisen). Der Grundsatz der Gegenseitigkeit verbietet damit, dass ein Versicherter in den ![]() ![]() | 7 |
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Im vorliegenden Fall setzte eine allfällige Umteilung in eine andere Altersgruppe als Änderung im Mitgliedschaftsverhältnis notwendigerweise einen Antrag der Versicherten voraus. Da ein solcher fehlte, konnte auch kein materieller Entscheid in einem konkreten Einzelfall mit den dargestellten Folgen bei fehlender Anfechtung getroffen werden.
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Begehren um Änderungen im Mitgliedschaftsverhältnis können grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft gestellt werden, indem angenommen wird, dass ein Versicherter bis zum Zeitpunkt, da er das entsprechende Gesuch stellt, auf eine Änderung verzichtet. Ob ein solcher Verzicht aus Rechtsunkenntnis, Nachlässigkeit, fehlendem Bedarf oder aus anderen Gründen erfolgt, ist unerheblich. Der Versicherte hat es selbst zu vertreten, wenn er von der Möglichkeit der Änderung im Mitgliedschaftsverhältnis als Gestaltungsrecht nicht rechtzeitig Gebrauch macht. Der Verzicht auf eine Änderung während längerer Zeit hat jedoch keine Verwirkung des Anspruchs zur Folge. Da die Berechtigung, Beiträge aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersklasse entrichten zu können, ein auf Dauer angelegter Anspruch ist, kann er auch nach längerem Verzicht ohne weiteres jederzeit mit Wirkung für die Zukunft erhoben werden.
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b) Wie aus der angefochtenen Verfügung ersichtlich ist, hat die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Umteilung erstmals mit ![]() | 11 |
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 1. April 1986 und die angefochtene Kassenverfügung vom 22. Februar 1985 aufgehoben werden und die Sache an die Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz zurückgewiesen wird, damit diese über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Umteilung in eine andere Altersbeitrittsgruppe ab 1. Februar 1985 und die Rückerstattung zuviel bezahlter Beiträge neu verfüge.
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