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44. Auszug aus dem Urteil vom 29. September 1988 i.S. U. gegen Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und Kantonale Rekurskommission Uri für die AHV/IV/EO | |
Regeste |
Art. 52 AHVG: Arbeitgeberhaftung. Bestätigung der Rechtsprechung bezüglich |
- des strengen Verschuldensmassstabes auch bei der Delegation von Geschäftsführungskompetenzen (Erw. 4a). | |
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a) Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf die grammatikalische Auslegungsmethode abgestellt, wenn sich daraus zweifellos eine sachlich richtige Lösung ergab (BGE 110 Ib 8). Wohl ist das Gesetz in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist indessen der Text nicht klar bzw. sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich der Auslegung nach dem Zweck, nach dem Sinn und nach den dem Text zugrundeliegenden Wertungen. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt (BGE 112 V 171 Erw. 3a mit Hinweisen; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 227).
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b) Bei der Auslegung des in Art. 52 AHVG für das Haftungssubjekt verwendeten Begriffs "Arbeitgeber" ist das Eidg. Versicherungsgericht davon ausgegangen, dass dem Arbeitgeber bezüglich der in Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV statuierten öffentlichrechtlichen Pflicht zum Bezug, zur Ablieferung und zur Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge die Stellung eines gesetzlichen Vollzugsorgans zukommt. Die Haftung des Arbeitgebers gemäss Art. 52 AHVG bildet das Korrelat zu dieser öffentlichrechtlichen Organstellung (BGE 112 V 155 Erw. 5, BGE 96 V 124; ZAK 1987 S. 208 Erw. 5). Kommt dem Arbeitgeber bezüglich Bezug, Ablieferung und Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge Organstellung bei der Durchführung verschiedener Zweige der bundesrechtlichen Sozialversicherung ![]() | 3 |
c) Nach Auffassung von MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 67, N. 62, lässt diese Argumentation ausser acht, dass Art. 19 VG nur hoheitliches Handeln im Auge habe; der Arbeitgeber besitze aufgrund des AHVG keine hoheitliche Gewalt.
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Indessen setzt die Haftung nach Art. 19 Abs. 1 VG lediglich voraus, dass "ein Organ oder ein Angestellter einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten und ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation in Ausübung der mit diesen Aufgaben verbundenen Tätigkeit" einen Schaden verursacht. Die dem Arbeitgeber durch Art. 14 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV übertragenen Pflichten zum Bezug, zur Ablieferung und Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge sind eine öffentlichrechtliche Aufgabe im Sinne des zitierten Art. 19 Abs. 1 VG. Hoheitliche Tätigkeit liegt stets vor, wo ein Rechtsverhältnis einseitig durch öffentliches Recht geregelt ist und der Private in einem Subordinationsverhältnis zum Staat steht. In diesem Sinne ist die Rechtsstellung des Arbeitgebers beim Bezug, der Ablieferung und der Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge hoheitlich. Die Bezugnahme ![]() ![]() | 5 |
Es besteht somit kein Anlass, von der dargelegten Rechtsprechung zur subsidiären Haftung der verantwortlichen Organe einer juristischen Person nach Art. 52 AHVG abzugehen (BGE 108 V 17 Erw. 3b; ZAK 1987 S. 583 Erw. 2b).
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a) Hat die Verwaltung einer Aktiengesellschaft die Geschäftsführung gemäss Art. 717 Abs. 2 OR an Delegierte oder Direktoren übertragen, so untersteht die Verwaltung bezüglich der delegierten Bereiche nur noch der Haftung für Auswahl, Instruktion und Überwachung der Beauftragten (FORSTMOSER, a.a.O., S. 115, N. 321 mit Hinweisen; BÜRGI/NORDMANN, Kommentar zu Art. 753/754 OR, N. 79; HORBER, Die Kompetenzdelegation beim Verwaltungsrat der AG und ihre Auswirkungen auf die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Diss. Zürich 1986, S. 113 und S. 123; VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 235). Kernstück dieser nicht delegierbaren Sorgfaltspflichten bildet die cura in custodiendo. Zwar ist der nicht geschäftsführende Verwaltungsrat gestützt auf Art. 722 Abs. 2 Ziff. 3 OR nicht verpflichtet, jedes einzelne Geschäft der mit der Geschäftsführung und Vertretung Beauftragten zu überwachen, sondern darf sich auf die Überprüfung der Tätigkeit der Geschäftsleitung und des Geschäftsganges beschränken. Dazu gehört, dass er sich laufend über den Geschäftsgang informiert, Rapporte verlangt, sie sorgfältig studiert, nötigenfalls ergänzende Auskünfte einzieht und Irrtümer abzuklären versucht (BGE 97 II 411 Erw. 5b; ![]() | 8 |
Die vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf FORSTMOSER (a.a.O., S. 108, N. 553, S. 309, N. 1084, und S. 338, N. 1199) erhobenen Einwände gegen den vom Eidg. Versicherungsgericht auch bei der Delegation von Geschäftsführungskompetenzen angewendeten - strengen - Verschuldensmassstab erfüllen die Voraussetzungen für eine Praxisänderung nicht (BGE 108 V 17 Erw. 3b; ZAK 1987 S. 583 Erw. 2b). Vielmehr ist an der einlässlich begründeten Rechtsprechung festzuhalten. Die hohen Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt eines Verwaltungsrates bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung von Geschäftsführern und Hilfspersonen sind entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung im Hinblick auf die - rechtsgleiche - Durchführung des Beitragsbezugs gerechtfertigt.
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