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36. Urteil vom 15. August 1988 i.S. Schweizerische Kranken- und Unfallkasse ZOKU gegen W. und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 26 Abs. 1 und 3 KUVG, Art. 14 Abs. 2 Vo III: Vorleistungspflicht der Krankenkassen. |
- Frage offengelassen, ob eine Krankenkasse auch ohne entsprechende statutarische Grundlage vorleistungspflichtig ist (Erw. 3d). | |
Sachverhalt | |
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Mit Verfügung vom 19. Februar 1986 verneinte die Krankenkasse ihrerseits eine Leistungspflicht, da der Versicherte zuerst die Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung geltend machen müsse; sollte sich bei dieser Auseinandersetzung die Teilhaftung der Haftpflichtversicherung rechtsverbindlich ergeben, so komme die Krankenkasse im Rahmen des Krankenversicherungsgesetzes und ihrer Statuten für den ungedeckten Teil auf; im vorliegenden Fall bestehe jedoch kein rechtsverbindliches Urteil über die Haftungsfrage.
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B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Zürich in Aufhebung der Kassenverfügung vom 19. Februar 1986 gut und verpflichtete die ZOKU, Thomas W. für die Folgen des Unfalls vom 31. Mai 1985 die versicherten Leistungen zu erbringen (Ziff. 1 des Dispositivs). In ![]() | 3 |
C.- Die ZOKU führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
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Thomas W. und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach Art. 26 Abs. 1 KUVG darf den Versicherten aus der Versicherung kein Gewinn erwachsen. Sind neben der Krankenkasse andere Versicherungsträger, die nicht Krankenkassen sind, leistungspflichtig, so haben die Krankenkassen ihre Leistungen höchstens in dem Masse zu gewähren, als unter Berücksichtigung der Leistungen dieser Versicherungsträger dem Versicherten kein Gewinn erwächst (Art. 26 Abs. 3 KUVG). Nach Art. 26 Abs. 4 KUVG kann der Bundesrat bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ![]() | 8 |
Im Urteil S. vom 8. September 1971 (RSKV 1971 Nr. 104 S. 175) ist das Eidg. Versicherungsgericht davon ausgegangen, dass sich eine Statutenbestimmung nicht beanstanden lässt, welche Leistungen einer Krankenkasse nur vorsieht, wenn der aus unerlaubter ![]() | 9 |
Ist für einen Unfall oder Krankheitsfall ein Dritter voll oder teilweise haftpflichtig, so gewährt die Kasse keine Leistungen, unabhängig ob die Haftpflicht aus unerlaubter Handlung, aus Vertrag oder Gesetz besteht.
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Das Gericht erklärte diese Bestimmung insoweit als bundesrechtswidrig, als sie einen gänzlichen Leistungsausschluss der Krankenkasse auch bei bloss teilweiser Haftung des Dritten vorsieht. Von diesem Punkt abgesehen, hat das Gericht jedoch die Gültigkeit dieser Kassenvorschrift nicht in Frage gestellt. Im Urteil V. vom 29. Dezember 1987 (RKUV 1988 Nr. K 768 S. 203 Erw. 2) entschied es hinsichtlich einer analogen Kassenvorschrift, ein gänzlicher Leistungsausschluss bei voller Dritthaftpflicht lasse sich nicht beanstanden und stehe im Einklang mit dem gesetzlichen Überentschädigungsverbot des Art. 26 Abs. 1 KUVG.
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b) Was insbesondere die Frage betrifft, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Krankenkasse Leistungen zu erbringen hat, wenn ein Dritter seine Haftpflicht ganz oder teilweise bestreitet (sog. Vorleistungspflicht). hat das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil M. vom 28. August 1981 (RJAM 1982 Nr. 481 S. 71; vgl. auch die Übersetzung in RSKV 1982 Nr. 481 S. 67) die damals zu beurteilende Statutenbestimmung dahingehend interpretiert, dass es zur Wahrung des Anspruchs auf Leistungen der Krankenkasse genüge, wenn das Kassenmitglied seine Rechte gegenüber dem Autohaftpflichtversicherer der Krankenkasse bis zum Betrage der von ihr erbrachten Leistungen abtrete, vorausgesetzt, dass sie abtretbar seien; dagegen sei das Kassenmitglied nicht verpflichtet, gegen den Privathaftpflichtigen eine Zivilklage anzustrengen, um das Ausmass der diesem obliegenden Verantwortung gerichtlich feststellen zu lassen. Das Eidg. Versicherungsgericht legte ![]() | 12 |
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Ist für ein Unfallereignis eines anderweitig nicht für Unfall versicherten Mitgliedes ein Dritter voll oder teilweise haftpflichtig, so gewährt die ZOKU keine Leistungen, unbeschadet darum, ob die Haftpflicht aus unerlaubter Handlung, aus Vertrag oder Gesetzesvorschrift besteht.
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Diese Subsidiärklausel stimmt mit den in den Urteilen T. vom 30. Januar 1987 (RKUV 1987 Nr. K 736 S. 214) und V. vom ![]() | 15 |
Demgegenüber bejahte die Vorinstanz eine Leistungspflicht der Krankenkasse, indem sie sich den Erwägungen des erwähnten Urteils M. vom 28. August 1981 (RJAM 1982 Nr. 481 S. 71) anschloss, da der Schlussfolgerung im erwähnten Urteil B. vom 17. März 1983 (RSKV 1983 Nr. 560 S. 275) nicht zugestimmt werden könne. Das BSV ist in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Auffassung, die im erwähnten Urteil M. vom 28. August 1981 getroffene Lösung müsse um so eher gelten, als im vorliegenden Fall eine ähnliche statutarische Regelung in Frage stehe. Zur Begründung dieser Auffassung führte es an, "die Art. 45.3 und 46.12, deren gegenseitiges Verhältnis übrigens nicht ganz klar ist, halten nämlich ebenfalls ausdrücklich fest, dass die Kasse bei Bestreitung der Leistungspflicht bzw. Haftpflicht durch den Dritten die statutarischen Leistungen (vorschussweise) gewähre bzw. entrichte, sofern ihr das Mitglied seine Drittansprüche abtrete".
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b) Die beschwerdeführende Krankenkasse macht ihre Leistungspflicht somit davon abhängig, dass die Frage der vollen oder teilweisen Haftpflicht eines Dritten vorgängig "rechtsverbindlich" entschieden werde. Dabei übersieht sie jedoch wie das kantonale ![]() | 17 |
Bestreitet der Dritte seine Haftpflicht, so entrichtet die ZOKU vorschussweise die statutengemässen Leistungen unter der Bedingung, dass das Mitglied ihr seine Ansprüche gegenüber dem Dritten bis zur Höhe der von ihr gemachten Leistungen abtrete und sich verpflichtet, nichts zu unternehmen, was der Geltendmachung eines allfälligen Rückgriffrechtes der ZOKU gegenüber dem haftpflichtigen Dritten entgegenstünde.
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Diese Statutenbestimmung hält unmissverständlich fest, dass und unter welchen Voraussetzungen die Beschwerdeführerin leistungspflichtig ist, wenn ein Dritter seine Haftpflicht bestreitet. Ihre Leistungspflicht wird insbesondere nicht davon abhängig gemacht, dass die Haftpflicht des Dritten vorgängig rechtsverbindlich entschieden worden ist. Dass sie ihre Leistungen nach Ziff. 46.12 der Statuten lediglich "vorschussweise" zu leisten hat, ändert nichts daran, dass es sich um eine eigentliche Vorleistungspflicht der Beschwerdeführerin im Verhältnis zum haftpflichtigen Dritten handelt. Denn sie hat nach der Statutenbestimmung "vorschussweise die statutengemässen Leistungen" zu erbringen gegen Abtretung der Ansprüche des Kassenmitgliedes gegenüber dem Dritten "bis zur Höhe der von ihr (d.h. der Krankenkasse) gemachten Leistungen". Andere Voraussetzungen als die Abtretung der Ansprüche und Verpflichtung zur Wahrung der Rechtsposition sind an die Vorleistung nicht geknüpft. Es kommt daher entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Krankenkasse nicht darauf an, aus welchen Gründen der Dritte seine Haft- bzw. Leistungspflicht ablehnt.
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c) Ziff. 46.12 der Kassenstatuten regelt somit die Leistungspflicht der Krankenkasse im Verhältnis zu einem Dritten, der seine Haftpflicht bestreitet, und zwar in dem Sinne, dass die Krankenkasse die statutengemässen Leistungen vorschussweise zu erbringen hat. Vorausgesetzt ist einzig, dass das Kassenmitglied der Krankenkasse seine Ansprüche gegenüber dem Dritten bis zur Höhe der von ihr gemachten Leistungen abtritt und sich verpflichtet, nichts zu unternehmen, was der Geltendmachung eines allfälligen Rückgriffrechtes der Krankenkasse gegenüber dem haftpflichtigen Dritten entgegenstünde. Eine solche statutarische Regelung der Vorleistungspflicht im Verhältnis zu einem haftpflichtigen Dritten lässt sich nicht beanstanden. Ziff. 46.12 der Statuten der Beschwerdeführerin stimmt inhaltlich überein mit der im ![]() | 20 |
Schliesslich vermag auch die statutarische Abtretungsverpflichtung an der Gültigkeit der Ziff. 46.12 der Kassenstatuten nichts zu ändern. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Abtretungsverpflichtung unnötig ist (vgl. SCHAER, a.a.O., S. 326 f., Rz. 959 ff., und S. 363 f., Rz. 1052) oder der allgemeinen Regressordnung des Art. 51 Abs. 2 OR widerspricht, wenn der Dritte bloss aus Gesetzesvorschrift haftet (BGE 80 II 252 unten, BGE 81 II 168 Erw. 4). Jedenfalls ist gegen die Anwendung einer Subsidiärklausel mit Abtretungsverpflichtung dann nichts einzuwenden, wenn der Dritte aus Verschulden haftet (BGE 81 II 168 Erw. 4; vgl. auch SCHAER, a.a.O., S. 363, Rz. 1052). In diesem Zusammenhang hat sich der Sozialversicherungsrichter ohnehin nicht mit der Frage zu befassen, ob der Dritte aus Verschulden, Vertrag oder Gesetzesvorschrift haftet, ob und in welchem Umfang die Krankenkasse allfällige Ansprüche gegen den Dritthaftpflichtigen durchsetzen kann und ob sie ein Regressrecht gestützt auf Art. 51 Abs. 2 OR hat. Dies zu beurteilen ist Sache des Zivilrichters. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass Abweichungen von der allgemeinen Regressordnung nicht ausgeschlossen sind, gilt doch diese nach Art. 51 Abs. 2 OR "in der Regel" (BGE 76 II 392Erw. 4; erwähntes Urteil des Bundesgerichts in Sachen E. vom 8. Dezember 1986). Schliesslich vermag auch der Umstand, dass eine Abtretung der Ansprüche unnötig sein könnte, noch keine Bundesrechtswidrigkeit zu begründen. Aus diesem Grunde lässt sich auch Ziff. 2 des vorinstanzlichen Entscheiddispositivs, wonach der Beschwerdegegner der Krankenkasse bis zur Höhe ihrer Leistungen seine Haftpflichtansprüche abzutreten hat, nicht beanstanden.
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d) Nach dem Gesagten ist somit die Beschwerdeführerin gestützt auf Ziff. 46.12 ihrer Statuten verpflichtet, dem Beschwerdegegner die gesetzlichen und statutarischen Leistungen aus dem Unfall vom 31. Mai 1985 zu erbringen, zumal aufgrund der Akten feststeht, dass die Haftpflichtversicherung des am Unfall beteiligten ![]() | 22 |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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